Rainer Bonhorst / 22.10.2016 / 06:15 / Foto: Donkey Hotey / 6 / Seite ausdrucken

Donald und andere Trumps

Wir haben drei – wie soll ich sagen? - ungewöhnliche Fernsehdebatten zum amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf hinter uns. Hillary Clinton ist jedes Mal als Siegerin gefeiert worden. Donald Trump spielte seine Trümpfe lieber jenseits der Debatten aus, also dort, wo das wahre Leben tobt. Darum möchte ich mich an dieser Stelle ein wenig mit Donald, dem Philosophen befassen.

Zugegeben, der Präsidentschaftskandidat mit der Elvis-Tolle ist trotz seiner deutschen Vorfahren bisher nicht als faustischer Grübler in Erscheinung getreten. Aber er hat der Welt einen Kernsatz geschenkt, dessen Bedeutung meines Erachtens noch nicht ausreichend gewürdigt worden ist. Hier ist der Satz: „Wenn du ein Star bist, kannst du dir alles erlauben.“ Gerade hat er einem staunenden Reporter erzählt, auf welch vielfältige Weise er sich an widerstrebende Frauen rangemacht hat. Und dann dieser Satz als krönender Abschluss seiner vorgetragenen Grabsch-Philosophie. „Wenn du ein Star bist, kannst du dir alles erlauben.“ Damit hat Trump weit über den amerikanischen Wahlkampf hinausgegriffen und die Ego-Philosophie vieler berühmter und mächtiger Männer (und gelegentlich auch Frauen) in aller Welt formuliert.

Donald Trump lebt seine Philosophie vor allem als Großunternehmer, aber nicht zuletzt auch als Frauenbelästiger aus. Als ein Nebenprodukt seines philosophischen Bekenntnisses, das ich als „Superegomanismus“ bezeichnen möchte, hat Trump das Wort „Pussy“ als Alltagsbegriff in das amerikanische Mainstream-Fernsehen eingeführt, wenn das Wort in diesem Zusammenhang erlaubt ist. Auch dies ein gesellschaftsphilosophischer Durchbruch, der nicht unterschätzt werden sollte.

Überall Trumps in den oberen Etagen - nur ordentlich frisiert

Entscheidend ist aber die staaten- und kulturübergreifende Bedeutung des Trumpschen Axioms. Es gilt, wohin man schaut. Auch bei uns in Deutschland. Zum Beispiel setzen sich mächtige Industrie-Stars betrügerisch über amerikanisches Umweltrecht hinweg und bringen dadurch nicht nur einen Autogiganten sondern ein Herzstück der deutschen Wirtschaft ins Wanken. Oder mächtige Moneten-Stars verzocken auf dem Weltmarkt das ihnen anvertraute Geld und bringen damit die größte deutsche Bank, ein weiteres Herzstück der deutschen Wirtschaft, in Schwierigkeiten. Warum tun sie das? Weil sie, wenn auch ordentlicher frisierte, Donald Trumps sind. Weil sie glauben: Wenn du ein Star bist, kannst du dir alles erlauben.

In England sind mehrere Star-Entertainer nach Jahrzehnten, teils erst posthum, als notorische Kinderverführer entlarvt worden. Sie waren Stars und glaubten, sich alles erlauben zu können. Warum wurden sie erst so spät enttarnt? Weil sie Stars waren, und sich tatsächlich alles erlauben konnten.

In den Führungsetagen und unter den Berühmtheiten unserer Zeit gibt es viele Donald Trumps. Und nicht nur in den Führungsetagen, sondern überall dort, wo Menschen Macht über andere haben. Warum haben so viele fromme Herren ihre Zöglinge, die ihnen anvertraut waren, missbraucht? Weil sie sich als Herausgehobene in ihrer begrenzten Welt alles erlauben konnten. Warum werden sie erst so spät erwischt? Weil man lieber wegschaut, als dass man sich mit dem Star anlegt. Die Opfer wissen das, und beißen stumm die Zähne zusammen. Die Donald Trumps können sich alles erlauben, weil man es ihnen erlaubt.

Wenn du ein Star bist, kannst du dir alles erlauben

Auch die Frauen, denen der Präsidentschaftskandidat „an die Pussy“ gegriffen hat, haben sich erst ziemlich spät gemeldet. Warum? Weil sie gegen den Milliardär, den Star, den ewigen Sieger keine Chance sahen. Und weil sie wussten, dass seine Umgebung keinen Finger rühren würde, ihnen zu helfen.

