Rainer Grell / 06.07.2017 / 06:15 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 16 / Seite ausdrucken

Ein Herz für Schupo, Kripo, Wapo und Bepo

Wenn ich spätabends vor dem Schlafengehen auf die Toilette gehe, höre ich durch das offene Fenster häufig aus der Ferne das Tatütata eines Streifenwagens. Und wenn ich nachts mal aufwache, höre ich es auch. Am nächsten Morgen, wenn ich ausgeschlafen und gut gelaunt aus dem Fenster schaue, ebenfalls. Und tagsüber natürlich sowieso. Die Polizei ist Tag und Nacht im Einsatz. Manchmal geht auch ein Polizistenpärchen durch unsere Straße, klingelt an jedem Haus und gibt den Leuten Tipps, wie sie sich am besten vor Einbrechern schützen. Den größten Teil der polizeilichen Arbeit bekommt man als normaler Bürger nur selten mit. Und um es gleich klar zu stellen: Wenn ich Polizisten sage, meine ich Männer und Frauen bei der Polizei.

Seit ich als 23jähriger Student eine Woche bei der Freiburger Kripo hospitiert habe (im Rahmen der heute für Jurastudenten vorgeschriebenen dreimonatigen „praktischen Studienzeit“ , bei der die Polizei aber meines Wissens leider nicht mehr mitmacht) habe ich ein Herz für Kripo, Schupo, Wapo und Bepo. Bis zu unserem Umzug von Freiburg nach Stuttgart 1969 hatte ich fünf Jahre lang in der Schießabteilung des Polizeisportvereins Kontakt mit Polizisten. Bei meinem Weggang sagte einer zu mir: „Wenn Sie je mal im Innenministerium in Stuttgart landen, denken Sie an uns.“

Er hatte dabei die damals erbarmungswürdige Ausstattung der Polizei im Auge. Bei der Nachtstreife, auf der ich zwei Kripobeamte begleitete, hielt der Beifahrer während der Fahrt ständig die Tür des hochbetagten VW-Käfers fest, weil sie andernfalls aufzugehen drohte. Und nach einem Banküberfall, bei dem die Täter mit einem Porsche entkamen, aber ein Walkie-Talkie zurückließen, kam dieses – vorschriftswidrig – nicht in die Asservatenkammer, sondern wurde im Einsatz benutzt. Als ich dann Ende 1982 tatsächlich in der Polizeiabteilung des Innenministeriums (dem Landespolizeipräsidium) landete, hatte sich, vor allem unter Innenminister Lothar Späth, die Situation bereits grundlegend verbessert. In den gut fünfeinhalb Jahren meiner Tätigkeit als Referatsleiter und Stellvertreter des Landeskriminaldirektors lernte ich die Polizei von innen kennen und (noch mehr) schätzen. Diese Hochachtung habe ich bis heute bewahrt. Ähnlich geht es mir mit Altenpflegerinnen und Altenpflegern – aber das steht auf einem anderen Blatt.

Innere Sicherheit – ein politisches Schlagwort, das nach jedem spektakulären Verbrechen, nach jedem Terroranschlag, vor allem aber vor einer Wahl die Schlagzeilen dominiert. Innere Sicherheit, das sind die 220.813 Polizisten in den 16 Bundesländern  und die 33.267 Bundespolizisten , macht zusammen 253.580. Das ist beinahe der Stand von 1999: 252.230. Jetzt, kurz vor der Bundestagswahl, sollen es wieder mehr werden: rund 15.000, wenn es nach der Union geht.

Doch was sagen solche Zahlen über die Befindlichkeit des einzelnen Beamten im täglichen Dienst? Auch wenn uns die zahllosen Krimis manchmal ein anderes Bild vermitteln: Polizisten sind Menschen wie Sie und ich, die Tag und Nacht für unsere innere Sicherheit sorgen und dabei ihr Leben und ihre Gesundheit riskieren (die Soldaten tun das gleiche für unsere äußere Sicherheit). „Die erste Leiche vergisst man nicht“ – egal ob es sich um einen Suizid, einen Mord oder einen Verkehrsunfall handelt. Unter diesem Titel erzählen Polizisten (vier Frauen sind auch darunter) über ihren Berufsalltag (Piper 2005, herausgegeben von Kriminalhauptkommissar Volker Uhl). Nach einem unnatürlichen Todesfall in seinen verschiedenen Erscheinungsformen kommt stets noch die schreckliche Aufgabe, die Angehörigen zu unterrichten.

