Vera Lengsfeld / 25.01.2017 / 18:00 / 3 / Seite ausdrucken

Die verzweifelt dünne Personaldecke der SPD

Die SPD bietet seit Jahren ein Bild des Jammers, nun ist sie endgültig nur noch ein Häufchen Elend. Die Kanzlerkandidatenfrage hat mit brutaler Deutlichkeit klar gemacht, wie verzweifelt dünn die Personaldecke der einstmals stolzen Volkspartei ist. Seit Gerhard Schröder hat die Partei mehr als 10 Millionen Wählerstimmen verloren. Es besteht kaum Aussicht, sie wiederzugewinnen, weil sich die Partei, darin ganz postfaktisch, nicht mal eingestehen kann, dass es ihre Abkehr von der Politik Schröders ist, die sie schwächeln lässt. Noch-Parteichef Sigmar Gabriel, der gern ein zweiter Schröder geworden wäre, wurde von seinen Genossen ausgebremst. Sein erzwungenes Lavieren ließ ihn als Hampelmann der Nation erscheinen.

Ganz geheuer scheint Gabriel sein Verhalten selbst nicht zu sein, denn mit dem Verzicht auf die aussichtslose Kanzlerkandidatur meldete er seinen Anspruch auf das Außenministerium an, das demnächst von Steinmeier geräumt wird. Drastischer kann nicht vorgeführt werden, dass der Staat von den Parteien längst als ihre Verfügungsmasse betrachtet wird. Prestige ist auf diese Weise nicht zu gewinnen, denn die Außenpolitik wird längst von der Kanzlerin selbst gemacht, aber der neue Posten schützt vor der finalen Blamage.

Kanzlerkandidat wurde durch Zuruf Martin Schulz, der „starke Mann aus Europa“, das unter seiner maßgeblichen Beteiligung zu einem Gebilde wurde, das, wie er Henryk Broder und Hamed Abdel Samad in einem Interview gestand, der EU nicht beitreten könnte, weil es die Kriterien nicht erfüllt.

Angeblich soll Schulz beliebter sein als Merkel

Wochenlang hatten die Mainstream-Medien für seine Kandidatur getrommelt. Angeblich, so behaupten Umfragen, soll Schulz sogar beliebter sein als Merkel. Jetzt, da er gesetzt ist, scheinen die Medien an ihr Geschwätz von gestern selbst nicht mehr zu glauben. Die Kommentare sind mehr als verhalten. Auch die Politik reagiert distanziert. Frau Göring-Eckardt von den Grünen meldete in Deutschlandfunk am Tag nach der Schnellnominierung sogar deutliche Bedenken an. Vor allem bemängelte sie, dass Schulz nicht durch eine Urwahl gekürt wurde, wie es bei den Grünen für ihre Spitzenkandidaten der Fall war. Das war nicht als Realsatire gemeint von einer Frau, die zur Spitzenkandidatin durch eine Wahl wurde, bei der es ausdrücklich verboten war, zwei Männer anzukreuzen.

Was Schulz als Wahlkampfthema bieten will, wird abzuwarten sein. Für „mehr Gerechtigkeit“ streiten zu wollen, wird niemanden überzeugen. Es geht bereits der Spruch um: Wenn die CDU Sinn für Humor hätte, würde sie Elmar Brock, den ausgeschiedenen Europa-Abgeordneten gegen Schulz ins Rennen schicken. Am Ende kommt so oder so nur wieder eine Große Koalition heraus.

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Leserpost

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Peter Wahlermann / 26.01.2017

Trotz der aktuell verhaltenen Reaktionen: Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass sich die deutschen Medienschaffenden Martin Schulz noch ordentlich schönreden, irgendwann selbst dran glauben, dass er ein guter Kandidat sei, und am Ende dann alle total überrascht sind, dass Schulz selbst noch Steinmeiers 23% von 2009 unterboten haben wird.

Wolfgang Richter / 26.01.2017

Frei nach James Bond “die Welt ist nicht genug” verläßt der überzeugte Europäer Schulz seine von ihm dort einst verortete Politische Bühne, nachdem er gemeinsam mit Juncker die viel beschworene Europäische Idee und ihre angeblichen Werte voll an die Wand gefahren hat, um jetzt seine Fähigkeiten in den Dienst Germoneys zu stellen. Und er dürfte auch der genaue Gegenpol zum amtierenden US-Präsidenten sein, der geschworen hat, Sein Land, die USA, zu mehr Wohlstand und Sicherheit zu führen, wogegen das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung in Europa und Germoney eher nicht im politischen Trend liegt, sondern solidarisch möglichst weltweit zu verteilen ist, zu zahlen natürlich aus der Steuerschatulle der “Schon längern hier Lebenden”. Insofern liegen “die Raute” und Schulz politisch eher nah beieinander.

Florian Bode / 26.01.2017

Ein Bildungsabschluss, eine Promotion oder gar Habilitation machen jemanden nicht zu einem besseren oder klügeren Menschen. Er zeugt aber davon, dass sich der Betreffenden einer Herausforderung erfolgreich gestellt und innere, wie äußere Widerstände überwunden hat. Die Abiturientin Göring-E. und der Fachoberschüler Schulz zeigen hier gewisse Defizite. Dass Frau G-E im Warmen sitzt und Herr Schulz sich eine persönliche Karriere erwurstelt hat, sprechen nicht für deren Eigung zu höheren Staatsämtern.

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