Hans-Martin Esser / 12.05.2016 / 11:30 / 2 / Seite ausdrucken

Der Taschenrechner meldet: Die CDU hat ein Problem

Es ist schon merkwürdig, dass es bisher nicht thematisiert wurde. In den Medien halten sich die Meinungen die Waage, ob oder ob nicht die CSU in ihrem Verhalten den Aufstieg der AfD begünstigt. Man hört allenthalben, dass Seehofer so reagiere, weil die CSU in Bayern die absolute Mehrheit verloren habe. Schaut man sich aber die tatsächlichen Zahlen an, ist es so, dass die CSU in Bayern bei der so genannten Sonntags-Frage um die 48% liegt, die AfD liegt bei mickrigen 8% im Freistaat. Vom Verlust für die CSU kann keine Rede sein, nur die CDU schwächelt.

Was bedeutet das nun für die Bundesrepublik? Bayern hat ungefähr ein Sechstel der Einwohner der Bundesrepublik. Die CDU/CSU liegt insgesamt zurzeit in Sonntagsfragen so um die 32-33%. Hätte die CSU in Bayern ein ähnlich lausiges Ergebnis wie die CDU in den übrigen 15 Bundesländern, wäre es so, dass man nur noch 28-29% hätte. Das wäre das schlechteste Ergebnis für die Union überhaupt.

Für Angela Merkels Traum, mit Grünen, die so bei 12% liegen, ab 2017 eine Koalition zu bilden, reichen die 28+12% nicht. Es scheint unwahrscheinlich, dass die CDU es sich mit der CSU verscherzt. Die Christdemokraten benötigen die Christsozialen dringender als umgekehrt. Und ohne die Christsozialen wird es keine Koalition geben, davon bin ich überzeugt.

Die CSU sitzt am längeren Hebel. Sie muss sich dem Wähler 2018 erst wieder stellen in Bayern, die CDU hingegen kann sich 2017 schon blamieren. In Bayern wird es die Wählerschaft sehr schätzen, dass die eigene, von der CDU abweichende Position ein Jahr zuvor herausgestellt worden war.

Nun könnte im Gegenzug die CDU 2018 auch im Freistaat antreten. Das ist möglich, aber sie würde ein blamables Ergebnis einfahren, das zwar eine Alleinregierung unmöglicht machen wird, aber die mutmaßlich wenigen Prozentpunkte wären eher eine so große Schande, dass die CDU davon entweder Abstand nehmen würde, in Bayern einzumarschieren oder – wenn sie es dann doch täte - ein kleiner Juniorpartner wäre. Weitere Koalitionspartner bräuchte man wohl nicht.

Ganz anders im Bund, dort wird man mindestens einen Partner benötigen, wenn CDU und CSU nach der Wahl dann wieder regieren wollen. Die CDU wäre dann aber bei Konkurrenz durch die CSU eher so bei 25%, die Christsozialen mutmaßlich bei um die 12%, schließlich nähme man dann der AfD wieder Stimmen ab. 35-40% reichen aber nicht, wer wollte dann mitregieren bei einem verkrachten Ehepaar? Merkel hat also Anlass nachzugeben. Anders als 1976 wird die CSU nicht scheuen, durchzuziehen. 1976 hatte Helmut Kohl beinahe 49% bei der Bundestagswahl eingefahren, Merkel liegt ohne Seehofer bei kümmerlichen 28-29%.

Seehofer kann seinen potentiellen Nachfolger Söder genauso wenig leiden wie die Kanzlerin. Also wird er es tun, im Bund 2017 selbständig agieren, ob mit eigener Truppe oder mit der CDU. Bei dem geringen Risiko, doch in Bayern 2018 keine absolute Mehrheit zu haben, müsste der verhasste Nachfolger dies ausbaden. Söder bekäme dann nur das, von dem Seehofer denkt, dass er dies verdiene. Seehofer kann nur gewinnen, spuckt er mindestens einem seiner Gegner in die Suppe und hätte dann auch noch sein Anliegen umgesetzt. Inzwischen ist die CDU das schwache Glied, das in Umfragen ohne den Partner nur noch blamabel dasteht.

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Leserpost

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Hermann Neuburg / 12.05.2016

Diese Art von Politgerede “Wer mit Wem, Warum Karriere, Rechnen etc.”  ist ein Grund, warum Deutschland so eine schlechte Demokratie geworden ist.

Martin Wolff / 12.05.2016

Ihre Arithmetik setzt aber auch voraus, dass es kein Dreierbündnis aus CDU, SPD und Grünen geben wird. Thematisch hat die Merkel das ja so angelegt.

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