Bernhard Lassahn / 18.01.2010 / 21:01 / 0 / Seite ausdrucken

Die Vergleiche hinken

Wenn man mal vergleicht, wie unterschiedlich mit dem „Vergleichen“ umgegangen wird, kommt man schon ins Grübeln: Ach, es ist auch nicht mehr so, wie es schon früher nicht war. Nein, im Ernst. Ich frage mich: Wie „vergleichen“ wir eigentlich? Man sagt ja gerne, dass „die Vergleiche hinken“. Ich würde sogar sagen: Die Vergleiche hinken wie ein Ball.

Vergleichen könnte heißen, dass man zwei Dinge nebeneinander legt, um dann Gemeinsam-keiten und Unterschiede (von denen es stets mehr gibt) besser zu verstehen. Doch was haben wir stattdessen? Das Gegenteil. Da werden zwei Dinge auf Teufel-komm-raus gleich ge-macht, so dass man weder Unterschiede noch Gemeinsamkeiten richtig erkennt.

So wird das Zeichnen der dänischen Karikaturen „verglichen“ mit den gewalttätigen Reaktio-nen darauf. Wenn Günther Grass (schon vor dem neuerlichen Anschlag) von einer „funda-mentalistische Antwort auf eine fundamentalistische Tat“ spricht, deutet er, um überhaupt einen Gleichstand zu erreichen, das Zeichnen von Cartoons als fundamentalistische Tat um. Eugen Röttinger (nach dem Anschlag) macht es ebenso: „Für ihn (gemeint ist der Zeichner Kurt Westergaard) sponsort pauschal der Islam den Terror“. Damit macht Röttinger seine eigene (ich würde sagen, fundamentalistische) Interpretation zur allein gültigen Aussage der Bilder, die man auch anders sehen kann; nämlich so, dass damit dargestellt wird, dass es Ter-ror im Namen Mohameds gibt. Das wirft allerdings die Frage auf, wer hier pauschalisiert: Der Terrorist, der seine Tat im Namen Mohameds begeht, oder derjenige, der ihn darstellt?

Egal. Hier wird mit großem Holzhammer alles gleichgemacht – jedoch nicht ganz! Es gibt doch noch feine Unterschiede. Röttinger weiter: „Er (wieder ist Westergaard gemeint) ist mindestens so verblendet wie sein Attentäter. Deshalb sind beide gefährlich.“ Er sieht also kein echtes Unentschieden von einem Gleich-gegen-gleich, der Zeichner schneidet durch das kleine Wörtchen „mindestens“ noch ein bisschen schlechter ab als sein Attentäter; Wester-gaard verliert nach dieser Wertung - wenn auch nur knapp - nach Punkten.

Riskieren wir mal einen anderen Vergleich, um die „fundamentalistische Antwort“ besser zu verstehen. Vergleichen wir die dänischen Karikaturen
http://www.youtube.com/watch?v=M_ycJgcPy0c&feature=related
mit einem Video zum Thema ‚Jesus is God (1/3)’. Hier dazu der link. Aber ...

Achtung! Es dauert etwa 9 Minuten und wird den überforderten Intellektuellen der westlichen Welt vermutlich langweilen. Womöglich werden viele den Charme der Moderatorin gewöh-nungsbedürftig finden: Es geht um die Frage, ob Jesus ein Mensch ist (eine Frage, an der sich auch die koptischen Christen von der orthodoxen unterscheiden), und es geht in dem Zusam-menhang darum, ob Gott sich in einem Menschen manifestieren kann (oder in einem Berg oder Baum, wie es die Muslime sehen). Diese Frage wird, um es schon zu verraten, nicht ab-schließend beantwortet. Wer es genauer wissen will, kann sich noch weitere Folgen angu-cken; es gibt noch mehr von Referent Father Zakaria (auch in der Schriebweise Zakariya Botros oder Boutros), auch zum Thema Steinigung, falls einen das eher interessiert. Dieser Clip ist jedoch – so versichert es mir mein ägyptischer Freund – eines seiner wichtigsten Vi-deobotschaften, die den Dissens von Christen und Muslimen im Kern berührt. Also:
http://www.youtube.com/watch?v=rBCEnHOn1gI

Wieso kann man das vergleichen? Wo liegt da der Berührungspunkt? Vergleichbar werden Zakaria und Westergaard durch den Hass, den sie hervorrufen. Als Belohnung für die Ermor-dung von Zakaria sind ebenfalls - und das schon seit 8 Jahren - eine Million Dollar ausgesetzt. Er lebt im Ausland. Wie ernst die Bedrohung gemeint ist, konnte er daran sehen, dass sein Bruder umgebracht wurde.

In einem Video, in dem er zehn Forderungen zusammenfasst, wirkt er etwas kämpferischer als in unserem Beispiel. Da kann man schon eher „verstehen“, was ihn so unbeliebt macht, um es gelinde auszudrücken. Doch wenn wir das erste Video gesehen haben, verstehen wir wiederum seine erste Forderung besser, bei der er die Frage nach der Göttlichkeit und Menschlichkeit von Jesus anspricht. Auch seine Forderung nach Streichung von einigen Su-ren - was womöglich als Anmaßung daherkommt - wirkt anders, wenn wir vorher seinen Bei-trag sehen zur Frage, wie sich bisher die Suren im Koran geändert haben. Also, diesmal deutsch:
http://www.youtube.com/watch?v=wz0vJkJQB6k&feature=related

Zurück zu Röttinger und seinem, wie ich finde, apodiktischen Ton: „Die Karikaturen wurden damals in Europa als das bezeichnet, was sie waren: verhöhnend und miserabel.“ Waren sie so oder wurden sie so bezeichnet? Vergleichen wir selber und behalten dabei die Wertungen „verhöhnend“ und „miserabel“ im Hinterkopf. Hier kommt als Antwort auf Zakaria ein kurz-weiliges, mit Musik unterlegtes Video, das sich in karikierender Art mit ihm auseinandersetzt.
http://www.youtube.com/watch?v=__2ADYSVgdQ&feature=related

Nun will ich nicht denselben Fehler machen und so tun, als wäre dies die einzige und allein gültige Äußerung zu diesem Thema. Es geht auch anders. Vergleichen wir weiter. Das nächs-te Video zeigt Schönheit und Unschuld, und auch hier geht es um die Bedeutung von Jesus und um genau die Frage, die in der ersten Forderung von Zakaria angesprochen wurde. Aber wie ich schon sagte: die Vergleiche hinken irgendwie. Dies ist jedenfalls the „Real Muslim Response to Cartoons“
http://www.youtube.com/watch?v=FJylOTbWLVE&feature=related

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