Wolfgang Röhl / 20.02.2008 / 10:25 / 0 / Seite ausdrucken

Dittsche zum Bürgermeister!

Ganz baff beobachten Hamburgs Christdemokraten seit Wochen, wie ihnen die Wähler abhanden kommen. Sah es vor einem Jahr noch so aus, als könne Bürgermeister Ole von Beust seine absolute Mehrheit bei den Wahlen zur Bürgerschaft am 24. Februar 2008 vielleicht wiederholen, so ist das längst Makulatur geworden. Von 47, 2 % in 2004 auf 39 % bei der letzten ARD-Umfrage - ein Sinkflug, der dem von Roland Kochs Hessen-CDU nahe kommt. Wahrscheinlich nicht einmal gemeinsam mit der FDP, käme diese nur knapp über die Fünfprozent-Hürde, hätte die CDU eine Mehrheit.

Dabei ist der Gegner, die Hamburger SPD, ein zerstrittener Haufen (zuletzt wegen einer Affäre, bei der massenhaft Stimmzettel für eine parteiinterne Wahl geklaut wurden, als sei´s ein Stück aus Weißrussland). Als SPD-Spitzenkandidaten erkoren die Genossen mangels Alternativen auf den letzten Drücker den arroganten Schöngeist, Ex-Verlagsmanager, Schröder-Buddy und beurlaubten „Zeit“-Mitherausgeber Michael Naumann. Der erwies sich in puncto Sozialkitsch als hoch begabt („Die Hamburger vor der Suppenküche – wie in der Weimarer Republik!“), erlitt aber bei seinem Schluss-Statement während des TV-Duells mit von Beust einen regelrechten Blackout.

Woher also rührt das sich abzeichnende CDU-Debakel?

Ein Fehler sei es gewesen, meinen manche, dass von Beust erst sehr spät in den Wahlkampf eingestiegen sei, in der fälschlichen Annahme, dass ein erneuter hoher Wahlsieg für ihn ein Selbstläufer sei. Anderen spekulieren, der allgemeine Linksruck in der Bundesrepublik und die populistischen Debatten um „soziale Gerechtigkeit“, Steuerhinterziehung und Managergehälter spielten automatisch auch den Elbe-Sozen in die Hände. Der Blick auf die Statistik zeigt freilich: die CDU in Hamburg, vier Jahrzehnte lang in der Opposition, war aus sich selbst heraus nie stark. Den singulären Glücksfall einer von 2004 bis 2008 absoluten Mehrheit verdankt sie ausschließlich einer Figur: dem bundesweit als „Richter Gnadenlos“ zum Ruhm und Ruch gekommenen Ronald Schill.

Zur Erinnerung: 2001 fuhr die CDU mit 26,2 % ein mageres Ergebnis ein (SPD: 36,5), konnte aber zusammen mit Schills Partei Rechtsstaatlicher Offensive (PRO) und der FDP die Koalition aus SPD und Grünen/GAL ablösen. Schill hatte die PRO mit einer Kampagne gegen die skandalösen Versäumnisse von Rot-Grün bei der inneren Sicherheit praktisch aus dem Stand auf über 19 % gehievt. Auch viele frühere SPD-Wähler hatten für ihn gestimmt. Der ehemalige Amtsrichter, erklärter Gegner von Kuschelpädagogik und Multikulti-Träumereien, machte die Stadt wenigstens gefühlt etwas sicherer, lief aber bald verbal aus dem Ruder und spielte sich höchst unhanseatisch als Partylöwe auf.

Dem Freiherren von Beust, an Petitessen wie Kriminalitätsbekämpfung ohnehin desinteressiert, wurde der Krawallbruder immer lästiger. Als bei Schill 2003 sämtliche Sicherungen durchknallten und er mit Enthüllungen aus von Beusts Privatleben drohte, setzte ihn sein größter Profiteur unter dem Jubel sämtlicher Medien Knall auf Fall vor die Tür. Ihren hohen Stimmenanteil bei der Wahl im nächsten Jahr verdankt die CDU zum entscheidenden Teil jenem „Befreiungsschlag“, den man ihm, der auf der Farm der political animals das Eichhörnchen gibt, nicht zugetraut hatte.

Der Bonus ist nun aufgebraucht. Und was macht von Beust? Lächelt mal huldvoll, mal kumpelhaft von Schwarzweißplakaten und möchte glauben machen, bei ihm sei Hamburg „in guten Händen“. Dieser Wahlkampfslogan der CDU bezieht sich auf die Tatsache, dass die Stadt wirtschaftlich boomt. Doch jeder hier weiß, dass sie ihre Blüte nicht Politikern verdankt, sondern einzig der Globalisierung und der Öffnung der Grenzen nach dem Kollaps der sozialistischen Regime. Man könnte derzeit auch Dittsche zum Bürgermeister machen, die Freie und Hansestadt Hamburg würde trotzdem brummen. Bei der Klimapanik macht von Beust fleißig mit; „Al Gore hat mir emotionalen Schwang gegeben.“

Gar keinen Schwung mehr hat die Bekämpfung der Gewaltkriminalität, die laut der jüngsten Statistik noch einmal angestiegen ist, von einem ohnehin sehr hohen Niveau aus. Teile der Stadt wie der Reeperbahn-Kiez sind zu No-go-Zonen verkommen, speziell für Menschen ohne Migrationshintergrund. Zwar hatte sich von Beust mit dem parteilosen Udo Nagel einen Innensenator an die Elbe geholt, der harter Hund galt, doch der Bürgermeister hielt ihn an kurzer Leine. Von Beusts Haltung zur frappierenden Gewaltbereitschaft junger Machos aus den üblichen Kulturkreisen ist kabarettreif :

„Gewalt muss entschieden entgegen getreten werden, egal, von wem sie ausgeht. Die andere Seite ist Integration, also jungen Leuten Hoffnung geben und ihnen Perspektiven aufzeigen. Das sage ich seit Jahren.“ (stern 7/2008)

Die FDP hat er als Koalitionspartner abgeschrieben. Sie dümpelt in den Prognosen um die 5 %. Stattdessen flirtet er die Hamburger Grünen an, die ihn aber offiziell abblitzen ließen. Ein Bündnis mit den Grünen - darauf beruht das ungewöhnlich große Interesse an dieser Wahl im Stadtstadt - soll von Beust im Auftrag der Berliner Zentrale mal antesten. Schwarz-Grün, ein ganz normales Ding unter „Demokraten“? Wahr ist, dass Hamburgs trutschige GAL nur wenige vormalige Extremisten vom Kaliber Jürgen Trittin in ihren Reihen hat, nur die üblichen Lehrer, Sozialpädagogen, Psychokasper, Liegeradfahrer, Fledermauszähler und Windkraftphantasten. Doch für Wirtschaft und Handel, die von grünen Bürokraten unvermeidlich schikaniert und behindert werden, sind Ökos an der Macht die Pest. Für die Sicherheit auf den Straßen sind sie die Cholera. Denn in den Disziplinen Kriminalität verharmlosen, Intensivtäter schützen, Abschiebungen vereiteln undsofort lässt sich auch die Hamburger Grünen-Truppe von keinem was vormachen.

Wenn es für von Beust am nächsten Sonntag eng wird, wie es alle Umfragen voraus sagen, dann hat er das potentiellen CDU-Wählern zu verdanken, die diesmal zu Hause bleiben werden. Warum auch sollten sie ins Wahllokal traben wollen, für einen wie ihn, dem man das Wort konservativ buchstabieren muss?

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