Seit kurzem gibt es einen “Arbeitskreis jüdischer Sozialdemokraten” in der SPD. Der Sozialdemokrat Hans Erler möchte mehr: dass sich die SPD an ihre jüdischen Wurzeln erinnert. Hans Erler ist der Sohn von Fritz Erler. http://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Erler Der folgende Beitrag von Reiner Thies ist in einer Regionalausgabe der Kölnischen Rundschau erschienen.
Eine Frage des Grundsatzes
Hans Erler kämpft für die Aufnahme des Judentums ins SPD-Programm
von REINER THIES
MARIENHAGEN. Eigentlich entspricht das unter Genossen übliche “Du” nicht den Gewohnheiten, die Hans Erler (65) im sozialen Umgang pflegt. Doch sein Anliegen ist ihm wichtig genug, dass er seinen Brief an den SPD-Generalsekretär vertraulich mit “Lieber Hubertus” eröffnet. Erler setzt sich dafür ein, dass das Judentum als Wurzel der deutschen Sozialdemokratie im neuen SPD-Grundsatzprogramm Erwähnung findet.
Im Brief an Hubertus Heil beklagt der Marienhagener, dass seine Initiative, die vom SPD-Unterbezirk und von der Landespartei unterstützt wird, keine Aufnahme in den Entwurf des Grundsatzprogramms gefunden hat, das in drei Wochen auf dem Bundesparteitag in Hamburg beschlossen werden soll. “Sollte die SPD etwa Angst vor dem in Deutschland virulenten Antijudaismus und Antisemitismus und Furcht davor haben, er könnte sich auch gegen die SPD richten?” fragt Erler provokativ. Und versichert, dass sich sein Vorstoß “selbstverständlich nicht gegen die SPD” richtet, “was auch mein Buch 1976 nicht wirklich tat”.
Das erwähnte Buch von 1976 sorgte bundesweit für Aufsehen. Dazu muss man wissen, das der Autor Sohn des neun Jahre zuvor verstorbenen SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Fritz Erler (1913-67) ist. “Fritz Erler contra Willy Brandt - Demokratie oder Volksfront in Europa” war eine heftige Polemik gegen den damaligen SPD-Vorsitzenden: “Ich erhebe Einspruch dagegen, dass eine marxistisch gewordene SPD sich weiterhin auf meinen Vater beruft”, schrieb Erler damals.
Aufseiten der CDU stieß die 30 000 Mal verkaufte Schrift natürlich auf helle Begeisterung. Zwei Jahre zuvor war Erler mit Ehefrau Ursula von Köln nach Marienhagen gezogen. So waren es der damalige CDU-Kreisgeschäftsführer Konrad Frielingsdorf und der Wiehler Ortsverbandsvorsitzende Lotar Koch, die Erler mit einem Antrag auf Aufnahme in die Partei zu Hause besuchten. Der damals 34-jährige Politologe unterschrieb sogleich.
Heute will Erler seine Schrift eigentlich eher als inner-sozialdemokratische Streitschrift verstanden wissen. Damals bescherte sie ihm einen Job bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. 27 Jahre lang war Erler dort tätig, im Februar dieses Jahres wurde er in den Ruhestand entlassen - und trat zwei Monate später der SPD bei.
Für Hans Erler war der Wechsel ein konsequenter Schritt. Bei der Adenauer-Stiftung war das deutsche Judentum für Erler in den vergangenen Jahren zum Forschungsschwerpunkt geworden, der zu einer Reihe von Publikationen geführt hat. Und das Judentum führte ihn zur Sozialdemokratie und zur Erkenntnis, dass letztere ohne erstere nicht denkbar ist. Erler spricht von einer unabdingbaren Verbundenheit, die nicht nur an den jüdisch-stämmigen Urvätern Marx und Lassalle festzumachen ist.
Mit einem offenen Brief an den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck, den Erler auch überregionalen Zeitungen zukommen lässt, will er doch noch erreichen, dass das Judentum als geistige Quelle im SPD-Grundsatzprogramm auftaucht. Und wenn er scheitert? “In der Politik darf man nicht enttäuscht sein”, sagt Erler lakonisch. “Außerdem gibt es dann immer noch die Möglichkeit, ein Buch zu schreiben.”