Henryk M. Broder / 18.08.2016 / 08:45 / 6 / Seite ausdrucken

Ein schneller Brüter namens Gabriel

Wenn ich nicht völlig daneben liege und die Berichte in den Nachrichtenprogrammen total missverstanden habe, finden regelmäßig Kabinettsitzungen statt, an denen alle Minister unter dem Vorsitz der Kanzlerin teilnehmen. Dabei sitzen Angela Merkel (CDU) und der Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) an einem großen Tisch, nicht nur nebeneinander, sondern einander herzlich zugetan.

Sie witzeln und lachen, wie zwei Teenager bei einem Date. Einmal im Jahr begibt sich die ganze Regierung zu einer zweitätigen Klausur auf Schloss Meseberg, dem Gäste-haus der Bundesregierung, 70 Kilometer nördlich von Berlin. Dort, in einer ländlich-idyllischen Umgebung, kommt man sich noch näher. Es wird zusammen gegessen und gegrillt, wie auf einem Betriebsfest.

Und das Bundespresseamt sorgt dafür, dass die gute Stimmung nach außen „kommuniziert“ wird. Zuletzt war das Ende Mai dieses Jahres so, also vor drei Monaten.

Bei all diesen formellen und informellen Treffen kommt der Vizekanzler offenbar nicht zu Wort. Will er etwas zu der Politik von Angela Merkel anmerken, muss er in die Öffentlichkeit gehen, damit es alle mitbekommen.

Erst vor ein paar Tagen gab Gabriel ein Interview, in dem er die Kanzlerin für ihren zum geflügelten Wort geronnenen Satz „Wir schaffen das!“ kritisierte. „Eigentlich muss der Satz lauten: ‚Wir machen das!’ Wir haben unendlich viel Zeit verloren. Einfach mal sagen ‚Wir schaffen das’ und dann die Sache einfach laufen lassen, ist ein großer Fehler gewesen.“

Elf Monate und zwei Wochen, nachdem die Kanzlerin bei ihrer Sommerpressekonferenz am 31. August 2015 gesagt hatte: „Wir schaffen das, und dort, wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden, muss daran gearbeitet werden“, stellte ihr Vertreter fest, dies sei ein „großer Fehler“ gewesen. Sie hätte „Wir machen das!“ sagen sollen, dann sähe heute alles anders aus.

Ja, der Vizekanzler ist nicht nur ein Schnellmerker, er ist auch ein brillanter Analytiker. Warum nur brauchte er elf Monaten und zwei Wochen, um die Kanzlerin auf ihren semantischen Fehler aufmerksam zu machen? Hätte er nicht früher intervenieren können, um Unheil vom deutschen Volk abzuwenden? Doch. Mögen hätt’ er schon wollen, aber dürfen hat er sich nicht getraut.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

C. Koch / 19.08.2016

So kurz vor den Landtagswahlen in MeckPom muss man wenigstens so tun, als gäbe es Unterschiede zwischen CDU und SPD. Auch wenn man in der GroKo und der bisherigen Regierungszeit nichts davon merkt. Eine Suppe. Was anderes war das nicht.

Tomas Reiffer / 19.08.2016

Hätten sie bei der Afd Biss, dann würden sie die Gabrielszene vergrößern und das Land damit plakatieren: “Sozialdemokratie heute”. Wäre nicht mal falsch.

Michael Murmurachi / 19.08.2016

@Karla Kuhn Ihre Sorgen, dass Sigi Pop einmal Kanzler werden könnte. sind völlig unbegründet: Schröder hatte ihn und seine Qualifikationen schon richtig eingeschätzt und ihn zum Pop-Beauftragten gemacht. Bislang haben ihn auch die Wähler richtig eingeschätzt: Gabriel hat noch nie eine Wahl gewonnen; warum sollte das jetzt anders sein? Er selbst scheint das auch so zu sehen. Mit Näherkommen des Wahltermins ist er eifrigst bemüht die Mär von den anderen Kandidaten der SPD zu befütttern. Und weil das noch keinen Erfolg garantiert, nutzt er jedes Fettnäpfchen um vielleicht doch noch zu vermeiden der letzte SPD Kandidat zu sein

Martin Wessner / 19.08.2016

Aha. Also anstatt “Yes, we can” lieber “Yes, we do”???

