Henryk M. Broder / 31.10.2013 / 01:55 / 7 / