Gastautor / 16.09.2016 / 06:20 / Foto: Tomas Quinones / 11 / Seite ausdrucken

Eigentum heißt eigen denken, handeln und leben

Von Oliver Weber.

Gibt es noch irgendwo richtiges Eigentum in diesem riesigen Sozialstaat namens Bundesrepublik? Eigen-tum im eigentlichen Sinn, verstanden als Eigenart, Autonomie, echter Individualismus, nicht als irgendeine juristische Norm. Keine freundlicherweise vom Staat gewährten Rechte, sondern abgeschottete Privaträume, in denen nur der Einzelne zählt und es der Allgemeinheit nicht einmal erlaubt sein sollte, vorsichtig um Eintritt zu bitten. Diese Form von Eigentum bekommt Seltenheitswert in Deutschland. Eigentum wird zunehmend Sache der Öffentlichkeit und somit der Gesellschaftspolitik. Die negativen Folgen dieser sozial-vorrangigen Weltsicht treten aktuell immer deutlicher hervor.

So wird der Citoyen in allen Belangen für unmündig erklärt. Er ist nicht Ausgangspunkt der Gesellschaft, sondern Teil einer sozialen Verwaltungsmasse. Und als solcher hat er allen Steuerungsversuchen Folge zu leisten. Egal ob als „verantwortungsvoller Verbraucher“ oder Wahlbürger, dem es aufgrund vergangener „falscher“ Entscheidungen verboten sein soll, in Referenden selbst zu entscheiden; der Staatsbürger wird als einer unter vielen gesehen, dessen Bestimmung es sei, den politisch-sozialen Zielsetzungen zu gehorchen.

Er soll Elektroautos kaufen und für deren Subventionierung eingezogenes Steuergeld aufwenden, weniger oder am besten gar nicht mehr rauchen, mehr Fahrrad fahren, gesünder essen, sich häufiger bewegen, die richtigen Parteien wählen und eine verbreitete, akzeptierte politische Meinung vertreten, grüne NGOs fördern, ökologisch leben, Fair-Trade-Kaffee kaufen, weniger Alkohol trinken, sich pünktlich bei der örtlichen Einwohnerbehörde überprüfen lassen, keine Waffen besitzen, niemals „Killerspiele“ spielen, das halbe Einkommen dem Staat widmen, genmanipuliertes Essen meiden, seine Kinder, wie von Staats wegen geheißen, richtig erziehen, „gendergerecht“ schreiben, Organe spenden, „sexistische Werbungen“ anzeigen, kein Glücksspiel betreiben, „energieeffizient“ bauen, fein säuberlich den Müll trennen und, zu guter Letzt, jedwede Verstöße gegen die Gesetze der Sozialgemeinschaft ordnungsgemäß per App denunzieren. Dies ist die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

Über welche Witze gelacht wird, war früher Privatsache

Eberhard Straub formulierte es vor einigen Jahren so: „Pädagogisch, wie die sozial-demokratische Gesellschaft nun einmal ist, lässt sie nachlässige Mitglieder nicht allein. Sie versteht sich schließlich als Inkarnation der Vernunft und muss deshalb im ,Irrationalen‘ ihren schlimmsten Feind erkennen. Beharrlich bemüht sie sich darum, diese Sozialhäretiker und verstockte Halbbürger zu Mitbürgern zu erziehen, sie politisch zu bilden und ihr soziales Gewissen zu schärfen, ihre Sensibilität zu wecken, um aus ihnen ,aufrichtige Demokraten‘, ,umsichtige Verkehrsteilnehmer‘, ,kritische Schüler‘ oder ,organspendende Senioren‘ zu machen, die dann ein ausgefülltes Leben für andere führen dürfen.“

Der öffentliche und der private Raum lösen sich langsam, aber sicher ineinander auf. Keiner scheut sich mehr, seine privaten Belange lautstark nach außen zu tragen, während gleichzeitig die Privatangelegenheiten zur Staatssache verklärt werden. Über diesen intimen Raum, wo es früher eigene Sache war, wieviel geraucht, getrunken und gegessen, über welche Witze gelacht und was über politisch-gesellschaftliche Probleme gesagt wird, wird schon jetzt in jedem Koalitionsvertrag gerichtet. Bürgerlicher Protest gegen derartige Unverschämtheiten bleibt aus, die vermeintliche moralische Hoheit der politischen Klasse ist weitgehend als Wahrheit akzeptiert.

