Vera Lengsfeld / 23.01.2009 / 21:53 / 0 / Seite ausdrucken

Dreiundzwanzigster Januar 1989/2009

Der Chef der Staatssicherheit Erich Mielke äußert in einer internen Besprechung die Befürchtung, dass die Bekanntgabe des KSZE-Abschlussdokuments oppositionelle Kräfte in der DDR ermutigt.
Damit hatte er natürlich Recht. Die DDR befand sich seit Jahren diesbezüglich in der Zwickmühle. Einerseits wollte sie bei internationalen Verhandlungen und Vereinbarungen als gleichberechtigter Partner dabei sein, andererseits forderten immer mehr DDR-Bürger, dass sich die Machthaber an die eingegangenen Verpflichtungen hielten. Seit der Helsinki- Konferenz Mitte der siebziger Jahre, die erstmals die Möglichkeit eröffnete, die DDR mittels Ausreiseantrag offiziell verlassen zu können, war die Zahl der Ausreisewilligen ununterbrochen gestiegen. Dabei war es keineswegs einfach, diese Ausreise zu bekommen. Wer einen Ausreiseantrag stellte und Akademiker war, musste mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes rechnen. Hinzu kamen alle erdenklichen Schikanen, die oft jahrelang andauerten, bis die Ausreise endlich gestattet wurde.
Wer ein Haus besaß, durfte es nicht mehr frei verkaufen. In der Regel waren die Käufer Funktionäre oder andere Systemstützen, die für ein Taschengeld die Immoblien erwerben konnten. Antiquitäten und wertvolle Sammlungen mussten in der DDR bleiben, Sie wurden für lächerlich niedrige Summen von staatlichen Institutionen aufgekauft und Gewinn bringend weiterveräußert, gern auch an den Klassenfeind gegen Devisen.
Was Stasichef Mielke befürchtet, war in der DDR seit Jahren gang und gäbe. Bürgerrechtsgruppen beschafften , vervielfältigten und verteilten Dokumente, wie die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, die Helsiki- Vereinbarungen, auch die Gesetzblätter der DDR, in denen die Ausreise geregelt war, die von den Behörden aber unter Verschluss gehalten wurden. Dabei kam es zu solchen Absurditäten, dass ein Rollstuhl fahrendes Mitglied des Geraer Bürgerrechtskreises, der wegen seiner Behinderung frei in den Westen reisen durfte, das bereffende Gesetzblatt der DDR am Körper in den Westen schmuggelte, wo es bei Freunden vervielfältigt und anschließend in die DDR zurück geschmuggelt wurde.
Im „Neuen Deutschland“ dieses Tages war zu lesen, dass „Zuwachs bei Erzeugnissen mit höchstem Gütezeichen“ erreicht worden wären. Übersetzt aus dem Zeitungsdeutsch der DDR hieß das, dass hochwertige Konsumgüter knapp geworden waren.

Letzter Tag in Haifa: Der Wind heult um das Dan Carmel, in dem wir untergebracht sind. Der wunderbare Blick auf die Bucht und die Stadt
lässt einen heute frösteln, weil der Wind einen kalten Schleier über das Panorama gelegt hat. In der Jerusalem Post steht ein Artikel, in dem ein Vater seine Gefühle beschreibt, als er nach 15 Tagen endlich einen Anruf seines Sohnes erhielt, der wohlbehalten vom Einsatz im Gaza-Streifen zurückgekehrt ist. Er hätte in diesen 15 Tagen das Gefühl gehabt, untergegangen zu sein . Er konnte erst wieder auftauchen, als er die Stimme seines Sohnes hörte. Wir haben keine Vorstellung, was es bedeutet, ein Kind im Krieg zu wissen.
Beim Essen im Lieblingsrestaurant unseres gastgebenden Professors in der Deutschen Kolonie fiel mir auf, wie entspannt es zuging .Der arabische Besitzer begrüßte seinen Stammgast mit einer Umarmung, auch sonst war im gemischten Publikum keine Spannung zu spüren.
In Haifa scheint das Zusammenleben von Israelis und Palästinensern möglich zu sein.

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