Alexander Wendt / 06.11.2017 / 06:25 / Foto: Dirk Ingo Franke / 44 / Seite ausdrucken

Die tödliche Verwahrlosung der deutschen Hauptstadt

Es ist leicht, über Berlin zu schreiben. Der Autor geht ein paar Schritte, und ohne dass er die Situation überstrapazieren müsste, stößt er auf ein Sinnbild. In der Stadt mag das eine oder andere fehlen, verglichen mit anderen Städten. Aber an exemplarischen Stellen existiert ein Reichtum, der notfalls für 100 Jahre Bloggen reicht. Auf dem Bahnsteig der Station  Yorckstraße funktioniert der so genannte Fahrkartenentwerter nicht, ein Maschinchen, von dem Nahverkehrskunden in London oder Singapur nur träumen können.

Der Service erkennt das Problem, am nächsten Tag klebt ein Achtung Defekt-Aufkleber an dem Stempelautomaten. Wieder zwei Tage später hängt über dem Entwerter ein betriebsseitig angebrachter kondomartiger gelber Müllsack, der anzeigt: hier tut sich so schnell nichts. Sollte der zweite Ticketentwerter auch noch kaputtgehen, wird die S-Bahnstation wahrscheinlich Engelbert Lütke Daldrup  unterstellt, dem Chef der Berliner Flughafen GmbH und Verantwortlichen für die unmittelbar bevorstehende Terminankündigung der BER-Eröffnung.

Zum Verständnis des S-Bahnhofs Yorckstraße muss noch prototypisch für viele andere Verkehrsorte in Berlin hinzugefügt werden, dass sich Treppen und Durchgänge sehr oft im vollgepissten und vollgeschissenen Zustand befinden, allerdings bei weitem nicht so sehr wie die des U-Bahnhofs Yorckstraße, der sich wegen seiner dunklen dreckigen Wege exzellent zum Kreuztreten eignet.  

Mit dieser Art von Flaneurbeobachtungen konnte ein Teilzeitberliner mit Münchenhintergrund bis vor kurzem noch problemlos Seiten füllen. Seit einiger Zeit geht das nicht mehr, das heißt, es geht nicht mehr im Stil des Flaneurs. Die Verwahrlosung Berlins ist tödlich geworden. Vor einigen Wochen erwürgte Ilyas A., ein abgelehnter tschetschenischer Asylbewerber mit langer krimineller Karriere, die Kunsthistorikerin Susanne Fontaine, 60. Seine Beute: 50 Euro und ein Mobiltelefon. 

Raubmord 300 Meter vom Bahnhof Zoo

Zum Tatzeitpunkt war Ilyas A. volljährig, ihn schützte also auch der Status eines Minderjährigen nicht vor Abschiebung. Asylberechtigt war er sowieso nie. Die Berliner Behörden gaben Erklärungen ab, wie üblich in solchen Fällen. Bevor er 18 geworden sei, hätten sie ihn nicht außer Landes bringen können (doch, hätten sie, es wäre nur etwas Nachdruck nötig gewesen). Danach hätten sie ihn nicht finden können, um ihm die Ausweisungsverfügung zustellen zu können. Dass abzuschiebende Personen – auch Minderjährige – nach Paragraf 62 des Aufenthaltsgesetzes in Sicherheitshaft genommen werden können, auch gleich nach einer bis 2016 abgesessenen Strafhaft, dafür interessierte sich offenbar keiner in der Verwaltung eines Stadtstaates, dessen rotrotgrüne Regierung sich sowieso generell gegen Abschiebungen ausspricht. 

Der Witwer von Susanne Fontaine erzählte kürzlich dem "Tagesspiegel", er habe es aus den Medien und nicht von der Polizei erfahren, dass die Leiche seiner Frau nach drei Tagen gefunden wurde (übrigens nicht von der Polizei, die versichert hatte, alles abgesucht zu haben, sondern von einem Spaziergänger, der sich im Gebüsch erleichtern wollte). Der Raubmord geschah im Tiergarten, nur 300 Meter entfernt vom Bahnhof Zoo, also dem Zentrum des alten Westens.

