Gastautor / 27.06.2012 / 23:25 / 0 / Seite ausdrucken

Ein Loblied auf den Patriotismus

Eran Yardeni

Wer noch der Meinung ist, dass der Antipatriotismus-Aufkleber nicht mehr als eine kleine lokale Entgleisung hormonell bedingter Pubertierende war, der soll die Webseite der Grünen-Jugend besuchen. Unter dem Titel „Alle Jahre wieder: Patriotismus? Nein Danke!“ veröffentlichte sie am 14. Juni 2012 ihre Stellungnahme zur heutigen Patriotismus-Debatte. Schon in den ersten Zeilen wird man in die widersprüchliche Denkweise der politischen Linken eingeweiht: „Ja, wir sind keine PatriotInnen. Uns sind andere Dinge einfach wichtiger als Deutschland: Individuelle Freiheiten, soziale Rechte oder die Frage, ob auch die nachfolgenden Generationen noch auf diesem Planeten leben können“. Weil die Grünen-Jugend nicht ganz klar sagt, was sie unter PartiotInnen versteht, müssen wir diese Definition selbst aus den obenerwähnten Zeilen ableiten: Nach der Grünen-Jugend, ist Jemand ein Patriot, für den Deutschland entweder wichtiger oder genauso wichtig ist wie Individuelle Freiheiten, soziale Rechte und Umweltschutz. Hier endet die Definition und beginnen die Probleme.

Die Art und Weise, wie die Grünen-Jugend den Patriotismus versteht und dementsprechend auch indirekt definiert, bildet eine totale Abweichung von der weitverbreiteten und allgemein akzeptierten Definition des Begriffs. Hier sind drei Beispiele: Nach der Bundeszentralle für politische Bildung bezeichnet Patriotismus „eine besondere Wertschätzung der Traditionen, der kulturellen und historischen Werte und Leistungen des eigenen Volkes. In einem negativen Sinne kann Patriotismus zu nationaler Arroganz, Chauvinismus und übersteigertem Nationalismus führen. Im positiven, zeitgemäßen Sinne kann Patriotismus als Bekenntnis zu den demokratischen Grundlagen der Gesellschaft und zur Verteidigung der Grund- und Menschenrechte verstanden werden“.

Ziemlich ähnlich versteht auch das „Politik-Lexikon für junge Leute“ den Begriff. „Patriotismus bedeutet Stolz auf das Heimatland. Dieser Stolz kann unterschiedliche Gründe haben: Manche sind stolz auf die Schönheiten der Landschaft, andere auf künstlerische oder sportliche Leistungen von Landsleuten, wieder andere auf das Essen oder ein funktionierendes Gesundheitswesen. Wenn der Patriotismus übersteigert wird und dazu führt, dass die Leistungen anderer Menschen nicht anerkannt werden oder andere Nationen als minderwertig betrachtet werden, spricht man von Nationalismus oder Chauvinismus“. Nach Wikipedia bezeichnet Patriotismus „eine emotionale Verbundenheit mit der eigenen Nation“ und „wird heute allgemein von Nationalismus und Chauvinismus unterschieden, insofern Patrioten sich mit dem eigenen Land und Volk identifizieren, ohne dieses über andere zu stellen und andere Völker implizit abzuwerten“. 
 
Was diese drei allgemein akzeptiere Definitionen in Gemeinsam haben ist folgendes: Alle drei verstehen Patriotismus als einen positiven Bezug zur eigenen Heimat oder Nation. Alle drei erkennen sowohl die potentielle positive als auch die potenzielle negative Wirkungen des Patriotismus. Alle drei sehen die Verachtung von Anderen im Namen der Heimatliebe als die Grenzüberschreitung von Patriotismus zum Nationalismus oder zum Chauvinismus. Aus keiner von ihnen ist es abzuleiten, dass die Liebe zum eigenen Land unbedingt eine blinde Liebe sei oder dass Patriotismus eine vorübergehende Phase bildet, die unbedingt in Nationalismus oder Chauvinismus mündet. 
 
