Cora Stephan / 01.07.2008 / 14:30 / 0 / Seite ausdrucken

Eine lahme Ente nimmt Abschied

In Deutschland weinen sicherlich nur wenige dem abschiednehmenden amerikanischen Präsidenten eine Träne nach. Die Gründe dafür scheinen auf der Hand zu liegen: der Irakkrieg und Guantanamo. Mit George W. Bushs Namen wird Unrühmliches verbunden bleiben: als ob man die Lüge gebraucht hätte, um Saddam Husseins Schreckensherrschaft zu beenden, fingierte man die akute Gefahr von Massenvernichtungswaffen in seinen Arsenalen. Und für die rechtlosen Zustände in Guantanamo handelte sich Bush in dieser Woche eine Ohrfeige des obersten amerikanischen Gerichts ein.
Das beschädigt den moralischen Feldzug des Präsidenten. Haben seine Strategen vergessen, daß man nicht nur wissen muß, wie man einen Krieg führt, sondern auch, wie man nach dem militärischen Sieg Frieden schafft? Doch über die mangelnde völkerrechtliche Legitimation moralisch motivierter Feldzüge sollten sich vor allem die Deutschen nicht allzusehr erregen, die es sich gefallen ließen, daß eine völkerrechtlich gesehen ebenfalls nicht unbedenkliche Intervention im Kosovo vom damaligen Außenminister Joschka Fischer mit dem moralischen Ausnahmezustand Auschwitz begründet wurde.
Angela Merkel jedenfalls hat vermieden, womit ihr Vorgänger Schröder auftrumpfte: so zu tun, als ob man im weltpolitischen Gefüge sauber bleiben könne. Das hängt gewiß damit zusammen, daß jemand mit DDR-Vergangenheit den Wert der Freiheit höher zu schätzen weiß als die diesbezüglich verwöhnten Westdeutschen, die noch immer und schon wieder dazu neigen, ihre bürgerlichen Freiheiten an den fürsorgenden Staat abzugeben – das utopische Versprechen sozialer Gerechtigkeit ist hierzulande beliebter als das Risiko, das die Freiheit mit sich bringt. Nur wenige verstanden daher das Votum der polnischen Nachbarn für die Bush-Regierung – die aus guten Gründen das Freiheitspathos des Präsidenten zu schätzen wissen.

Das sahen die französischen Intellektuellen ähnlich. Umso höher ist ihnen anzurechnen, daß sie nun mit guten Gründen die Irakpolitik Bushs kritisieren – das unterscheidet sie von ihren deutschen Kollegen und von Kanzler Schröder, die sich von vornherein und ohne jeden Selbstzweifel dem pazifistisch-linken Mainstream anschlossen. Da fiel Schröders unheilige Allianz mit Rußland unter Putin, dem lupenreinen Demokrator, schon gar nicht mehr auf.
Die hierzulande modische Unterschätzung George W. Bushs, über dessen intellektuelle Leistungen man sich ebenso freudig mokiert wie seinerzeit über die geistigen Kapazitäten Ronald Reagans, ist wohlfeil. Achwas: sie ist spießig. Sie reduziert die großen politischen Fragen auf Geschmacksprobleme. Natürlich ist den großstädtischen Milieus im alten Europa ein charmanter saxofonspielender Ehebrecher irgendwie näher als ein inbrünstig religiöser ehemaliger Trinker, der stottert und auf Cowboy macht, was man hierzulande höchstens im Italowestern erträgt. Doch wer den Präsidenten für dumm hält, verwechselt Macht mit Selbstinszenierung. Die städtische Schickeria in Deutschland hätte nunmal gerne Politiker nach ihrem Ebenbild. Mit Inhalten hat das nichts zu tun. Das hat auch Angela Merkel zu spüren bekommen, die nicht nur deshalb heute schöner aussieht, weil sie eine Visagistin und einen Promifriseur beschäftigt, sondern weil die Bildredaktionen in den Zeitungen nicht immer nur die häßlichsten Fotos von ihr ins Blatt stellen – da ja beschränkt sein müsse, wer so aussieht. Hoffentlich schämt sich da jemand mittlerweile.
Mißtrauisch macht es jedenfalls, wie bereitwillig man sich hierzulande der schönen Inszenierung von Barack Obama hingibt. Sicher, der Mann macht neben der ehrgeizzerfressenen Hillary Clinton eine gute Figur. Da denkt man lieber nicht daran, daß der republikanische Gegenspieler John McCain genau von diesem Showeffekt profitieren könnte – weiß man denn, ob Obama mehr kann als charismatisch wirken?
Und im übrigen: Was für ein Irrtum, zu glauben, man werde es hierzulande mit einem gutaussehenden schwarzen Präsidenten der USA leichter haben. Denn es stimmt nicht, daß wir keine Weltmacht mehr brauchten, die sich Freiheit und Demokratie auf die Fahne geschrieben hat. Sicher, die USA haben stets zugleich unterhalb dieses Anspruchs operiert und damit ihre eigenen Werte korrumpiert. Und natürlich hat auch das benevolente Imperium seine Nachtseite: daß es nämlich glaubt, anderen den Weg zum Glück aufzwingen zu dürfen. Aber ist es vielleicht moralischer, einfach zuzusehen, wie andere unter ihren Diktatoren leiden, besser, sie behalten ihre Kultur und ihren pittoresken Hunger, als daß man ihnen McDonalds auf den Hals schickt? So in etwa lautete der jüngste Reisebericht von Alice Schwarzer aus Birma. Und das ist gewiß mindestens so zynisch wie die Bereitschaft der USA, Diktatoren solange zu dulden, wie sie sich als nützlich erweisen.
Wir hier sind noch immer in der glücklichen Lage, die Supermacht USA solche Ambivalenzen aushalten und austragen zu lassen und sie gegebenenfalls dafür zu beschimpfen. Noch immer ist unser weltpolitisches Engagement gering. Und deshalb ist eines gewiß: Mit dem Abgang von Bush wird Amerika kein Paradies nach deutschem Geschmack.
NDR-Info, 15. Juni 2008

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