Der Tiergartenabschnitt in der Nähe des Hardenbergplatzes gleicht einer Müllhalde, im verwilderten Gestrüpp liegen Drogenspritzen, Unrat; in dem ehemaligen Park kampieren Obdachlose, Leute wie Ilyas A. gehen hier auf Jagd. Nach dem Mord an Susanne Fontaine meldete sich der Wirt des "Schleusenkrug", der Gaststätte, in der die Kunsthistorikerin kurz vor ihrer Ermordung mit Freundinnen zusammengesessen hatte; er wies darauf hin, dass er das zuständige Grünflächenamt schon viele Male dringend gebeten hatte, das vermüllte, düstere Gelände wieder in Ordnung zu bringen, weil sich seine Gäste auf dem Weg unwohl und unsicher fühlten. Das Amt antwortete nach dem Mord, dem Wirt stehe es „natürlich frei, seine Meinung öffentlich zu äußern“. Aber die Behörde tue doch schon alles, was sie könne. 

Auf Buchungsplattformen sammeln sich Berlin-Warnungen

Neben dem großen gibt es noch den so genannten Kleinen Tiergarten in Moabit. Nach Einbruch der Dunkelheit befindet sich die Gegend fest in Hand von Dealern und revierkämpfenden Jungmännergruppen, etliche von ihnen gehören zur Kundschaft des Asylbewerberheims Turmstraße. Zurzeit liegt der Schnitt im Kleinen Tiergarten laut Polizeistatistik bei fünf Körperverletzungen pro Woche und drei Raubüberfällen im Monat. Auf Buchungsplattformen wie Expedia und hotels.com sammeln sich die Hinweise an Berlin-Reisende, dort nachts auf keinen Fall rauszugehen.  

Auch der Alexanderplatz erlebt eine Dauerbesetzung durch Männerrudel, die ihre Territorialkämpfe ausfechten. Gelegentlich gibt es dann größere Meldungen in den Lokalblättern, letztens beispielsweise, als etwa 30 Syrer und Afghanen (aka, so die "Berliner Zeitung": „größere Gruppen“) dort ihren gar nicht mehr so molekularen Bürgerkrieg mit Messern und abgebrochenen Flaschen führten, und ihnen ein 13jähriger Junge, wie die Polizei mitteilte, „zufällig zwischen die Fronten geriet“.

In der Nacht vom 1. zum 2. November 2017 sammelten sich an der Potsdamer/Ecke Pallasstraße rund 100 „Jugendliche und Erwachsene“ (BILD Berlin), um Passanten und Autos mit Böllern zu bewerfen. Die Polizei brauchte mehrere Stunden, um zumindest zwei von ihnen – vorübergehend, wie es hieß – festzunehmen. In der deutschen Hauptstadt sind solche Machtdemonstrationen und Clanauftritte inzwischen üblich. So, wie es üblich ist, dass Zuhälter minderjährige Mädchen aus Osteuropa auf dem Babystrich in der Kurfürstenstraße abstellen. Oder so, wie Bewohner vieler Viertel dazu übergegangen sind, ihren Sperrmüll und zuweilen auch Hausmüll  auf dem Gehweg zu lagern. Wo Regeln nicht mehr durchgesetzt werden, bilden sich eben neue Regeln heraus.

Unter diesen Umständen ist es schon fast verwunderlich, wie der Berliner Oberstaatsanwalt Ralph Knispel mit der Mitteilung überhaupt größere Wellen erzeugen konnte, dass in Berlin „ein funktionierendes Rechtssystem nicht mehr vorhanden ist“. Und zwar unter anderem deshalb. Das wirklich selbst in Berlin einigermaßen heftig debattierte Thema betrifft nämlich nicht die Justiz, sondern die Polizei, genauer, die Tatsache, dass an der Polizeiakademie der Stadt etliche Polizeischüler mit arabischem und türkischen Hintergrund lernen, von denen einige aus dem Umfeld krimineller Großfamilien stammen sollen. Bekannt wurde das Ganze, weil ein Ausbilder  sich beklagte, die angehenden Beamten führten sich im Klassenraum wie Straßengangster auf.

Um das zu belegen, fertigte er heimlich einen Tonmitschnitt an. Polizeipräsident Klaus Kandt erklärte daraufhin, es sei die Aufgabe der Akademie, „die Auszubildenden so zu sozialisieren, dass sie diszipliniert, höflich und wertschätzend miteinander umgehen“. Im Zuge der Berichterstattung erfuhren die Bürger außerdem, dass es für Polizeischüler auch einen Nachhilfeunterricht in Deutsch gebe, außerdem eine verpflichtende Deutschprüfung am Ende der Ausbildung. 

„Ist mir egal“ wurde längst verinnerlicht

Eine Polizeiakademie als Sozialisierungsanstalt für junge Männer, die Überprüfung ganz zum Schluss, ob sie überhaupt so weit Deutsch beherrschen, um vorher der Waffenkunde- und Rechtsausbildung gefolgt sein zu können – das überraschte sogar den einen oder anderen Mentalberliner, der den BVB-Song „Ist mir egal“ längst verinnerlicht hat. Bei dem Liedchen handelt es sich übrigens um eine Art inoffizielle Berlin-Hymne.