„Die Polizei, dein Feind und Helfer“

Aber es sind nicht nur die Gefahren und die grauenvollen Anblicke, die unsere „Ordnungshüter“ auf sich nehmen. Es ist auch die zunehmende Feindseligkeit, die ihnen nicht selten in Alltagssituationen begegnet. Wobei „Bulle“ mittlerweile von der Beleidigung  beinahe zum Ehrentitel avanciert ist („Scheißbulle“ und „Bullenschwein“ fallen natürlich nicht darunter): Der Bund Deutscher Kriminalbeamter vergibt jährlich den BDK-Verdienstorden „Bul le mérite“. Erster Preisträger war übrigens 1975 der „Fernsehfahnder“ Eduard Zimmermann (Aktenzeichen XY...ungelöst). Zwar sind die ganz großen Einsätze wie „Wackersdorf“ (Wiederaufbereitungsanlage), „Startbahn West“ (Ffm.) oder „Gorleben“ (Atommülllager) vorbei, bei denen Polizisten auf übelste Weise beschimpft, bespuckt, bedroht und auch angegriffen wurden.

Dafür spielt sich Vergleichbares jetzt zunehmend im Alltag ob, wo sich eine Streife schon mal von ein paar Dutzend feindseligen „Bürgern“ umringt sieht, von so genannten No-go-Areas ganz abgesehen (es ist sicher kein Zufall, dass dieser Begriff aus dem militärischen Sprachgebrauch entlehnt wurde). Zeit-Online fragt verständnisvoll: „Doch wenn es in der Bevölkerung tatsächlich wachsenden Widerstand gegen die Polizei gibt, stellt sich die Frage: Was löst ihn aus?“  Die Antwort ergibt sich aus der Überschrift: „Die Polizei, dein Feind und Helfer“.

Wenn man zu alledem noch die mäßige Bezahlung, den Überstundenberg und die nicht selten erbärmlichen Räumlichkeiten nimmt, in denen Polizisten arbeiten müssen, dann wundert es mich immer wieder, dass sich noch Männer und Frauen finden, die sich für diesen Beruf entscheiden. Da tut es trotz satirischer Übertreibung gut, wenn man Polizistensohn Jan Böhmermann rappen hört und sieht: „Ich hab Polizei“.

Ein Dank an alle Polizisten!

Foto: Bildarchiv Pieterman

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Hjalmar Kreutzer / 06.07.2017

Der Angriff auf Polizisten, aber auch Feuerwehr, Rettungsdienst, Notärzte bei der Ausübung ihres Dienstes für uns alle, muss ein besonderer Straftatbestand werden.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Rainer Grell / 17.01.2021 / 15:00 / 41

Wann hatten die Deutschen Gelegenheit, Demokratie zu lernen?

Wann hatten wir in Deutschland eigentlich Gelegenheit, Demokratie zu lernen? Nach dem Antritt des neuen Jahrhunderts, ein Jahrzehnt nach der Französischen Revolution, riet Friedrich Schiller…/ mehr

Rainer Grell / 19.11.2020 / 11:00 / 10

Vorbild Kamel

Schon Dädalus, eine Figur der griechischen Mythologie, hatte die Idee: Für sich und seinen Sohn Ikarus konstruierte er einen Flugapparat nach dem Vorbild der Vögel…/ mehr

Rainer Grell / 26.09.2020 / 06:15 / 97

Demokratie auf Tauchstation?

Die Corona-Pandemie war die Stunde der Exekutive. Niemand hat das deutlicher zum Ausdruck gebracht als die Stuttgarter CDU-Abgeordnete Karin Maag, als sie in der Bundestags-Debatte am…/ mehr

Rainer Grell / 06.09.2020 / 16:30 / 7

Homeoffice – da war doch was…

Vor 25 Jahren schrieb ich einen Artikel über „Telearbeitsplätze in der Landesverwaltung Baden-Württemberg: Bilanz eines gescheiterten Projekts“. Falls Sie mir nicht glauben: Hier ist der Beweis.…/ mehr

Rainer Grell / 04.09.2020 / 06:00 / 67

Israelfreundin Angela Merkel?

Angela Merkel hat als Bundeskanzlerin so ziemlich alle Ehrungen erfahren, die jüdische Organisationen und der Staat Israel zu vergeben haben: Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden…/ mehr

Rainer Grell / 29.07.2020 / 16:00 / 18

Pädophilie-Skandale: Greift die ganze Härte des Gesetzes?

Vor zehn Jahren nahm mit der Aufdeckung des Missbrauchsskandals am Canisius-Kolleg, einem vom Jesuitenorden getragenen, privaten und staatlich anerkannten katholischen Gymnasium in Berlin-Tiergarten, eine Debatte ihren Fortgang,…/ mehr

Rainer Grell / 27.07.2020 / 16:00 / 17

Schleyer und der Sultan

Jetzt, wo alle am Umbenennen sind, darf ich nicht abseits stehen. Ich möchte mir nicht von meinen Kindern und Enkeln posthum vorwerfen lassen, wo war…/ mehr

Rainer Grell / 01.07.2020 / 15:00 / 3

Rostock, der Tod und die D-Mark

Die letzte Juni-Woche ruft jedes Jahr die Erinnerung an ein Erlebnis in mir wach, das in diesem Jahr 30 Jahre zurückliegt. Am Montag, den 25.…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com