Walter Krämer / 31.01.2015 / 13:59 / 1 / Seite ausdrucken

Draghis Deflationsgespenst

Im Vermarkten seiner EU-vertragswidrigen Geldpolitik ist EZB-Präsident Draghi recht geschickt. Sein bester Komplize ist aktuell das Deflationsgespenst. Angeblich, um es zu verscheuchen, pumpt die EZB seit Monaten frisch gedruckte Euros in den Markt. Da ist der letzte Woche angekündigte hemmungslose Aufkauf möglicherweise wertloser Staatspapiere nur das Sahnehäubchen auf einer gut getarnten Beerdigungstorte voller Verlogenheit und Volksverdummung.

In Wahrheit haben wir überhaupt keine Deflation, und das wahre Motiv der Frankfurter Geldvermehrer ist die Rettung südeuropäischer Pleitebanken. Als wahrer Italiener und Ex-Banker weiß Draghi sehr genau, wem seine Loyalität in erster Linie gilt. Richtig ist allein: Der Preisindex für die Lebenshaltung strebt in vielen Ländern der Eurozone historischen Tiefstständen bei den Wachstumsraten zu: Im Jahr 2014 in Deutschland und Frankreich 0,6%, in Italien 0,2%, in Spanien -0,1%, in Griechenland -1,0%. In vielen Ländern ist das ein historisches Minimum (in Deutschland nicht, hier war die Inflationsrate 1986 sogar kleiner als aktuell, nämlich -0,1%. Und alle haben sich gefreut).

Was aber in der aktuellen Deflationshysterie gerne übersehen wird: der Preisindex für die Lebenshaltung misst nur einen kleinen Ausschnitt des Preisgeschehens einer Volkswirtschaft. Kapital- und Investitionsgüter sowie Löhne und Gehälter bleiben völlig außen vor. Und wie jeder Bundesbürger weiß, der in den letzten Monaten ein Grundstück oder eine Immobilie erworben hat, steigen hier die Preise kräftig an. Und auch der Deutsche Aktienindex DAX ist im Jahr 2014 um 4,3% gestiegen, von 9400 auf 9805. Der Spitzenreiter im DAX, die Aktie des Chemie- und Pharmakonzerns Merck, kostete Ende Dezember 2014 sogar 22% mehr als Anfang Januar. Eine mögliche Deflation ist also nicht so ohne weiteres am Preisindex für die Lebenshaltung festzumachen.

Von derartigen Messproblemen völlig unabhängig ist die Frage, ob Deflation als solche wirklich etwas fürchtenswertes ist. Der fallende Ölpreis mag die Scheichs in Arabien ärgern, für die deutsche Wirtschaft ist er ein Glücksfall sondergleichen. Und auch die Verbraucher freuen sich. „Und warten ab, bis die Preise nochmals weiter fallen,“ so die Draghi-Fraktion. Und das reduziere die Nachfrage und sei deshalb für die Wirtschaft schlecht.

Bei Gütern, deren Konsum oder deren Anschaffung leicht verschiebbar ist, mag das kurzfristig auch so sein. Aber wer heute in Urlaub fährt, kann nicht mit dem Tanken einen Monat warten, bis das Benzin nochmals billiger geworden ist. Und erst recht kann man nicht das Essen und Trinken aufschieben, bis bei Aldi die Milch zwei Cent weniger kostet. Und selbst in Märkten wie der Computerelektronik, wo seit Jahrzehnten alles jährlich billiger wird, kaufen die Konsumenten zum Teil wie verrückt. So ist jetzt schon abzusehen, dass ein Apple I-Phone 6 in einem Jahr weniger als die Hälfte wie heute kosten wird. Trotzdem legen Millionen Käufer dafür 800 Euro auf den Tisch.

Deflation ist meist nicht die Ursache, sondern die Folge einer verfehlten Wirtschaftspolitik. Von Ausnahmen wie der großen Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren abgesehen, wo inkompetente Zentralbanken die Geldmenge übermäßig beschnitten hatten, entsteht sie dadurch, dass die Anbieter zu ineffizient und zu teuer sind wie derzeit etwa Griechenland. Dort fallen die Preise, aber längst nicht genug. Um auf dem Weltmarkt wieder wettbewerbsfähig zu werden und zu den gleichen Preisen anbieten zu können wie sein unmittelbarer Nachbar und Konkurrent Türkei, müsste das griechische Preisniveau um 20 % sinken.

Wir sind heute nicht im Jahr 1930, die Wirtschaft hat Geld genug, mehr braucht sie nicht. Dass gewisse Preise trotzdem fallen, ist keine Folge einer restriktiven Geldpolitik, sondern eine Korrektur vergangener Exzesse. Allenfalls bei einer langfristigen und weltweiten Verfestigung des Deflationsszenarios wäre eine gewisse Besorgnis angebracht. Aber so weit sind wir noch lange nicht, und dahin muss es auch nicht kommen. Und das dringend nötige Durchstarten der europäischen Wirtschaft erreicht man nicht mit billigem Geld, das man maroden Banken hinterher wirft, sondern mit Kreativität und Wettbewerb. Die geplanten massiven Ankäufe von Staatsanleihen von Krisenstaaten wie Italien oder Griechenland sind davon genau das Gegenteil - sie alimentieren weiter Schlamperei und Misswirtschaft (abgesehen davon, dass sie laut EU-Vertrag absolut verboten sind. Aber wen kümmert heute noch der EU Vertrag?)

Seit König Midas ist der wahre Feind des wirtschaftlichen Durchschnittsbürgers nicht die Deflation, sondern die Inflation. Selbst wenn diese an realen Größen überhaupt nichts ändert, es resultieren immer große Vermögensumverteilungen wie etwa die komplette Enteignung des deutschen Mittelstandes durch die Hyperinflation 1923. Und darauf, auf eine großflächige Umverteilung zu Gunsten der Banken und Großanleger und zu Lasten der kleinen Sparer, steuert die Draghi-Politik langfristig zu. Es hat im Lauf der Wirtschaftsgeschichte noch nie eine Inflation gegeben ohne vorherige Ausweitung der Geldmenge, und genau das findet derzeit in großem Maßstab statt.

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Klaus Kalweit / 01.02.2015

Draghi ist ein großer Illusionist unserer Zeit. Illusionisten verstehen es, die Menschen von ihrem eigentlichen Tun abzulenken.

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