Es gibt die Stadt, und es gibt den politischen Apparat. Nirgendwo anders in Deutschland funktioniert die Trennung der beiden Sphären so perfekt. Berlins Justizsenator Dirk Behrendt, Grüne, zeigte Mitte Oktober, dass ihn einige Mord- und Straßenkampfnachrichten nicht aus der Spur bringen können, und gab auf seiner Webseite einen Terminhinweis auf die Veranstaltung „Auf nach Casablanca – Lebensrealitäten transgeschlechtlicher Menschen zwischen 1945 und 1980“.

Monika Herrmann, ebenfalls Grüne und Bezirksbürgermeisterin von Kreuzberg-Friedrichshain, überraschte mit der Vorstellung einer App, die es möglich macht, als sexistisch empfundene Werbung im öffentlichen Raum an ein Art Flensburg-Amt für Hautsünder zu melden. Sawsan Chebli, Berliner Staatssekretärin für Internationales, teilte kürzlich Jan Böhmermann im Fernsehen mit, sie halte den Regierenden Bürgermeister Michael Müller für einen „coolen Typen“. Im übrigen sind sich die Koalitionspartner der Stadtregierung einig, dass es auf keinen Fall ständige Videoüberwachung im Tiergarten und anderswo geben soll.  Schließlich geht es dort nicht um sexistische Plakate.

Außerdem pocht der Senat zur Vermeidung von Koalitionsstreitigkeiten nicht auf Abschiebungen krimineller Asylbewerber, sondern „setzt auf freiwillige Rückkehr“. „Auf nach Casablanca“ gilt eben nur auf freiwilliger Basis, und, siehe oben, ohnehin nur für Lebensrealitäten bis 1980. Über alldem schwebt die Ermahnung der Lokalpolitiker an irgendwie alle (also auch Ilyas A.), bunt und weltoffen zu bleiben. 

Eine Mischung aus innerem Notstand und Naturkatastrophe

Für derartige Fälle – dass nämlich eine Landesregierung nicht in der Lage und vor allem nicht willens ist, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten -, wurden eigentlich die Notstandsgesetze erfunden, zumindest ihre Abschnitte "Innerer Notstand" und  "Naturkatastrophen", die perfekt passen, da es sich im Fall Berlins um eine Mischung aus beidem handelt. Die Bundesregierung könnte zumindest die im Regelfall anderswo sozialisierte Bundespolizei in den Kleinen Tiergarten schicken, der Bundesinnenminister könnte die Abschiebung abgelehnte Asylbewerber nach Paragraf 58a Aufenthaltsgesetz an sich ziehen, wenn sich Landesbehörden nicht aufraffen. Auch das passiert selbstredend nicht.

Es ist faszinierend, zu sehen, wie Angela Merkel und ihre Bediensteten über einen Marshallplan für Afrika nachdenken, während die zuständigen staatlichen Stellen nicht einmal kleinste Areale sicherheitstechnisch in den Griff bekommen, die selbst unter Umständen des Berliner Baustellenumfahrungsverkehrs nur 30 Autominuten vom Kanzlerinnenschreibtisch entfernt liegen. 

In der heimeligen Hauptstadt kleben in diesem Herbst viele Plakate, finanziert vom Bundesfamilienministerium, entworfen von "Scholz & Friends", die Bürger im Kumpelton auffordern, bei der Demokratie mitzumachen und überhaupt gemeinwesenstabilisierend tätig zu werden. An Litfaßsäulen heißt es etwa: „Dies ist keine Säule der Gesellschaft. Aber du kannst eine sein.“ Da Justizsenator, Polizeipräsident und Grünflächenamt in Berlin keine sein wollen, musst du sogar. 

Sollte ich als Neuberliner irgendwann zu diesem Säulendienst eingezogen werden, gebe ich einen leicht veränderten Satz von Karl Kraus zu Protokoll: „Von einer zivilisierten Stadt erwarte ich öffentliche Sicherheit, saubere Bahnhöfe, gute Straßen und kompetente Beamte. Bunt und weltoffen bin ich selbst.“ 

Dieser Text erschien zuerst in dem neuen Online-Magazin Publico www.publicomag.com, das von Alexander Wendt als Medium für Gesellschaftskritik gegründet wurde.

