Michael Miersch / 05.09.2012 / 21:21 / 0 / Seite ausdrucken

Ein Schwabinger Monolog (12. Teil)

Ich habe mal zusammengeschrieben, welche Weltanschauung seit Jahren auf Partys, in Kneipen und bei Zusammenkünften aller Art an meine Ohren schwappt. Die anderen Folgen des Schwabinger Monologs finden Sie, indem Sie in der Steuerungsleiste links auf meinen Namen klicken.

„…Man könnte auch sagen, dass Taliban eine Metapher für Ausgestoßene ist, wobei ich natürlich den Terror nicht verharmlosen will. Terror ist niemals zu tolerieren. Wir brauchen aber viel mehr solcher Brückenbauer wie Käßmann, viel mehr Dialog und weniger Zyniker. Das Gift des Westens ist das Misstrauen, es lähmt und schürt den Hass. Denker, die den Pfad des kapitalistischen Materialismus verlassen, werden angegriffen. Ein Beispiel: Rudolf Steiner war in vielen Dingen seiner Zeit weit voraus. Er sah als Erster die Bildungskatastrophe und den PISA-Schock kommen und präsentierte Alternativen. Sicherlich hat die Waldorfschule auch ihre Schwächen, aber dass die Kinder angstfrei lernen können, ist ein großer Segen. Noten machen blind gegenüber den individuellen Fähigkeiten der Schüler. Länger gemeinsam lernen kommt letztendlich allen Kindern zugute. Wir brauchen jedes Talent, wir dürfen keinen zurücklassen. Auch ein schwacher Schüler muss ein gutes Abitur machen können.

Was wurde Steiner kritisiert, bis heute. Stimmt schon, er leistete sich auch den einen oder andere skurrile Schrulle, Astralwesen und so. Naja und ein paar rassistische und antisemitische Ausrutscher gab es bei ihm auch. Ich bin der Letzte, der das entschuldigen würde. Aber das war halt die Zeit. Doch diese bedauerlichen Irrtümer von Steiner schmälern sein Lebenswerk nicht.

Er war ein Unternehmer im besten Sinne, der ganze Gewerbe erschaffen hat. Die anthroposophische Medizin, die biologisch-dynamische Landwirtschaft, Weleda, Demeter und natürlich die Waldorfpädagogik. Er sah viele Probleme voraus, die wir heute haben und suchte früh nach Lösungen. Jugendgewalt gibt es auf Waldorfschulen jedenfalls nicht. Von daher muss Steiner doch irgendwas richtig gemacht haben. Seine Reformpädagogik gefällt den Predigern des Konkurrenzkampfes und des knallharten Leistungsprinzips natürlich nicht. Doch tolerante Eltern legen heute viel mehr Wert auf Gefühle, auf Nähe und gleiche Augenhöhe zwischen den Generationen. Es ist ein später Triumph Steiners über die grauen Herren, die den Kleinsten ihre Kindheit stehlen wollen. 

Echte Toleranz ist in der Ellenbogengesellschaft leider selten geworden. Nehmen wir nur diese Hetze gegen Muslime. Das ist doch genauso wie damals mit den Juden. Auschwitz wurde erst möglich, weil schon viele Jahre vorher gegen die Juden gehetzt wurde. Wir fragen uns heute, wie es soweit kommen konnte und übersehen dabei, dass sich die Geschichte längst wiederholt. Nur sind es heute nicht mehr die Juden, sondern die Muslime. Die Parallelen sind beängstigend. Wer die Strukturen unserer ach so freien Gesellschaft durchschaut hat, erkennt die Muster. Wenn morgen die Moscheen brennen, wird es wieder keiner gewusst haben wollen.

Die Ähnlichkeit der Mohammed-Karikaturen mit den antisemitischen Karikaturen im „Stürmer“ ist doch mehr als offensichtlich. Man hätte diese Zeichnungen nicht zeigen dürfen. Karikaturen sind schließlich keine Kunst.

Muslime werden in Europa überall diskriminiert. Lehrerinnen dürfen in Deutschland ihr Kopftuch nicht tragen und in Frankreich ist die Burka verboten. Wer da nicht an frühere Jahrhunderte denkt, in denen man die Juden zur Taufe zwang, ist geschichtsblind oder naiv. Auf die Moslems wird heute der gleiche Druck ausgeübt, sich anzupassen. Statt weiter Öl ins Feuer zu gießen, sollten die Politiker zu mehr Gelassenheit mahnen.

Unentwegt bekommt man islamophobe Propaganda vorgesetzt. Man hat den Eindruck, die würden die Muslime am liebsten in Lager sperren. Wie solche Hetze wirkt, hat man ja in Norwegen gesehen. Überall stoßen die muslimischen Migranten auf Vorurteile und Ablehnung. Würdige Arbeitsplätze werden ihnen verweigert. Besonders schwer wird es denen gemacht, die Sprachprobleme haben. Dabei können doch viele Bayern und Sachsen auch nicht richtig Deutsch. Jetzt wollen die Hardliner auch noch Profiling an den Flughäfen. Das ist eine Form von Selektion. Und was auf Selektion folgt, wissen wir als Deutsche wohl am besten. Der Islam sei gewalttätig, sagen die Hetzer. Aber Islam bedeutet Frieden. Terrorismus gibt es in allen Kulturen. Und die schlimmsten Terroristen sitzen in Washington und Tel Aviv. Man sollte nicht vergessen, Mohammed Atta und die anderen, die angeblich die Anschläge vom 11. September ausgeführt haben, wurden im Westen sozialisiert. Terrorismus hat mit dem Islam nichts zu tun.

Parallelgesellschaft? Ich höre in dem Zusammenhang immer Parallelgesellschaft. Wer spricht denn von den anderen Parallelgesellschaften? Die kriminellen Banker, die skrupellosen Gentechnik-Konzerne, die Atommafia, die Pharmalobby, was ist denn mit denen? Aber den Gemüsehändler an der Ecke bildet angeblich eine Parallelgesellschaft, nur weil seine Frau ihre traditionelle Tracht trägt. Dabei sind die Muslime eine Bereicherung unserer Gesellschaft. Die Besiedlung durch Muslime im Mittelalter tut den Spaniern bis heute gut, besonders in kultureller Hinsicht.

Vielleicht stecken in manchen Schubladen schon Endlösungspläne. Den neuen Reichstagsbrand haben wir ja schon erlebt, am 11.September 2001. Damals wurde den Juden die Tat in die Schuhe geschoben, heute den Muslimen. Geschichte wiederholt sich. Wir müssen Widerstand leisten, ehe es zu spät ist. Wenn nicht, werden uns unsere Kinder irgendwann fragen, was wir getan haben, um den Holocaust an den Muslimen zu verhindern…“

Wird fortgesetzt

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