Von Stefan Frank.
Die israelische Tageszeitung Haaretz ist ein merkwürdiges Blatt; die hebräische Papierausgabe wird nur von wenigen gelesen, doch die englischsprachige Haaretz, vor allem die Internetseite, hat eine große Fangemeinde. Man könnte das Blatt mit der englischsprachigen russischen Zeitung Moscow News vergleichen, die zwischen 1930 und 2014 erschien: Auch diese wandte sich an ein Publikum im Ausland. Doch während es die Mission von Moscow News war, Russland in ein gutes Licht zu setzen, verhält es sich bei Haaretz umgekehrt.
„Da Haaretz nicht in der Lage ist, irgendeinen nennenswerten Einfluss auf die Innenpolitik auszuüben, benutzt es seine englischsprachige Website, um zu äußerem Druck auf Israel zu ermuntern“, schrieb Simon Plosker 2014 in einem haaretzkritischen Artikel auf der Website Honest Reporting. Dabei mache sich Haaretz sein Image zunutze: Ausländer hielten es für das „israelische Äquivalent der New York Times“; just dieses Bild pflege die Zeitung, indem sie mit der New York Times eine Vereinbarung getroffen hat, deren internationale Ausgabe zu verlegen.
Doch ausgerechnet in der New York Times erschien diesen Freitag ein Meinungsbeitrag, der hart mit Haaretz ins Gericht geht: Dem Blatt gehe es vor allem darum, die Mehrheit der Israelis wütend zu machen, indem es im Ausland absurde Thesen über ihr Land verbreite. Nichts Neues, eigentlich. Doch dass dies in der New York Times – einem Blatt, das selbst den Ruf hat, antiisraelisch zu sein – zu lesen ist, ist äußerst ungewöhnlich. Die Kritik sollte Haaretz umso härter treffen, als sie von einem langjährigen früheren Topmitarbeiter der Zeitung kommt: Shmuel Rosner, heute Politikredakteur des Jewish Journal, hat mehr als ein Jahrzehnt für Haaretz gearbeitet: als Feuilletonredakteur, Chef der Nachrichtenabteilung und drei Jahre lang als Amerikakorrespondent. Hier geht es weiter.