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Andreas Stadler / 07.11.2017

2012 besuchte ich in Berlin für ein Jahr eine Schauspielschule, die in Kreuzberg in der Ritterstraße liegt, Ausstieg U8 Kottbusser Tor oder U8 Moritzplatz. Die beschriebenen Szenen sind dort ebenso vertreten. Der Zustand der Straße dort ist eine Zumutung, ja, die ganze Stadt. Ich lebte zwar im einigermaßen ruhigen Britz, aber jede Fahrt in die Innenstadt war ein Wagnis. Gott sei Dank lebe ich nun wieder in Hamburg und Kiel. Doch diese Städte werden es wohl bald Berlin nachmachen, es gibt bereits unübersehbare Anzeichen. Jeder aufmerksame Fahrgast Auch wenn sie einen nicht immer gleich physisch umhauen, so stinken sie einem doch wenigstens als Warnung entgegen. In solchen Momenten frage ich mich, welches Land Frau Merkel eigentlich meint, wenn sie sagt “ein Land, in dem wir gut und gerne leben.”

Steffen Lindner / 06.11.2017

Die Wahlergebnisse der letzten Bundestagswahl zeigen in den sozialen Brennpunkten eine deutliche Dominanz von Rot-Rot-Grün. Die Situation der Stadt ist eine Blaupause für das, was in den nächsten zwanzig Jahren auf ganz Deutschland zukommt…

D. Kreutel / 06.11.2017

Als Bürger, der genau in den von Autor Wendt beschriebenenen Vierteln wohnt (und sich derzeit beruflich so verändern wird, daß er nicht nur dem Bezirk Tiergarten, sondern generell Berlin den Rücken für immer kehrt) kann ich dieser gut protokollierten Anamnese kapitaler Verwahlosung bestätigend zustimmen. Es ist wichtig heraus zu stellen, daß es sich hierbei nur um die Auflistung größerer Schlagzeilen der letzten 2 Wochen handelt. Wobei ander Berliner Bezirke wie Neukölln, Wedding, Spandau etc. hier noch gar nicht in diesem Zeitfenster gespiegelt worden sind. Was wahrscheinlich den Rahmen sprengen würde. Allerdings reicht der Hinweis, daß dies der Zustandsbericht von einem Radius von maximal 30 Minuten rings um das Kanzleramt handelt. Korrekt. Ich habe großelterlicherseits Berliner Familie und bin nach längerem Aufenthalt in Süddeutschland vor genau einem Jahr nach Belrin zurück gekehrt, um ein attraktives berufliches Angebot wahrzunehmen. Meine Frau, selbst keine Deutsche, löste deswegen sogar ihren sichren Arbeitsplatz in München auf, um für den Neustart an meiner Seite zu sein. Nach einem Jahr in der Hauptstadt sehen wir die Rückkehr nach Berlin als kolossalen Fehler an. Wobei der gesammelte Stoff alltäglicher Gefährnisse locker den Plot für mehrere Kriminalromane gebe, immerhin etwas. Es ist, mitten in Moabit, dem neuen “Szene - Kiez”, genau so, wie es der Autor beschreibt: Abends kriegt man kein Auge zu wegen grölender Horden vor und ausgelassener Partys hinter der Haustür. Sperrmüll wird gar nicht mehr auf die Straße gestellt, weil diese schon vollgestellt ist, da bleibt der Müll gleich im Treppenhaus. Ist auch einfacher. Dadurch verengt sich auch der Raum für die Partygäste, die ihren oralen Auswurf denn auch gleich ebenfalls im Treppenhaus entsorgen. Der Postbote läßt die Post dann auch gleich hinter der Tür, mit dem Kommentar, daß er 2noch keine Gummistiefel trüge und im Auswurf nicht ausrutschen wolle”. Die WG unten links, von der keiner weiß, wovon sie sich ernährt,dampft derweil den Hinterhof dermaßen mit Cannabisschwaden zu, daß wir uns auf den strengen Winter freuen, weil dann die Fenster geschlossen bleiben. Auf dem Weg zur Arbeit wird man dann von harten Vertetern einer nahöstlich - monotheistischen Religionsgemeinschaft darauf hingewiesen, “daß das unsere Straße sei und hier keine Hunde, Alta”. Gegenargumentation wurde mit Hilfe von Stahlschloß und Fahradkette sowie Schlagring schnell unterbunden. Werktags, 11.ooh vormittags, wohlgemerkt Auf Freizeit abends verzichten wir, seitdem praktisch jeder 2. U Bahn - Besuch entweder von SEK - Einsätzen verzögert wurde oder, noch schlimmer, Schlägereien und Übergriffe auf Frauen durch Jungmännergruppen erst gar keine Polizei aufkommen ließen. Vom Müll auf den Straßen, lauter Spritzen auf dem vor einem Jahr völlig umsonst renovierten Kinderspielplatz und fäkalierenden, ähm, Jungmännern des abends in den Lehrgarten der Grundschule nahbei (!) will ich gar nicht mehr reden. Alltag. Meine Frau eskortiere ich spätestens abends immer mit dem Auto. Was zu Lasten meiner Freizeit geht, da sich praktisch keine Parkplätze finden lassen. Dafür am nächsten Tag demolierte Rückspiegel, Kratzer oder einfach nur Bierflaschen auf dem Autodach durch Partygäste der vielen Hostels im Bezirk. Letzten Winter erschnüffelte mein Hund eine Tote auf der Parkbank, vor der ein paar Kinder spielten. Erforen. Hat keinen groß gestört. Ein Nachbar rief dann doch die Polizei. Schließlich war es kurz vorm Frühling und dann taut alles wieder auf, Der einzige Bäcker in der Nähe wurde zum x-ten Mal überfallen. Brot wird also nur noch beim ReWE an der Ecke gekauft, Die dortigen Studentinnen, die an der Kasse schwitzen, haben in ihrer Facebook Timeline vermutlich den 15.000sten “Me Too” Eintrag gepostet, da sie stets und dauernd von - wieder mal - Jungmännergruppen an der Kasse angepfiffen, bejohlt und begrapscht werden. Die Security schaut aus Angst weg, im besten Falle lassen sie nur etwas Diebesgut mitgehen, Ein paar brave, alte Esel wie ich schlendern dann doch mit der Geldbörse zum “Cash -Terminal”, um ihre Waren zu bezahlen. Auf ein “Danke sehr” und “Schönen Feierabend” schauen sie plötzlich dankbar wie verängstigte Welpen, die aus einem Tierheim gerettet werden. Ich könnte jetzt noch locker, 7 - 8 Seiten ohne großes Nachdenken oder Erinnern an dieser Stelle mit Erlebnissen zwischen Bundesratsufer und Siemensstraße, zwischen S Bellevue und U9 Turmstraße füllen, aber das erspare ich Ihnen. Das Fazit aus all dem heißt Staatsversagen und unsere Konsequenz lautet “Weg hier”, ab in das - auch nicht mehr ganz so sichere, aber immerhin doch noch etwas sauberere Süddeutschland.  Ich verzichte dankend auf den eigentlich perspektivisch guten Job und unsere 1.200,- € 3ZKB Wohnung (Ja, wir wohnen in einem renovierten und relativ hochpreisigen Gebäude) und ziehe für das gleiche Geld lieber in ein Zimmer weniger nach Stuttgart, München oder Ulm. Berlin? Würden meine Großeltern nicht wieder erkennen. Ich auch nicht mehr.

