In der Diktion der deutschen Öffentlichkeit ist Erika Steinbach eine Person, die polarisiert. Das aber wird in einem Land des sprichwörtlichen Konsenses, wie Deutschland es ist, nicht gerne gesehen. Interessant bleibt auch die Beobachtung, das die Bundesvorsitzende der Vertriebenen nicht etwa durch irgendwelche radikalen Ansichten unangenehm auffällt, sondern durch ihre Bemühungen die BdV-Positionen der Mitte anzunähern.
Ihr Lieblingsprojekt, mit dem sie die Öffentlichkeit in Deutschland seit Jahren mehr nervt als begeistert, das Zentrum gegen Vertreibung, soll schließlich alles beinhalten, was sich zu dem Thema in Mitteleuropa historisch zusammentragen lässt.
Gerade darin besteht aber das Problem, nämlich in der allseits befürchteten Umverteilung von Schuld und Unschuld. Erika Steinbach hat lange versucht, das Projekt öffentlichkeitswirksam zu präsentieren, sie hat in Ralph Giordano zeitweise einen unverdächtigen Befürworter gewinnen können und mit dem verstorbenen Peter Glotz einen prominenten Mitstreiter sudetendeutscher Herkunft aus der SPD.
Aber je mehr konventionellen Glanz man der Idee verpasste, umso verdächtiger erschien sie denen, die das Thema ohnehin unter Generalverdacht stehen sehen. Diese beschwören immer wieder ein Nachkriegsklima herauf, das es so längst nicht mehr gibt. Polen, dessen Brüskierung durch die Aktivitäten der Vertriebenen regelmäßig befürchtet wird, lebt in sicheren völkerrechtlich anerkannten Grenzen, es teilt mit dem vereinigten Deutschland die Mitgliedschaft in der EU.
Trotzdem wird in beiden Ländern mit dem Thema weiterhin Innenpolitik gemacht. In Deutschland, wo die Vertreibungsproblematik de facto gelöst und weitgehend vergessen ist, eher am Rande, meistens als Wahlkampf-Zutat. In Polen hingegen, nicht zuletzt angesichts des Unvermögens der politischen Klasse das Land effizient zu verwalten, schlagen die entsprechenden Debatten regelmäßig hohe Wellen. Man bezichtigt sich dort mit Vorliebe gegenseitig des fehlenden Patriotismus. Wer in der polnischen Öffentlichkeit den Gegner schlagen will, braucht offenbar immer noch ein deutsches Feindbild dazu. Als wären die Ordensritter im Lande unterwegs, und nicht die Investoren.
Erika Steinbach erwies sich als die ideale Feindbild-Personifikation. Wenn es sie nicht gebe, müsste sie die polnische Öffentlichkeit für sich erfinden. Die jüngste Personalie, die dieser Tage in Polen für heftige Auseinandersetzungen zwischen den politischen Lagern sorgte, war die eventuelle Berufung von Frau Steinbach in den Stiftungsrat des Zentrums gegen Vertreibung.
Stiftungsrat? Ja, richtig, es ist ein bisschen wie mit den Autobahnen Polens. Man befindet sich immer noch bei den Präliminarien. Am Ort des realen Geschehens, im Deutschland-Haus in Berlin-Kreuzberg, ist von dem musealen Aufbruch noch keine Spur zu sehen.
Die Endlos-Debatte um das Zentrum ist nebenbei auch ein Exempel für die Tatsache, dass es keine gemeinsame europäische Mainstream -Geschichtsschreibung geben kann, weil es eine solche Geschichte nie gegeben hat.
Es ist eines der großen politischen Missverständnisse, dass man meint, man müsse alles in Einklang bringen. Man kann in Polen durchaus der deutschen Schreckensherrschaft während des Zweiten Weltkriegs gedenken und in Deutschland der größten Vertreibung in der Geschichte, ohne dass deshalb gleich die polnische Post in Gefahr käme. Manches muss man wohl getrennt lassen, sonst verwischen sich die Konturen. Nicht zuletzt die der Täter und der Opfer.