„Reicht die Rente morgen noch zum Leben“, fragte Maybritt Illner. Nach der Sendung sind wir kein Stück schlauer. Dafür haben wir viele Phrasen gehört, die seit Jahren rituell abgespult werden, wenn es um die Altersversorgung in unserem geburtenarmen Land geht.
Unter den Gästen, der 69jährige Rentner Walter Bromberger. Er diente als Kronzeuge für die systematisch organisierte Altersarmut in Deutschland und verlangte, dass alle Deutschen in das heute praktizierte Umlagesystem einzahlen müssen – Beamte, Selbstständige und Unternehmer. Während in einer journalistisch aufbereiteten Sendung Herr Bromberger eingeführt würde, warum er befragt und als Beispiel ausgesucht wurde, blieb er bei Maybritt Illner ein Fremder. Weder erfuhr der Zuschauer, wie viel Rente er bekommt, wie lange er was gearbeitet hat und warum er ein Experte sein soll. Also die 6 „W-Fragen“, die angehende Journalisten in den ersten Tagen ihrer Ausbildung lernen, wurden nicht gestellt. Rentner Bromberger diente demnach als Stichwortgeber für Emotionen, wie sie Unterhaltungssendungen halt benutzen.
Vor allem über die Privilegien der Beamten wurde dann heftig gestritten. Mit von der Partie war Klaus Dauderstädt, der Chef des Beamtenbundes, der die deutlich höheren Pensionen im Vergleich mit den Renten damit verteidigte, dass Beamte besser ausgebildet seien. Ein tolles Argument. Da halfen auch die Zahlenbeispiele des Fachbuchauturs Holger Balodis nichts. Seinem Argument, dass die Privilegien vor allem dem Gesetzgeber zu verdanken sind, weil die in den Ministerien tätige Beamtenschaft jede Reform verhindere, widersprachen Michael Fuchs, CDU und Manuela Schwesig, SPD, die für ihre Parteien das Wohlwollen der Beamten nicht verspielen wollten. Wie aber die rund 1 Billion Euro Pensionsansprüche der Beamten bis 2050 aufgebracht sollen, wussten sie auch nicht. Damit blieb der Zuschauer allein gelassen.
Da sich die Moderatorin nur in den abgedroschenen Argumenten bewegte, die auf Gleichheit und Umverteilung basieren, blieb die Information unerwähnt, dass die Übernahme der Beamten in das heutige Rentensystem den endgültigen Kollaps bedeutet. Beamte haben nämlich eine viel längere Lebenserwartung als andere Arbeitnehmer und würden damit die Umlagekosten massiv in die Höhe treiben.
Auch Katharina Nocum, die neue politische Geschäftsführerin der Piraten wurde vorgestellt. Ihre Lösung: Höhere Rentenbeiträge heute, damit sie im Alter vielleicht doch noch eine auskömmliche Absicherung habe. Da wurde wieder die Generationengerechtigkeit strapaziert. Kein Wort darüber, dass Kinderlose den Generationenvertrag ohne Nachteile kündigen, dass der Anteil der Erwerbstätigkeit am Lebenszyklus sinkt und schon heute im Durchschnitt jeder Einwohner den Staat, also die Gesellschaft mehr kostet, als er erwirtschaftet. Ein Versuch, die Lebensarbeitszeit durch die Verkürzung der Schulzeit auf 12 Jahre bis zum Abitur zu verlängern ist gerade gescheitert. Das kann in Deutschland der Jugend ja nicht zugemutet werden. So ist Frau Nocum schon mitten in der Politik angekommen: Andere belasten, um sich selbst zu schonen.
Einig waren sich alle bis auf CDU-Mitglied Michael Fuchs, dass die Riester-Rente, also die Förderung eines durch Kapital gedeckten Anteils an der Altersversorgung ein Fehler war. Zurück zur reinen Umlagefinanzierung und rauf auf ein Beitragsniveau von 26 % war für die meisten in der Runde die Lösung. Da schimmerte sie wieder durch, die deutsche Staatsgläubigkeit, die Wunder verbringen kann. Der Berg der geburtenstarken Jahrgänge bis 1966 scheidet erst in zirka 20 Jahren aus dem Arbeitsleben aus. Dann fehlen pro Jahr bis zu 600 000 potentielle Arbeitskräfte. Die demographischen Probleme fangen heute erst in den Kindergärten und Grundschulen an, bei den Renten werden sie erst in einigen Jahren so richtig zuschlagen. Davon ist in der Sendung nur der allgemeine Hinweis zu hören, dass wir die Einwanderung fördern müssen. Das ist auch wieder Bestandteil der politisch korrekten Debatte und wird deshalb von der Moderatorin nicht aufgegriffen. Kennt sie die Zahlen nicht?
Um das heutige Durchschnittsalter bis 2040 zu halten, brauchen wir 181 Millionen Einwanderer. Das hat der Bevölkerungswissenschaftler Prof. Herwig Birg schon vor 15 Jahren genau vorgerechnet. Diese Zahl ist so brutal, dass sie einfach verdrängt wird. Aber sie ist logisch: auch Einwanderer werden alt und weil sie erst ab dem 20. Lebensjahr kommen, altern sie umso schneller. Und Einwanderung verhindert dass Arbeitskräfte knapp werden und damit die Einkommen steigen. Das war aber auch wieder Konsens in der Runde: Wir brauchen kräftige Lohnsteigerungen damit die Renten wieder steigen. Die Piratin beklagte, dass für ihre Generation nur unbezahlte Praktikas und kurzfristige Arbeitsverträge angeboten werden. Dadurch entstehe keine Erwerbsbiografie für eine Rente. Da hat sie Recht. Aber durch zusätzliche Einwanderer wird das nicht besser – das fehlte völlig in der Sendung.
Höhere Löhne als Lösung waren auch die Stichworte für die ausgeleierten Sprechblasen von Manuela Schwesig, die jüngere SPD-Ausgabe von Ursula von der Leyen. Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde, guter Lohn für gute Arbeit, 850 Euro Mindestrente für jeden – also Gerechtigkeit und Gleichheit. Zwar wurde ihr in der Sendung vorgerechnet, dass der Mindestlohn 12,50 € betragen müsste, um auf ein Rentenniveau eines Hartz IV-Empfängers zu kommen, aber das hindert sie nicht daran, die für den Wahlkampf ausgegeben Parolen immer wieder gebetsmühlenhaft daher zu sagen. Das ist schließlich ihre Rolle in den Talkshows – wie schon gesagt: Die sind nicht für journalistisch aufbereitete Inhalte zuständig.
Eine Frage aber wurde überhaupt nicht diskutiert – dabei ist sie die wichtigste für die Finanzierung des Alters: Was soll ein junger Mensch heute unternehmen, wenn es keinen Sinn mehr macht, zu sparen - wenn die Zinsen, die er bekommt, niedriger sind als die Inflation? Wenn eine Lebensversicherung weniger auszahlt, als der Sparer einzahlt - wenn Betriebsrenten und beruflich organisierte Versorgungswerke keine Rendite mehr erwirtschaften? Aber das musste auch gar nicht diskutiert werden. Die Runde war sich weitgehend einig, dass sie sich dem Staat, der mit seiner Finanz – und Währungspolitik die schleichende Enteignung des „kleinen“ Sparers zu verantworten hat, auch für ihr Alter wieder anvertrauen. Dass diese Staatsgläubigkeit nicht gestört wurde, garantierten die von Maybritt Illner eingeladenen.