Henryk M. Broder / 15.05.2018 / 12:00 / Foto: Bundesarchiv / 34 / Seite ausdrucken

Die Tagesschau übt schon mal den Kopfstand

Vielen Lesern der Achse hat mein kleiner Notenwechsel mit dem HR ordentlich Spaß gemacht. Es gibt jetzt eine Fortsetzung, diesmal mit dem Chef der Tagesschau über die Frage, warum eine Reporterin des BR, die aus Teheran berichtet, vor der Kamera ein Kopftuch trägt. Schauen Sie bitte:

Lieber Herr Gniffke,

Ihre Korrespondentin in Teheran trägt ein Kopftuch, wenn sie einen Bericht für die Tagesschau oder die Tagesthemen aufnimmt. Ich habe im Prinzip nichts dagegen, würde aber gerne wissen, warum Ihre Kollegen, die in Israel arbeiten, keine Kippa tragen, und die Mitarbeiter, die in Italien tätig sind, kein Kruzifix.

Für eine ernst gemeinte Antwort wäre ich ihnen sehr verbunden.

Beste Grüße aus dem Altmühltal

ihr hb

Lieber Herr Broder, 

die Antwort ist ebenso einfach wie ernst gemeint: Die Kolleginnen in Israel und in Italien tragen die genannten Gegenstände bei ihren Auftritten nicht, weil dies in diesen Ländern nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Das ist der Unterschied zu Iran. 

Herzliche Grüße von der Elbe an die Altmühl
Dr. Kai Gniffke
Erster Chefredakteur

lieber herr gniffke,

danke für die schnelle antwort.

das gesetz würde ich gerne mal sehen. es kann auch eine farsi-version sein, ich habe freunde, die es lesen und übersetzen können. sind sie sich sicher, dass das "gesetz" auch für auslandskorrespondentinnen gilt, die im iranischen TV nicht zu sehen sind?und falls es in irgendeinem land ein ein gesetz gäbe, das die mitarbeiter ausländischer sender verpflichtet, ihre ansagen im kopfstand zu machen, würden sie sich auch daran halten? 

grüß gott aus bayern

ihr hb

Lieber Herr Broder

selbstverständlich würden sich unsere Korrespondenten an das Kopfstand-Gesetz halten. Aber zurück zu Frau Amiri. Sie hat jüngst auf unserer Seite erklärt, warum sie das Kopftuch trägt: http://www.tagesschau.de/ausland/iran-amiri-103.html  Für Nachfragen steht Ihnen das Studio Teheran des BR sicher gerne zur Verfügung.

Herzliche Grüße
Dr. Kai Gniffke
Erster Chefredakteur
ARD-aktuell

lieber herr gniffke,

entschuldigen sie bitte, dass ich erst jetzt antworte. ich hatte ein treffen mit erich von däniken, um mir von ihm über seine letzte reise zum mars berichten zu lassen. 

mit aller hochachtung - ich finde ihre letzte mail ein wenig unbefriedigend. umso witziger ist dagegen das int., das die tagesschau mit ihrer eigenen korrepondentin in teheran geführt hat. ein musterbeispiel investigativen journalismus. besonders erhellend finde ich zwei sätze, die von der politischen reife ihrer mitarbeiterin zeugen:

"Auch in Deutschland verlangen wir, das sich alle an unsere Gesetze halten."

eigentlich ist es noch schlimmer. wir verlangen sogar, dass das bindewort "dass" mit zwei "s" geschrieben wird, aber vielleicht gelten mittlerweile auch dafür die regeln des iranischen regimes. im übrigen "verlangen wir" mitnichten, dass sich alle an "unsere regeln" halten. die ausnahmen, z.b. bei der illegalen einreise, sind inzwischen zur regel geworden.

"Ich arbeite mit iranischen Kollegen zusammen, deshalb trage ich Kopftuch. Es ist einfach konsequent, das Kopftuch zu tragen, anstatt es einmal nicht und einmal schon zu tragen. Denn sonst müsste man sich jedes Mal erneut erklären. Und das nimmt Zeit in Anspruch, die ich lieber für Geschichten aus diesem Land verwende."

ihre mitarbeiterin trägt das kopftuch nicht, weil ein gesetz es verlangt, sondern weil ihre kollegen es von ihr erwarten. das studio des BR in teheran, sie müssten es wissen, ist kein öffentlicher raum – kein cafe, kein park, keine behörde und keine u-bahn-station – es ist ein privater ort. die berichte ihrer korrespondentin werden in deutschland gezeigt, nicht im iran. das tragen des kopftuchs durch eine deutsche staatsangehörige an einem nicht-öffentlichen ort ist kein ausdruck des respekts vor der kultur des gastlandes, sondern ein zeichen der unterwerfung vor einer diktatur, in der zum tode verurteilte frauen vollverhüllt exekutiert werden. wohl aus rücksicht auf die männlichen zuschauer der hinrichtung.

wenn ihre mitarbeiterin erklärt, es sei „einfach konsequent, das kopftuch zu tragen, anstatt es einmal nicht und einmal schon zu tragen", dann wäre es ebenso konsequent, das kopftuch einfach nicht zu tragen. allerdings, das zeit-argument leuchtet mir ein. ich wasche mir die haare auch nur jeden dritten tag, um mehr zeit für meine artikel zu haben.

ich hoffe, damit zur klärung eines komplexen sachverhalts beigetragen zu haben und wünsche ihnen ein ruhiges, kopftuchfreies wochenende.

schabbat schalom!

ihr hb

Das wäre es, vorläufig. Sollte es seitens der Tagesschau eine neue Erklärung dafür geben, warum eine deutsche Korrespondetin ein Kopftuch trägt, werden wir Sie umgehend darüber informieren. 