Was aber dahinter steckt, wenn beispielsweise ein Heiko Maas zu Protokoll gibt, der mündige Bürger sei ein schönes Ideal, das mit der Realität aber nichts zu tun habe, ist tiefsitzender Paternalismus aus dem Geiste des Philistertums. Eine Gruppe Spießbürger, bestehend aus Politikern und Journalisten von links bis rechts, die konform denken und leben, meinen den restlichen Teil der Bevölkerung zur Anpassung zwingen zu müssen. Sie meinen zu wissen, wie man zu leben hat. Abweichungen werden nicht geduldet, Abweichungsmöglichkeiten Stück für Stück verboten, wegreguliert oder besteuert.

Per Dekret definierte Buntheit

Zwar verkündet das Justemilieu in diesen Tagen besonders eindrücklich, wie wichtig Vielfalt, Weltoffenheit und eine bunte Gesellschaft doch seien. Damit ist aber freilich keine freigeistige Atmosphäre gemeint, in der individuelle Lebens- und Weltsichten gedeihen könnten, sondern per Dekret definierte Buntheit: Stück für Stück wird verordnet, wie man zu leben und zu denken habe. Zurück bleibt eine Gesellschaft, in der Individualismus zwar gepredigt, ansonsten aber als politisch inkorrekt angeprangert wird.

Auch deswegen ist jeder Verstoß gegen die Diskursmauern ein Gebot der Stunde. Der souveräne Bürger sollte sich nicht mehr einreden lassen, welche Produkte, Personen oder Genussmittel er zu meiden hat. Nein, er sollte sich wieder trauen zu denken und zu fühlen, was immer ihm vernünftig scheint, und diese Meinung dann selbstbewusst nach außen vertreten. Denn das private Dasein, das offensive Bekenntnis zum Eigenen, durchbricht die politisch-moralischen Vorgaben der Philister aus den oberen Reihen und raubt ihnen ihren moralischen Vormachtanspruch. Sein Eigen-tum in diesen Zeiten zu bewahren, wird so zu einem subversiven Akt, den es zu würdigen gilt. Er ist selten genug.

Oliver Weber ist Schüler. Parallel zu seinem Abitur schreibt er als Autor und freier Journalist über Themen aus Politik, Wirtschaft und Kultur mehr

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Novo-Argumente hier.

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Leserpost

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Kai Wieckberg / 16.09.2016

Solange es noch solche Abiturienten gibt, ist Deutschland - ein Wintermärchen, noch nicht verloren!

Karl Gottlieb / 16.09.2016

Diese Entwicklung haben schon Adorno und Horkheimer vor über 70 Jahren als “Lauf zur verwalteten Welt” beschrieben. Es ist die Dialektik des Sozialstaats: “Je mehr Gerechtigkeit, desto weniger Freiheit; je mehr Freiheit, desto weniger Gerechtigkeit. Freiheit. Gleichheit, Brüderlichkeit—wunderbar! Aber wenn Sie die Gleichheit erhalten wollen, dann müssen Sie die Freiheit einschränken, und wenn Sie den Menschen die Freiheit lassen wollen, dann gibt es keine Gleichheit (Horkheimer in einem SPIEGEL-Interview 1970).” Diesen Grundgedanken hat zuletzt auch Thilo Sarrazin in “Der neue Tugendterror (2014)” sehr ausführlich entfaltet. Im übrigen sollte man nicht allzu beliebig mit dem Begriff des Eigentums umgehen. Eigentum ist zunächst mal ein Rechtsverhältnis. Und es ist wichtig, auf diesem Verständnis zu beharren, nicht zuletzt um der immer mehr um sich greifenden Illusion entgegenzutreten, alle Probleme dieser Gesellschaft seien schlicht “mit links” zu lösen, indem man in Robin-Hood-Manier “den Reichen nimmt und den Armen gibt”, sprich “umverteilt”.