JF Lupus / 18.08.2016

Kennen Sie den IQ von Knäckebrot? Der IQ des deutschen Vizekanzlers ist nur um einen Punkt niedriger. Seine gefährliche Skrupellosigkeit hingegen wird nur noch von seiner ignoranten Arroganz übertroffen.

Karla Kuhn / 18.08.2016

Hallo Herr Broder, wie meistens, ist auch dieser Artikel wieder köstlich. Der Brüter paßt genau wie Valentins Spruch zu Gabriel. Den Stinkefinger zeigen oder Pack rufen beherrscht er einwandfrei aber mal lautstark Frau Merkel die Meinung ins Gesicht sagen, dazu fehlt ihm der Mumm. Dieser Mann will Kanzler werden? Gott möge das verhüten. Er verliert ja schon die Contenace, wenn er mal ausgebuht wird. Ein Politker muß sich so etwas gefallen lassen. Vor allem wenn er, wie Gabriel Politik am Volk vorbei macht. Wer nicht hört muß fühlen, je eher, je besser.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Henryk M. Broder / 03.04.2024 / 12:00 / 120

Kein Freibrief von Haldenwang

Von „Verfassungshütern“ wie Thomas Haldenwang geht die größte Gefahr für Meinungsfreiheit und Demokratie in unserem Land aus. Wenn die Bundesrepublik eine intakte Demokratie wäre, dann…/ mehr

Henryk M. Broder / 12.03.2024 / 14:00 / 62

Christian Wulff: Liechtenstein? Nein, danke!

Unser beliebter Ex-Präsident Christian Wulff hat Angst, Deutschland könnte auf das Niveau von Liechtenstein sinken. Das kleine Fürstentum hat auf vielen Gebieten längst die Nase…/ mehr

Henryk M. Broder / 07.03.2024 / 16:00 / 19

Aserbaidschanische Kampagne verhindert Armenien-Debatte

Eine in Berlin geplante Buchpräsentation und Diskussion über bedrohtes armenisches Kulturgut konnte aus Sicherheitsgründen nur online stattfinden. Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP)…/ mehr

Henryk M. Broder / 04.03.2024 / 14:00 / 23

Michael Blume: Vom Zupfgeigenhansl zum Ersten Geiger?

In der Dienstzeit des Antisemitismus-Beauftragten Michael Blume hat die Zahl antisemitischer Straftaten in Baden-Württemberg erfolgreich zugenommen. Aber der Mann hat andere Sorgen. Ende Dezember letzten…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 12:15 / 35

Eilmeldung! Herr Schulz ist aufgewacht!

Im Büro der Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann war nach einem Bericht von Achgut.com die Luft heute morgen offenbar besonders bleihaltig. Richtet man…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 06:00 / 125

Frau Strack-Zimmermann hat Cojones, ist aber not amused

Es spricht für Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ), dass sie mein Schaffen verfolgt. Deshalb hat sie noch eine Rechnung mit der Achse offen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ) hat…/ mehr

Henryk M. Broder / 22.02.2024 / 10:00 / 80

No News aus Wolfsburg in der Tagesschau

In Wolfsburg stellt sich der VW-Chef auf die Bühne, um Weltoffenheit zu demonstrieren. Die Belegschaft hat derweil andere Sorgen. Die Tagesschau meldet, auch an diesem Wochenende hätten tausende…/ mehr

Henryk M. Broder / 18.02.2024 / 11:00 / 57

Eine Humorkanone namens Strack-Zimmermann

Ja, wenn einem deutschen Politiker oder einer deutschen Politikerin nichts einfällt, irgendwas mit Juden fällt ihm/ihr immer ein. Dass immer mehr Frauen in hohe politische…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com