Henryk M. Broder / 02.09.2016 / 09:35 / 7 / Seite ausdrucken

Die Wetterfahne auf dem Dach der SPD

Stellen Sie sich bitte einmal Folgendes vor: Ihr Mann schnarcht, will sich aber nicht auf Apnoe untersuchen lassen. Ihre Frau verjubelt das Haushaltsgeld. Der Sohn hat keine Lust mehr auf Schule und die Tochter einen Freund, der mit Drogen handelt. Statt das Problem dort anzugehen, wo es seinen Ursprung hat, also in der Familie, bringen Sie es in der Hausversammlung zur Sprache. Sie sagen, Ihre Familie hätte Sie schwer enttäuscht, die Angehörigen wären allesamt Versager, so könnte es nicht weitergehen.

Würden Sie nicht machen, nicht wahr? Sie kämen sich dabei blöd vor. Und die anderen Bewohner des Hauses würden denken: Hat er/sie noch alle? Kann er/sie das nicht daheim erledigen?

Genau das ist am letzten Wochenende passiert. Sigmar Gabriel, Vorsitzender der SPD, Vizekanzler und Wirtschaftsminister im Kabinett von Angela Merkel, hat die Kanzlerin frontal angegriffen. Nicht zum ersten Mal, aber in einer bis dahin nicht gekannten Heftigkeit. Sie habe, sagte ihr Stellvertreter in einem Interview mit dem ZDF, in der Flüchtlingskrise versagt, immer nur „Wir schaffen das!“ gerufen, statt die Voraussetzungen dafür zu schaffen, „dass wir es auch hinkriegen“.

Nun wäre eine „Obergrenze für Integration“ vonnöten. Wenig später bekräftigte er die Vorwürfe in einer Pressekonferenz. Worauf Peter Tauber, der Generalsekretär der CDU, erwiderte, Gabriels Äußerungen wären „nicht nur eine bodenlose Unverschämtheit, sondern in der Sache auch noch falsch“.

Das war nicht nett, aber in der Sache richtig. Gabriel konnte sich wohl nicht erinnern, dass er vor einem Jahr mit einem „Refugees-Welcome“-Button am Revers auf der Regierungsbank neben der Kanzlerin gesessen hatte.

Dass er nie eine „Obergrenze für Integration“ gefordert und alle Entscheidungen der Regierung in der Flüchtlingskrise mitgetragen hatte. Man muss schon ein extrem poröses Gedächtnis haben, um sich dermaßen zu täuschen. Oder „die Menschen draußen im Lande“ für sehr dumm halten.

Gabriel hat keine Prinzipien, aber ein Gefühl dafür, woher der Wind weht. Er ist die Wetterfahne auf dem Dach der SPD. Und die bläht sich auf, wenn ein Sturm aufzieht.

Demnächst werden die Parlamente in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern neu gewählt.

Zuerst erschienen in der Züricher Weltwoche

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Leserpost

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Ralph H. Hoffmann-Odermat / 02.09.2016

Die SPD hat die Politik Merkels bedingungslos unterstützt. Sei es bei der Zuwanderung ohne Obergrenze und Kontrolle, bei der desaströs gescheiterten Energiewende oder bei den Rettungen der Banken, besser bekannt unter dem Decknamen Eurorettungen. Geradezu phantastisch ist aber, dass diese Partei nach den Prognosen immer noch 20 % der Stimmen bei der Bundestagswahl erhalten würde.

Richard Löwenherz / 02.09.2016

Sie haben völlig recht, Herr Broder “Gabriel hat keine Prinzipien, aber ein Gefühl dafür, woher der Wind weht.” Früher, Herr Broder, ach früher, also damals, 1989, als die Straßen im Osten mit reichlich Mut und Protest gepflastert waren, war man dem Treiben der Bonzen überdrüssig geworden und fegte sie weg. Das politische “Pack” ohne Prinzipien samt “Dunkeldeutschland” musste abtreten.  Doch ehe man sich versah, wuchs eine neue politische Spezies heran: Der Wendehals. Und soweit ich weiß, ist dieses Tier auf allen politischen Dächern heimisch geworden, leider.

Franck Royale / 02.09.2016

Da brauchen wir uns gar keine Fotos von letztem Jahr anschauen. Anfang diesen Jahres hat Gabriel der CSU vor der Winterklausur in Wildbad Kreuth noch Panikmache bei der Flüchtlingsobergrenze vorgeworfen: “Diese ständige Panikmache der CSU und ihr Überbietungswettbewerb bei unsinnigen und unwirksamen Vorschlägen zur Flüchtlingspolitik ist Wasser auf die Mühlen der AfD”, sagte er der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”.

Wolfgang Richter / 02.09.2016

Nach der in diesem Land seit längerem gültigen Maxime, praktiziert von der GroKo und ihren Hofberichterstattern, ist Populismus ein Rechts-Problem. Wenn Linke sich entsprechend verhalten, ist es Realpolitik, die sich nach den Erfordernissen des Momentes ausrichtet, im Moment gerade an den verheerenden Wahlaussichten bei den anstehenden beiden Landtagswahlen, bei denen die ehemaligen Volks- parteien ihr Waterloo erleben könnten. Oder auch in Richtung Bosporus, wenn man offenbar zur Besänftigung des Sultans höchst Regierungsamtlich beschlossen hat, die Armenienresolution des Bundestages zu negieren, nach dem Motto, das haben wir so nicht gemeint. Und das Parlament hat die Frechheit gehabt, ohne Billigung der Regierung entsprechend abzustimmen, nur weil deren Spitzenpersonal gerade nicht vor Ort war und die Abgeordneten zur Ordnung rufen konnten. Im übrigen hätten die Abgeordneten auch nicht verstanden, daß es deutsches Vorrecht ist, einen Genozid zu haben und diesen mit dem Scheckbuch zu heilen.

Wolfgang Riepe / 02.09.2016

Gabriel hat vor einem Jahr - damals lag die Schätzung noch bei 800000 Zuwanderern für 2015 - erklärt, Deutschland könne Jahr für Jahr (ohne irgendeine zeitliche Begrenzung!) 800000 Zuwanderer verkraften. Wir in Niedersachsen haben schon gewußt, weshalb wir diesen kraftmeierischen Nichtsnutz seinerzeit nach kurzer Amtszeit als niedersächsischen Ministerpräsidenten abgewählt haben.

Winfried Jäger / 02.09.2016

Die Realität holt sie ein, einen nach dem anderen. Was jetzt noch fehlt ist Sachkunde. Gabriel sollte wissen, daß Obergrenzen Blödsinn sind. Das Asylrecht kennt keine Obergrenzen. Das geltende Recht muß nur konsequent angewendet werden, dann endet die Migrationsflut, vorher nicht. Man mag zur AfD stehen wie man will, aber eines wünsche ich mir und diesem Land: Möge sie die stärkste Partei in MeckPomm werden. Dann könnte es eng werden für die Gabriels, Merkels und deren Sänftenträger.

Rainer Segen / 02.09.2016

365 Tage “Wie schaffen das” = 365 Tage Chaosmanagement der Grßen Koalition = 365 Chaostage.

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