 

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netiquette:

Max Demian / 15.05.2018

Danke Herr Broder,auch ich stellte eine Anfrage zu diesem Thema diesmal direkt beim BR,der Herr am Telefon antwortete nur mit Allgemeinplätzen und mit der öffentlichen Stellungnahme der Frau Amiri:„Ich arbeite mit iranischen Kollegen zusammen, deshalb trage ich Kopftuch. Es ist einfach konsequent, das Kopftuch zu tragen, anstatt es einmal nicht und einmal schon zu tragen. Denn sonst müsste man sich jedes Mal erneut erklären. Und das nimmt Zeit in Anspruch, die ich lieber für Geschichten aus diesem Land verwende.“ Als ich den Mitarbeiter vom BR mit der Faktenlage konfrontierte(kein öffentl-Raum,daher keine Kopftuchpflicht etc.) und ihm auch zu verstehen gab ,dass es auch für mich eine Unterwerfung unter eine Diktatur ist und nichts anderes!Da wurde der Mitarbeiter ausfällig,behauptete,mit mir könne man nicht reden,also ist die Wahrheit im BR scheinbar nicht diskutierbar und wird sofort abgeschmettert,passt natürlich zu den guten Beziehungen die Deutschland zu Teheran pflegt,da schaut man nicht so genau hin,wenn es um Menschenrechte geht! PS:Wie war das doch mit dem unbehelligten Aufenthalt des iranischen Todesrichters Schahrudi in Deutschland,wieviel Unschuldige hat dieser Mensche auf dem Gewissen und darf sich in Deutschland ungehindert bewegen.

U. Unger / 15.05.2018

Bravissimo Broder! Der nächste Husarenritt durch die Hinterzimmer der ÖR, begeisternd. Wie hoch ist die Wettquote dafür, dass o. g. Chefredakteur mit seinem arroganten Verweis auf die angebliche Gesetzeslage Fake News verbreitet hat. Bin bereit einen Zehner zu setzen, dass Sie uns auch den hiebfesten Beweis für die Unrichtigkeit der ARD- Behauptung liefern. Was für arme, devote Systemlinge sind da im Studio? Passt zu dem ganzen Quatsch der Radionachrichten in WDR 5, wichtigstes Thema Beginn des Ramadan und ausführlicher Vorbericht für irgendein interreligiöses Palaver in Oberhausen. Hatte der WDR nicht vor kurzem noch hausinterne Skandale?

Karl Mallinger / 15.05.2018

Im Unterschied zu Kipa oder Kruzifix ist das islamische Kopftuch ein explizit (anti-)sexuelles Symbol. In der “Zeit” 3/2011 schrieb die Diplom-Psychologin Deniz Baspinar, Zitat: “Eine Frau mit Kopftuch signalisiert, dass sie sexuell nicht verfügbar ist. Aber gerade das kann reizen. Schließlich gehört das Verhüllen zum Geschlechterspiel.” -Vielleicht sehen Herr Gniffke und Frau Amiri das ja so ähnlich wie Frau Baspinar? Und all die Frauen im Iran, die mit Gewalt gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen, müssten nur vom “Reiz” dieses “Geschlechterspiels” überzeugt werden?

Marion Rinker / 15.05.2018

Auch die Mehrfach - (Kinder)ehe ist in Deutschland verboten, wird aber wie so vieles “geduldet”, was aber nichts anderes ist als ein klarer Rechtsbruch. Diese Kind-Frauen mit ihren Kindern müssten in entsprechenden Wohngruppen untergebracht werden, und Deutsch lernen können, was ihnen in dieser häuslichen Gemeinschaft mit ihrem Ehemann sicher verwehrt wird. So ist eine Integration vollkommen ausgeschlossen, die nächste ungebildete Generation mit Kopftuch.

Bechlenberg Archi W. / 15.05.2018

“Amiri: Es gibt herrliche Geschichten aus dem Land. Ich sehe meine Aufgabe darin, nicht nur die Klischees zu bedienen, die man im Westen über die Jahre im Kopf über den Iran gesammelt hat, sondern auch die vielen großartigen Menschen zu zeigen. Ich möchte denen eine Stimme geben, die ich hier treffe.” Ist bekannt, ob unter diesen großartigen Menschen, denen Frau Amiri eine Stimme geben will, auch Frauen waren, die gegen das Kopftuch protestieren?

Werner Arning / 15.05.2018

Einige Medien überschlagen sich derzeit geradezu mit Sympathiebekundungen für den Iran. Die „Kopftuch-Geste“ könnte wohl auch als solche gewertet werden.

Andree Bauer / 15.05.2018

Danke,Herr Broder! Ich habe mich auch über dies vorauseilende Gehorsam von Fr Amiri aufgeregt . Sie trat auch übrigens gehorsam mit Kopftuch im SRG „10 vor 10“ auf. Mutige Frauen im Iran riskieren Leib und Leben um sich vom Kopftuch zu befreien- daher halte ich dies Verhalten einer westlichen Journalisten für besonders abstoßend.

Ivan de Grisogono / 15.05.2018

Es ist zum Mäuse melken! Ungerechtigkeit wo immer man blickt! Man beobachtet etwas reifere, bildungshungrige Damen aus Deutschland wie sie sich, immer Pflichtbewust, vor Landung in Teheran, in Vogelscheuchen verwandeln und brav umziehen! Man würde sie wahrscheinlich in Teheran für immer gerne behalten! Von Doha kommend,  beobachtet man reichere arabische Familien,  wie sich die Damen mit Genuß umkleiden und für London schön machen! Weg mit Kopftüchern, in engen Jeans, lebenshungrig und voll Lachen! Leider wandern diese Familien nicht nach Europa aus. Wird Deutschen seit Kindheit eingeredet sich klein und unauffällig zu machen?

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