Rainer Grell / 29.06.2017 / 06:07 / Foto: Michael Thaidigsmann / 8 / Seite ausdrucken

Ehe für alle, aber eine nach der anderen!

„Für alle“ war der deutsche Beitrag zum Eurovision Song Contest (laut Monika Gruber „die Paralympics der Musikszene“) 1985 in Göteborg, der von der Gruppe „Wind“ gesungen wurde. Das Lied erreichte mit 105 Punkten den 2. Platz von 19 Teilnehmern und wurde nur von „La det swinge“ von den „Bobbysocks“ geschlagen. So kann man bei Wikipedia lesen. Wer’s trotz Warnung hören möchte, bitte hier. Vielleicht haben sich die Grünen an diesen Erfolg erinnert (oder weil der Regenbogen in dem Song vorkommt), als sie einen Antrag des Bundestagsabgeordneten Volker Beck ins Wahlprogramm 2017 übernahmen: „Mit uns wird es keinen Koalitionsvertrag ohne die Ehe für alle geben“, heißt es jetzt dort. Nun ja, der zweite Platz ist ja auch nicht schlecht.

Da wollte Martin Schulz natürlich nicht zurückstehen, und auch Christian Lindner zog nach. Als dann auch die Linke auf den Zug aufsprang war Angela plötzlich allein zu Haus. Doch sie wäre nicht die „begnadete Strategin“ (Michael Wolffsohn), wenn sie sich nicht in Houdini-Manier befreit hätte: „Ich möchte die Diskussion mehr in die Situation führen, dass es eher in Richtung einer Gewissensentscheidung ist, als dass ich jetzt per Mehrheitsbeschluss irgendwas durchpauke". Ein echter Merkel-Satz, den sie da auf einer Brigitte-Veranstaltung los ließ.

Doch jetzt mal im Ernst: Wenn hier einer mitreden kann, ich meine bei der Ehe, dann bin ich das: Fast 52 Jahre verheiratet (die durchschnittliche Länge einer Ehe in Deutschland beträgt 14 Jahre  – immerhin, hätte ich gar nicht gedacht), mit derselben Frau wohlgemerkt (andere brauchen fünf und kommen immer noch nicht da ran). Dass ich das noch erleben darf: Ehe für alle. Die haben noch gar nicht gemerkt, dass „Ehe“ ein Auslaufmodell ist. Wissenschaftler haben nämlich in einer Studie herausgefunden, dass die Ehe die Hauptursache aller Scheidungen ist. Und da wollen nun alle ihre LSBTTIQ-Klientel hin haben. Wenn das nur nicht nach hinten losgeht.

Sie sollten sich lieber an der grünen Spitzenkandidatin orientieren. Nachdem Katrin Göring-Eckardt sich von ihrem Mann Michael nach langjähriger Ehe (von 1988 bis 2013) getrennt hatte, ob vor oder nach der Silberhochzeit ist leider nicht überliefert, hat sie zwar „eine neue Liebe“ gefunden, aber nicht als Ehemann, sondern als „Lebenspartner“.

Und Claudia Roth war zunächst in Winnetou verliebt, konnte ihn aber nicht bekommen, da er ja von dem Banditen Rollins getötet wird. Danach liebte sie nur noch die Türkei und zwar mit allem Drum und Dran.

Ja, und der Joschka, dem genügte eine nicht: 1967 als 19Jähriger, damals noch minderjährig, heiratet er Edeltraud (im schottischen Heiratsparadies Gretna Green), 1984 Inge, 1987 Claudia, 1999 Nicola und 2005 als 57Jähriger schließlich Minu. Nächstes Jahr wird Fischer übrigens 70.

Also, was spricht aus grüner Sicht für die Ehe, das sie so attraktiv für alle macht? Darauf gibt es eigentlich nur eine Antwort: Kretsche (seit 1975 ununterbrochen verheiratet). Also meinen Segen habt Ihr! Aber Achtung: André Gide, der von dem All-Parteien-Plan profitieren würde, wäre er nicht bereits 1951 verschieden, hat über die Liebe geschrieben:

„Ein verliebter Mensch kann sich, solange er liebt und geliebt sein will, nicht für das geben, was er wirklich ist. Außerdem sieht er auch den anderen nicht, wie er wirklich ist, sondern stattdessen ein Idealbild, das er schmückt, das er vergöttert und dessen Schöpfer er ist“ (Die Falschmünzer). Das kann also nach der Eheschließung ein böses Erwachen geben. Auf jeden Fall, liebe LSBTTIQ-Leute, solltet Ihr Schiller lesen, bevor Ihr vor den Traualtar bzw. die Standesbeamtin tretet: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet! Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.“

Foto: Michael Thaidigsmann CC-BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Dirk Jungnickel / 29.06.2017