Wenn du ein Star bist, kannst du dir alles erlauben. Dieses Ärgernis wird nicht verschwinden, wenn Donald Trump in ein paar Wochen wieder in der Versenkung verschwindet. Aber immerhin hat er dank seiner Kandidatur diese traurige Wahrheit unseres Lebens deutlicher als bisher üblich ins öffentliche Bewusstsein gebracht. Weil Donald eben ein Ober-Donald ist. Er kann sich nicht nur alles erlauben, er erlaubt sich sogar, damit auch noch zu prahlen.

Die Prahlerei hat seine Chancen, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, dezimiert. Kann sich ein Star, wenn er das Weiße Haus erobern will, also vielleicht doch nicht alles erlauben? Schaun wir mal. Sollte Donald Trump wider Erwarten die Wahl doch noch gewinnen, dann wissen wir endgültig, dass sein Satz vom Star, der sich alles erlauben kann, zur unerschütterlichen Wahrheit erhoben worden ist. Trumps kategorischer Star-Imperativ. 

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Leserpost

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Burkhard Miersch / 23.10.2016

Ich bin traurig, daß der Wahlkampf in den USA in der Lückenpresse auf sexuelle Schweinigeleien reduziert wird (wer von beiden Seiten die ekligere Figur ist, bleibt mal dahingestellt). “Wenn die Argumente ausgehen, wird mit Dreck geschmissen”, scheint die demokratische Devise zu sein.

Werner Liebisch / 22.10.2016

Und Hillary konnte sich bisher auch fast alles erlauben, mit dem Unterschied dass einige ihrer Tätlichkeiten für manche tödlich endeten. Die Beschreibung oben passt auch für Billy, Hillys Ehemann der ja jahrelang Präsident und Star der Staaten war. Und?

Peter Zentner / 22.10.2016

“Sollte Donald Trump wider Erwarten die Wahl doch noch gewinnen ...” könnte sich wie so vieles, was in der unerbetenen Wahlkampfberatung deutschsprachiger Medien für die Amis georgelt wird, als voreilig entpuppen, sehr geehrter Herr Bonhorst. Unnötig zu erwähnen: Hillary R. Clinton ist, sosehr sie sie auch als eine solche inszeniert, nicht gerade eine Pastorentochter, weder in Wahrheitsliebe noch in den hunderten Millionen, die sie als Außenministerin widerrechtlich in die Clinton Foundation geschaufelt hat.

Andreas Rochow / 22.10.2016

Ist der Begriff der “Mediendemokratie” ganz in Vergessenheit geraten? Die Medien etablieren sich immer mehr als eine Neben- oder Pseudorealität, die nach eigenen Regeln funktioniert und dennoch von gefühlten Mehrheiten akzeptiert wird. So ist der Kuss eines Fernsehmoderators auf den exponierten Busen eines Pornostars in der Medienwelt ein akzeptiertes Event, reicht aber doch noch (etwas) in die Lebenswirklichkeit hinein. Man muss aber kein Star sein; es genügt, eine (ab)gehobene Position innezuhaben, um diverse folgenschwere, ja epochale Rechtsbrüche begehen zu können, ohne dafür belangt zu werden. Erst wenn die elitäre Parallelwelt sich ungemindert auf das Alltagsleben auswirkt, hofft man vergeblich, dass das nur TV-Entertainment war.

Lutz Muelbredt / 22.10.2016

Die Light-Version dieses Wahlkampfes hat sich ja vor einigen Jahren in Old Germany abgespielt. Um das damalige Wahlergebnis nicht vorwegzunehmen, hat man einen Nicht-Kandidaten aufgestellt, der mit seiner Kavallerie in die Schweiz einritt und anderen trumpschen Blödsinn erzählte. Dieser Mann sollte nicht gewinnen, er sorgte lediglich für einen programmatisch freien Wahlkampf mit hohem Ablenkungs- sorry, Unterhaltungswert. Da dieses Modell der Erfolgssicherung den Praxistest in einem entwickelten Industrieland (damals) bestand, hat man den Steinbrück, sorry, den Trump in Amerika ins Rennen geschickt. Der Sieg Hillarys steht also fest. Doch was, wenn nicht?

Detlef Dechant / 22.10.2016

Lieber Her Bonhorst, und vergessen Sie die Politiker nicht! Sie bleiben zwar nicht unbedingt auf ihren Posten, aber viele “normale” Menschen würden sich freuen, nach ähnlichen Vergehen genauso versorgt zu sein. Ja, Trump hat nur die Wahrheit gesagt und die Entrüstung in den Medien ist so gelogen, wenn ich sehe wer sich dort alles tummelt nach Skandalen, die jedem Normalo die Existenz geraubt hätte.

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