Ein Fischerörtchen nahe Amsterdam bekommt Besuch vom ZDF

Je näher die Wahlen in Holland (am 15.März) heranrücken, umso besorgter berichten deutsche Medien über die Lage in dem Land, aus dem der Edamer, der Gouda und der Oude Genever kommen. Was soll aus dem liebenswerten, putzigen Königreich der Oranjer und aus Europa werden, wenn die Rechtspopulisten um Geert Wilders die Macht in den Den Haag übernehmen? Wieder einmal liegt es an uns, einem unserer Nachbarn klarzumachen, welche Folgen eine falsche Entscheidung haben könnte. 

Prototypisch sind zwei Berichte, die in den letzten Tagen im Fernsehen zu sehen waren, einer im ZDF und einer bei ntv. Das Wichtigste bei solchen Berichten ist die Wahl des Ortes. Es muss eine typische holländische Gemeinde sein, nicht zu groß und nicht zu klein. Mit Grachten, gesäumt von Giebelhäusern, bewohnt von Menschen, die beim Sprechen kehlige Laute von sich geben. Die in Brüssel stationierte ZDF-Frau hat sich den Ort Volendam ausgesucht, "ein kleines Fischerörtchen nahe Amsterdam". Genau genommen, liegt Volendam nahe Edam (3 km), während es nach Amsterdam immerhin 22 km sind. Aber ganz falsch ist die Behauptung, Volendam läge unweit von Amsterdam nicht, denn alle Orte in Holland liegen nahe Amsterdam. Was Volendam von den anderen Orten unterscheidet: Es gibt hier "keine Moschee und keine Flüchtlinge". Dennoch "stimmte bei der letzten Wahl fast jeder Zweite für den Rechtspopulisten Geert Wilders". 

Diese Art von Logik resultiert aus der Überzegung, Fremdenfeindichkeit habe etwas mit der Zahl der Fremden zu tun und Antisemitismus mit dem Anteil der Juden an der Bevölkerung. Was will uns die ZDF-Korrespondentin in diesem Fall sagen? Wenn es in Volendam Moscheen und Muslime geben würde, könnte man verstehen, dass bei der letzten Wahl jeder Zweite für Wilders gestimmt hat. Aber so?  Volendam liegt am Ende der Welt, die Volendamer lesen keine Zeitungen und sehen nicht fern. Dennoch hat jeder Zweite Wilders gewählt. Wie seltsam. Vermutlich nur damit zu erklären, dass Volendam "ein kleines Fischerörtchen" ist. Und das ZDF ein großes Dorf hinter dem Lerchenberg.

Der ntv-Reporter hat derweil Nieuwegein besucht, eine "Durchschnittsstadt" nahe Utrecht, die repräsentativ für Holland ist. In Nieuwegein haben "die Menschen vor fünf Jahren fast genauso gewählt wie das ganze Land". Nun will er herausfinden, "welche Sorgen die Holländer umtreiben und wo sie bei den Wahlen in wenigen Tagen ihr Kreuz machen wollen". Die Reportage ist ein investigatives Meisterwerk, das mit einer überraschenden Erkenntnis endet: "Viele Menschen in Nieuwegein haben Existenzsorgen oder eine diffuse Angst vor Fremden, aber längst nicht alle. Das Volk ist gespalten, zumindest hier, in einer der wohl durchschnittlichsten Städte des Landes". Was für ein schönes Schlusswort in einer der wohl dümmsten Reportagen aus der Kategorie "Menschen wie Du und wir".

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R.Richter / 13.03.2017

Lieber Herr Broder, es ist immer wieder ein Vergnügen, sie zu lesen. Meine Frau guckt hin und wieder die Tageschau, “um sich zu informieren”. Ich sage dann, was guckst du die Lügen-Judith? Es ist wie der Schwarze Kanal in bunt.

Andreas Rochow / 12.03.2017

Vor Reprter Ort, wie man so schöno sagt, und kein Ansatz einer Analyse. Die beiden Reportagen drücken artige journalistische Sorge aus über soviel niederländische Unvernunft.

Torsten P.Neumann / 12.03.2017

Die Holländer die ich (beruflich) kenne, sind keinesweg anti-islamisch.  Trotzdem wählen sie Wilders.  Zu meiner Überraschung scheint in NL nicht der Islam das Problem zu sein, sondern es sind konkret die Marokkaner.  Allerdings ist der PC-Neusprech auch in NL so weit gediehen, daß man das so nicht sagen darf, weswegen Wilders auch schon paar Mal vor Gericht stand.  Die Islamkritik dient nur der Umschreibung des Marokkaner-Problems und wird intuitiv vom Publikum/Wähler verstanden.

Udo Kemmerling / 12.03.2017

Danke, Herr Broder, war mir wie immer ein Vergnügen!!!

Michael J. Glück / 12.03.2017

Deutschsein ist heutzutage wirklich ein hartes Brot. Da muss man Briten zeigen, wo der Bartel den EU-Most holt, Niederländern zur rechten, Verzeihung: zur richtigen, Wahl ermuntern und dann auch noch schlecht gemachte TV-Sendungen verfolgen. Gegen diesen Frust hilft wirklich nur noch Achgut lesen.  Dafür lasse ich Fernsehen regelmäßig ausfallen.

Bärbel Schneider / 12.03.2017

Die ZDF-Reporterin sagt uns damit, dass Niederländer, in deren Ort eine Moschee steht und Muslime wohnen, Erfahrungen machen, die die Wahl von Wilders verständlich machen würden. Nach der allgemein propagierten Theorie könnte oder müßte es umgekehrt sein. Offenbar ist sie eine “Rassistin”.

Robert Orosz / 12.03.2017

Wurde auch Zeit, dass endlich eine deutsche Akkreditierungsstelle für soziologische Befindlichkeitsforschung bei unseren Nachbarn vorbeischaut und Ihnen das passende Zertifikat ausstellt: “Alles Landpomeranzen ohne Sinn für Zukunftschancen “. Der nächste bitte.        

Karla Kuhn / 12.03.2017

“Was für ein schönes Schlusswort in einer der wohl dümmsten Reportagen aus der Kategorie „Menschen wie Du und wir“. Wunderbar beschrieben. Dieses selbstgerechte Gutmenschentum ist kaum noch zu ertragen. Übrigens, Volendam wird von Touristen im Sommer gerne besucht.  Ich habe ein Gruppenfoto gehabt, wo wir (Australier, Amerikaner, Japaner, viele andere und ich) in Tracht fotografiert wurden sind. Das war eine ganz lustige Aktion. Ich war viel in Holland, überall wurde ich freundlichst aufgenommen.  Schon Mitte 1980 hat der Multikultihype nachgelassen.  Die Surinamer konnten damals ungehindert mit einem holländischen Paß einreisen und bleiben, ob das heute noch so ist, weiß ich nicht.

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