Das Begriffsverständnis der Grünen-Jugend ist mit diesen allgemein akzeptierten Definitionen nicht in Einklang zu bringen. Sie haben einfach einen neuen Begriff erfunden, der auf einer dilettantischen Verwechslung von Patriotismus und Nationalismus basiert. Verloren in der Welt der politischen Terminologie haben sie den Patriotismus auf seine potenziellen negativen Wirkungen reduziert, diese Potenzialität mit Aktualität verwechselt,  jetzt wollen sie diesen gentechnisch manipulierten Begriff in ihrem linguistischen Bioladen verkaufen.

Die Grünen-Jugend, wie andere Fraktionen und Abspaltungen der politischen Linke ist einfach albern. Zum Ausdruck kommt diese politische Albernheit in der Frage: „Wen liebst du mehr? Deine Heimat oder die Freiheit?“ Antworten wie: „Ich liebe meine Heimat, weil sie meine Freiheit gewährleistet“ oder „Ich bin ein Patriot, weil meine Nation die Werte der Aufklärung verkörpert“ ist für die junge Generation der Ökopartei ein Oxymoron, genauso widersprüchlich wie „bitterer Zucker“ oder „warmes Eis“.

Was sie hier versäumen, kann vielleicht das folgende Beispiel veranschaulichen: Auf die Frage „Warum liebst du deine Frau“ würde die Antwort „Weil sie meine Frau ist“ ziemlich komisch vorkommen. Plausibler wäre es zu sagen: „ich liebe meine Frau weil sie diese und jene Eigenschaften hat“. Das gilt auch für den Patriotismus. Patrioten lieben ihre Heimat nicht einfach weil sie ihre Heimat ist, sondern weil sie in ihrer Heimat Qualitäten und Eigenschaften erblicken, die sie zu schätzen wissen, unter anderem auch Qualitäten wie soziale Gerechtigkeit und individuelle Freiheit. Deshalb ist diese Liebe alles anders als blind. Natürlich kann auch das Gegenteil passieren: Man kann seine Heimat auch lieben, weil man sie als die erhabenste Verkörperung rassistischer Ideale sieht – man kann, muss aber nicht. In einem solchen Fall aber rutscht man aus dem Feld des Patriotismus.
 
Für viele Patrioten bildet Deutschland kein lebloses Objekt sondern einen dynamischen Begriff, der sich in einem permanenten Veränderungsprozess befindet. Aus ihrer Perspektive hat die alberne Frage, was für sie wichtiger wäre – Deutschland oder individuelle Freiheiten - überhaupt keinen Sinn. Beide sind wichtig und haben eine dialektische Beziehung zueinander und miteinander.

Wie oberflächlich die Grünen-Jugend mit dieser intellektuellen und politischen Herausforderung geht, zeigt auch das folgende Beispiel: Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung müssten viele „Staatsfeinde“ Deutschland verlassen und zwar trotz der Tatsache, dass sie sich als Patrioten gesehen haben. Im Exil lebend sehnten sie sich nach ihrer verlorenen Heimat und zwar nicht nach der realen Heimat, die von den Nazis geschändet wurde, sondern nach der Heimat, wie sie war oder sein sollte. Mit anderen Worten: Auf den verschwommenen Begriff „Deutschland“ kann Jeder seine Wünsche, Ideale und Visionen projetzieren. Die Grünen auch. Wer Deutschland als freies Land versteht, das soziale Gerechtigkeit gewährleisten und den Umweltschutz fördern soll, der muss sich nicht als Patriot sehen, kann es aber doch.