LSBTTIQ ist eine aus dem englischen Sprachraum kommende Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender, also Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender.  Das habe ich aus dem Internet gefischt oder besser :  fischen müssen. Zugegeben, ich bin,  was diese Bereiche betrifft, stinkkonservativ ; nein,  das ist nicht korrekt, eher völlig ungebildet. Ich finde, die Lobby dieser Klientel hat sich aber was einfallen lassen. Wie Jäger und Wilddiebe bei er- oder angeschossenem Wild nicht von Blut reden sondern von Schweiß, bedienen sich aus Abgrenzungsgründen besonders abgehobene Kreise einer Art Geheimsprache. Die dürfte aber bald obsolet sein, weil zur Zeit die gleichgeschlechtliche Ehe von hochoffiziellem Interesse ist. Da werden landesweit hübsche Fotos von Hochzeiten gleichgeschlechtlicher Partner veröffentlicht und Berichte kolportiert , wo lesbische Frauen bis zu sechs Kinder groß ziehen.  Ob das Ganze nun noch staatlich sanktioniert wird, ist von der Kanzlerin als Gewissensentscheidung deklariert worden. Außer dass ich mir Sorgen um die Kinder von zwei Männern mache, sehe ich das Problem mit Gelassenheit. Allerdings schlage ich in Kenntnis meiner Ehe ( und Partnerschaften) und anderer “Normal” ehen vor, dass endlich Eheschulen etabliert werden. Nicht vor allem, aber durchaus weil es eben in gleichgeschlechtlichen Ehen auch Probleme geben kann. Und die Gesamtzahl der Eheschließungen wird nunmehr in Deutschland um einige Promille steigen, worauf zu reagieren wäre.

Hans-Peter Kimmerle / 29.06.2017

Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist bis auf das Adoptionsrecht mit der Ehe bereits rechtlich gleichgestellt. Einfacher wäre es gewesen, das Adoptionsrecht auf die Lebenspartnerschaften zu erweitern. Ob die “Ehe für alle” der große Wurf ist, wird sich in einigen Jahren herausstellen, denn mit ihr geht es ab in das Familienrecht einschließlich der gesetzlichen Regelungen bei Scheidung. Wer kennt nicht selbst oder aus seinem Bekanntenkreis die Folgen mit Streit um das Sorgerecht, Unterhalt , Zugewinn, Vermögensaufteilung usw. Der “Rosenkrieg”, gleichnamiger Film über eine Scheidung mit allen Schikanen, kann jetzt für “alle” beginnen. Ob es dann nicht ein böses Erwachen gibt ?

C. J. Schwede / 29.06.2017

“Ehe für alle” - impliziert das auch die Ehe mit Minderjährigen?

Stefan Pincus / 29.06.2017

Einfach wunderbar geschrieben, klug, geistreich und witzig. Dass das im Land des Merkelgestammels noch möglich ist, schön. Aber solche einsamen Inseln gab es fast in jeder Diktatur, man sollte sich über das schlimme Ende, dass wir alle nehmen werden dadurch nicht täuschen lassen.

Wilfried Cremer / 29.06.2017

Was sagt eigentlich Kardinal Marx zum Thema “Ehe” für alle? Er ist doch immer so dicke mit Frau Merkel, dass kein Blatt Papier zwischen beide zu passen scheint.

Frank Nebel / 29.06.2017

Mal abgesehen von Merkels sinnbefreitem Satz ist doch alles wieder eine grandiose Ablenkung von den wirklichen Problemen dieses Landes. Wer kann denn ernsthaft zur Wahl gehen und auf Grund dieses Punktes eine Wahl treffen. Bürger dieses Landes vereinigt euch- und stoppt die Verblödung durch diese Parteien

Hans Meier / 29.06.2017

Wie schön beschreibt ein altes Lied, „Ich weiß mir einen Distelbaum, ich hab einmal ein Schatz gehabt…“ die Szenen einer Ehe, „und wenn sie freien gehen, so sind sie stolze Gäste, doch wenn sie drauf verheirat` sind, sind sie des allen ohne…“ Ein solche Thema in den Wahlkampf zu mogeln, ist eher peinlich, denn „wichtige politischen Entscheidungen stehen an“ und keine Flucht in das Private.

Kristina Laudan / 29.06.2017

Die “Ehe für Alle” ist in Deutschland das geringste Problem, das wir haben und eigentlich etwas, das am Rande behandelt werden könnte von der Politik. Die Beschäftigung mit dieser “Problematik” ist ein reines Ablenkungsmanöver von den wirklichen Dingen, mit denen sich die Politiker beschäftigen müssten: Kinderarmut, Altersarmut, Armut trotz Arbeit, zunehmende Kriminalität, marode Infrastruktur, schlechtere Bildung, Aussehen der Städte in Deutschland etc….

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