Michael Sobania / 16.09.2016

“Oliver Weber ist Schüler. Parallel zu seinem Abitur schreibt er als Autor und freier Journalist …” Und das macht er richtig gut. Und gibt mir Hoffnung in die kommende junge Generation. Vielen Dank!

Peter Westermann / 16.09.2016

Angedacht ist auch die staatliche angeordnete Einnahme des von Novartis entwickelten Equilibriums zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

Karla Kuhn / 16.09.2016

“Was aber dahinter steckt, wenn beispielsweise ein Heiko Maas zu Protokoll gibt, der mündige Bürger sei ein schönes Ideal, das mit der Realität aber nichts zu tun habe, ist tiefsitzender Paternalismus aus dem Geiste des Philistertums. Eine Gruppe Spießbürger, bestehend aus Politikern und Journalisten von links bis rechts, die konform denken und leben, meinen den restlichen Teil der Bevölkerung zur Anpassung zwingen zu müssen. Sie meinen zu wissen, wie man zu leben hat. Abweichungen werden nicht geduldet, Abweichungsmöglichkeiten Stück für Stück verboten, wegreguliert oder besteuert.” Sehr schön geschrieben Herr Weber. Ich glaube, die breite Masse der Bevölkerung nimmt Typen wie Maas doch gar nicht für voll. Solche Typen leben doch auf Wolke Sieben.  Gleich gar nicht läßt sie sich zur Anpassung zwingen. Entweder gehen die Menschen auf die Straße oder ihnen ist das Geschwafel schnurzegal und sie leben wie sie wollen. Mich belustigen die “Damen und Herren” Politiker, die anscheinend noch nie richtig gearbeitet haben, von den Steuern der Bürger leben aber diesen unbedingt bevormunden wollen mit abenteuerlichen Vorschlägen, die sie selber nie beherzigen würden.  Mein Motto, “Jedem Tierchen sein Plässierchen” hat sich eigentlich immer gut bewährt.  Wenn ich so lebe, dass ich anderen Menschen nicht schade, geht es niemanden etwas an, was ich tue oder lasse. Gleich gar nicht den “selbsternannten Ordnungshütern.” Die sollen sich schleichen.

Michael H. Geisler / 16.09.2016

Dazu müsste Mann sicherlich einiges sagen, Eines drängt sich mir aber auf. Wer sein Leben leben möchte, wie er es will, kann das gerne tun !!! Allerdings sollte es sich dann darüber im Klaren sein, dass sein Handeln nur durch IHN verantwortet wird und er mit Konsequenzen rechnen muss, etwa auf Einschränkungen der Gesellschaft hinsichtlich Leistungen der Gesundheitsvorsorge bei Rauchern und Trinkern, um es hierauf zu beschränken. Ich bin als Nichtraucher (Ex), meine Mutter starb in 1998 an Lungenkrebs / starke Marlboro-Raucherin, und Kaum-Trinker, nicht mehr geneigt, generell die Eigenheiten Anderer mittragen zu wollen. Wo dort die Grenze sein kann, habe ich für mich noch nicht definiert, aber das sollte ich tun. Freuheit ja, ohne jede Frage, aber nicht grundsätzlich ideologisch und auf Kosten Anderer.

Volker Kleinophorst / 16.09.2016

Da sage noch mal einer, deutsche Schüler hätten nix drauf. Ein toller Beitrag, Herr Weber, der den Nannystaat demaskiert.

Melanie McBride / 16.09.2016

Vollste Zustimmung, Herr Weber, genauso fühlt sich Deutschland derzeit an, Kontrolle und Erziehung der Menschen bis in die privaten Angelegenheiten von jedem Einzelnen. In Ihrem Text perfekt auf den Punkt gebracht, Danke dafür!

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