Willy Brandt ist ein gutes Beispiel für eine solche Art von deutschem Patriotismus, auch wenn zu seiner Zeit die Mülltrennung nicht so populär war.  Die Geschwister Scholl, ein Metasymbol für den Kampf um die menschliche Freiheit, waren auch Patrioten – sie bezahlten mit ihrem Leben um ihre geliebte und verlorene Heimat wieder zu gewinnen. Wer das patriotische Motiv ihres Handelns bezweifelt, soll das am 21.02.2003 in der „Jungen Freiheit“ erschiene Interview mit Hans Hirzel lesen. Hirzel war ein Mitglied der „Weiße Rose“; Das Interview fand anlässlich des 60. Jahrestags der Hinrichtung von den Geschwistern Scholl statt und wurde mit dem folgenden Zitat betitelt: “Unser Widerstand war ausgesprochen patriotisch”:

Moritz Schwarz: „Sie schildern die “Weiße Rose” als patriotischen Widerstand - eine Deutung, die in den deutschen Medien unüblich ist.“

Hirzel: „Unser Widerstand war ausgesprochen patriotisch: Über meine Motive habe ich schon gesprochen, denken Sie aber auch an Willi Grafs vorletzten Brief, in dem er von seiner “Liebe zu Deutschland” sprach. Oder denken Sie an Professor Huber, der seinen letzten Schluck Wein vor der Hinrichtung ausdrücklich auf das “Wohl seines geliebten Vaterlandes” trank und seiner Frau schrieb, “freue Dich, dass ich für unser Vaterland sterben darf”. Sophie sprach vor Gericht davon, dass sie das Beste “für ihr Volk” getan habe. Nur bei Hans ist mir kein solcher Bezug bekannt. Richard Hanser veröffentlichte in den USA ein Buch über die “Weiße Rose”, mit dem Titel “Deutschland zuliebe” - er konnte das schreiben, weil er Amerikaner war, von deutscher Seite gibt es dagegen kein solches Buch.“

Die Geschwister Scholl sowie Willi Graf kämpften gegen Unterdrückung und für die Freiheit und sahen sich selbst doch als Patrioten. Auch wenn ihr Kampf nicht so heroisch war, wie der heutige Kreuzzug der Geschwister Roth-Künast für Frauenquote und gegen den Klimawandel, zeigt es uns doch, dass Patriotismus und humanistische Werte miteinander in Harmonie leben können. 

Will man verstehen, warum die junge Generation des grünen Ordens in eine solche peinliche logische Falle geriet, soll man ihre Stellungnahme einfach weiterlesen: „Der Party-Patriotismus rund um den Fußball lässt sich davon nicht trennen. Er lässt sich auch nicht trennen von der alten Zwangsgemeinschaft Nation. Die Trennung zwischen guten PatriotInnen und schmuddeligen NationalistInnen gibt es nicht; der positive Bezug zum eigenen „Vaterland“ bedeutet immer auch die Abwertung von Anderen, weil sie zum Beispiel AusländerInnen sind oder homosexuell.“

Vor dem Hintergrund der obenerwähnten Geschichte der „Weiße Rose“ klingt diese Aussage der Grünen-Jugend ziemlich skurril. Die Behauptung, dass jeder positive Bezug zum eigenen Vaterland unbedingt auch eine Verachtung von Anderen mit sich bringt, ist einfach falsch. Schlimmer noch ist aber die grobe Verallgemeinerung, die alle Menschen mit positivem Bezug zum eigenen Vaterland als potentielle Ausländer– und Homosexuellenhasser brandmarkt. Das ist eigentlich ein gutes Beispiel für Abwertung von Andersdenkenden, in diesem Fall – von Patrioten, vor der uns die Grünen immer wieder warnen wollen.

Mit dem Patriotismus geht die politische Linke genauso um wie ein Magersüchtiger mit Keksen. Kaum landen die ersten Krümel auf seiner Zunge, galoppieren schon, wie Wildtiere in der freien Natur, die Wahnvorstellungen in seinem Kopf. Die Reaktion der Grünen-Jugend auf die Kritik, die ihr Antipatriotismus Aufkleber erntete, entlarvt die konzeptuellen Denkfehler, die die Ökopartei verleiten, in jeder Schwarz-Rot-Gold bemalten Versammlung eine verschwörerische Vorbereitung des nächsten Reichsparteitags zu erblicken. 

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