Mögen Ihre Wünsche in Erfüllung gehen, Herr Somm! Das unangenehme Gefühl, Zeitzeuge der Restauration eines Feudalismus zu sein, teile ich durchaus. Insbesondere der paternalistische, präsidiale Stil einer Dame, deren Vorbild Zarin Katharina I. von Russland ist, füttert meinen Argwohn. Ungeeignet zur Beruhigung sind Bemerkungen wie “Die Eliten sind gar nicht das Problem, die Bevölkerungen sind im Moment das Problem.” von Bundespräsident Gauck oder auch Roman Herzog im Focus: “Wir sollten das Volk mitreden lassen, aber nicht unbedingt mitentscheiden” Wie soll Marie Antonette formuliert haben „Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie Brioche [Gebäck] essen.“
Ich habe den Beitrag gelesen in der ehrlichen Hoffnung, dass er Argumente dafür liefert, dass tatsächlich Großbritannien der Gewinner und das Brüsseler Establishment der Verlierer des Brexits wären. Leider hat der Artikel außer ein paar wilden Behauptungen und blumigen Bildern nicht viel zu bieten. Der einzig konkret benannte Pluspunkt des Referendums - „Mehr als dreissig Millionen Bürgerinnen und Bürger haben in Ruhe und mit Gewissenhaftigkeit die Zukunft ihres Landes in die eigenen Hände genommen und abgestimmt“ - wäre vielleicht ein würdiges Lob für den Südsudan, nicht aber für eine der ältesten Demokratien der Welt. Tatsache ist: Großbritannien steht vor der schwersten Staatskrisen seiner Geschichte. In Brüssel steht Schottlands Regierungschefin Sturgeon schon Gewehr bei Fuß, um den warmen Sitz Großbritanniens einzunehmen. In London haben sich Szenen zugetragen, die angesichts der jahrhundertelangen parlamentarischen Tradition nur als traurig zu bezeichnen waren. (Brüssel hat hier einen simplen Vorteil: Es hat diese hohe Messlatte nicht) In Belfast brechen die alten Begehrlichkeiten der Sinn Fein, die bisher politisch gut eingebunden war, wieder auf. Ich weiß auch nicht, wie der Autor darauf kommt, eine „Generation Obama/Merkel/Hollande: viel reden, wenig handeln, nie Verantwortung tragen“ zu konstruieren. Zu Hollande fällt mir ein: Mali, Minsk, Zentralafrika etc. Zu Obama: Gesundheitsreform, gezielte Liquidierungen, Libyen-Einsatz etc. Man kann die Folgen dieser Handlungen in Frage stellen, kann einwenden, dass sie im Vorfeld nicht gründlich durchdacht waren, aber „viel reden, wenig handeln“ trifft es wohl kaum. Und Cameron fehlendes Verantwortungsbewusstsein zu unterstellen, halte ich angesichts seiner persönlichen Konsequenzen auch für gewagt. Fazit: Großbritannien steht vor einem Scherbenhaufen. Das EU-Establishment ist eine kritische Stimme losgeworden und wird aus der Sache gestärkt hervorgehen. Leider.
Betrachtet man die Verhältnisse im 18.Jahrhundert, so haben viele “aufgeklärte Despoten” sehr viel für ihre Länder und ihre “Untertanen” geleistet, so denke ich z.B. an Karl Friedrich von Baden, der freilich auch Fehler gemacht hat. Bei unseren neuen alternativlosen Despoten lautet die Frage wohl eher “Haben sie bei all den Fehlern vielleicht auch irgendwo etwas Positives zuwege gebracht?”
Hallo Herr Somm, ein sehr gelungener Artikel. Merkel und Naivität, passen nicht zusammen. Bei ihr ist alles Kalkül. Falls es wirklich zur Götterdämmerung kommen sollte, kann ich nur hoffen, dass es die, die viel reden und wenig handeln zuerst trifft.
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