Zdenek WAGNER / 06.11.2017

Und sie hat weitere vier Jahre Zeit um das Debakel zu vollenden. Mir graust es vor der Zukunft!

Jürgen Grandeit / 06.11.2017

Trefflich analysiert und auf den Punkt gebracht. Solange Politiker in ihren gepanzerten Limousinen durch Berlin fahren und das hierdurch erzeugte sichere Gefühl genießen wird sich an den Verhältnissen auch nichts ändern!

Detlef Rogge / 06.11.2017

Derartige Artikel zum Zustand Berlins habe ich schon dutzendweise gelesen. „Kalter Kaffee“ würde der Berliner sagen. Die Bevölkerung bekommt serviert, was sie bei der letzten Wahl bestellt hat. Erst wenn auch der letzte Ignorant und Gutmensch Erfahrungen mit der Realität gemacht hat, könnten Zweifel an eigener Weltsicht einsetzen. Bis dahin feiert Guido Westerwelles apodiktisches Urteil von der „spätrömischen Dekadenz“ Triumphe.

Heiko Stadler / 06.11.2017

Allen verantwortlichen Politikern in Berlin sollten die gepanzerten Dienstwagen weggenommen werden und sie sollten gezwungen werden, alle Erledigungen in Berlin zu Fuß oder mit der U-Bahn zu machen.

Patrick Kaufhold / 06.11.2017

Da sollten sich die Berliner zuerst eine andere Regierung wählen aber dazu sind die meisten wohl schon zu abgestumpft ob ihrer Toleranzbesoffenheit. Und es interessiert einen ja nicht, wenn man nicht selbst betroffen ist. Traurig…

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