Seit Tagen wird für eine Regierungskoalition getrommelt, die undenkbar sein müsste, wenn es den Altparteien um Inhalte und Positionen ginge. Aber es geht nur noch um Posten.
Nicht nur in der „Flüchtlings“-Frage liegen die zukünftigen Koalitionäre verbal konträr zueinander, auch in der Umwelt- und Energiepolitik wären ihre Positionen nicht vereinbar, wenn sie sich selbst ernst nehmen würden. Aber gehandelt wird längst nach dem Motto: „Was stört mich mein Geschwätz von gestern?“
Was hat Christian Lindner, der offenbar bereit ist, mit den Grünen „Regierungsverantwortung“ zu übernehmen, gestern noch gesagt? Da hielt er die „Energiewende“, konkret das EEG, für komplett gescheitert: "Von wegen Reform – das EEG muss weg." Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist aber nicht nur ein Lieblingskind der „Klimakanzlerin“, als die sich Merkel unter anderem profilieren wollte, sondern absolut unverhandelbar mit den Grünen. Die wollen auf dem Irrweg noch schneller voranschreiten, mit Verbot des Verbrennungsmotors und der staatlich geplanten Durchsetzung von E-Mobilität, ungeachtet der Umweltschädlichkeit und der wirtschaftlichen Nachteile dieser Vorhaben.
Lindner hat 2014 richtigerweise das Ende dieser staatlichen Planwirtschaft gefordert. Das Jahrhundertprojekt „Energiewende“ habe nicht zu den gewünschten Zielen geführt, sondern lediglich bewirkt, dass Deutschland neben Italien die höchsten Industriestrompreise der EU hat. Arbeitsplätze und Investitionen würden zunehmend ins Ausland verlagert. Konventionelle Kraftwerke könnten nicht mehr rentabel betrieben werden, Stromanbieter zögen sich vom Markt zurück. Kohle- und Gaskraftwerke müssten staatliche Zuschüsse erhalten. Statt auf Wirksamkeit, bezahlbare Preise und Versorgungssicherheit zu achten, orientiere sich Deutschland einseitig und geradezu religiös überhöht auf den Klimaschutz.
"Die Grünen sind zu einer Ausstiegspartei geworden"
Mit den Grünen, die sich in den letzten Jahren so radikalisiert haben, dass sogar Gewerkschaftsfunktionäre sie inzwischen als eine ernste Gefahr für den Industriestandort Deutschland ansehen, kann eine ernsthafte FDP keine gemeinsame Politik anstreben. Kürzlich brachte es der mächtige Chef der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Michael Vassiliadis, in einem Interview mit der "Rheinischen Post" auf den Punkt: „Die Grünen haben sich in der Opposition radikalisiert und sind zu einer Ausstiegspartei geworden - nach Atomkraft wurde die Braunkohle zum Feind Nummer eins erklärt und neuerdings auch noch der Verbrennungsmotor.“ Auf die Frage nach der Forderung der Grünen, die 20 „dreckigsten“ Kohlekraftwerke abzuschalten, um beim Diesel Zugeständnisse zu erreichen, antwortete der Gewerkschaftschef:
„Ich kann nur davor warnen, es zu solchen Deals kommen zu lassen. Ein derart profanes Geschachere wäre ein fatales Signal für die Jamaika-Konstellation. Würde man 20 Braunkohlekraftwerke auf einmal aus dem System nehmen, wären alle Gruben sofort unwirtschaftlich. Die wegfallenden Kapazitäten müsste man durch das Hochfahren deutlich teurerer Gaskraftwerke kompensieren. Für einige energieintensive Industrien wären diese höheren Kosten aber durchaus existenzbedrohend. Hinzu kommt, dass man größere Netzschwankungen in Kauf nehmen müsste.“
Bei den Jamaika-Verhandlungen wird eine andere Obergrenze als die für „Flüchtlinge“ eine Rolle spielen. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat eine Obergrenze für den Ausstoß von Treibhausgasen, den Kohlekraftwerke in Deutschland überhaupt noch produzieren dürfen, gefordert. Für Vassiliadis kein guter Plan, denn „er folgt dem bekannten Muster deutscher Klimapolitik: Haarklein vorgegebene Abschaltziele durchsetzen zu wollen. Wer weitere Kraftwerke vom Netz nehmen und Ausstoßobergrenzen festlegen will, der muss gleichzeitig Alternativen präsentieren, wenn das System nicht kollabieren soll. Und da höre ich seit Jahren herzlich wenig. Klar ist: Die Erneuerbaren werden uns noch über Jahrzehnte nicht allein versorgen können.“
Merkel hat keine Überzeugung, die sie über Bord werfen könnte
So viel Realitätssicht ist bei den Koalitionsverhandlungen nicht zu erwarten, schließlich sollen sich FDP und Grüne schon vor den eigentlichen Verhandlungen auf die zu besetzenden Ministerposten geeinigt haben. Allerdings wird es nicht mehr möglich sein, wie bei den Verhandlungen zur GroKo 2013, einfach alle Forderungen der Partner in die Vereinbarung zu schreiben. Man darf also gespannt sein, welche rhetorischen Verrenkungen gefunden werden, um die unüberbrückbaren Gegensätze zu vertuschen.
Es sei noch einmal daran erinnert, dass von 91 Prozent der Wähler die Grünen nicht gewählt worden sind. Also dürften sich ihre Forderungen nur sehr spärlich im Koalitionsvertrag wiederfinden.
Da Jamaika aber lediglich das Weiterregieren von Kanzlerin Merkel sichern soll, die selbst keinerlei Überzeugungen hat, die sie über Bord werfen könnte, wird es von der Union weitreichende Zugeständnisse an die Grünen geben. Das heißt, die zerstörerische Geisterfahrt „Energiewende“ wird fortgesetzt, in Treue fest bis zum Blackout.
Ähnliches ist von der aus dem allgemeinen Blickfeld geratenen „Eurorettung“ zu erwarten, deren Auswirkungen sich hinter dem Rücken der Öffentlichkeit zu einem Problemberg aufgetürmt haben, der nur mit einer energischen Umsteuerung bewältigt werden könnte. Von Lindner weiß man, dass er den Eurorettungs-Skeptikern in seiner Partei ablehnend gegenübersteht und nicht daran denkt, ihre Konzepte auch nur in Erwägung zu ziehen.
Nein, das „Zukunftsprojekt“ Jamaika wird nicht darauf angelegt sein, unsere Zukunft zu sichern, sondern die Merkelsche „Alternativlosigkeit“ bis zum bitteren Ende fortzusetzen.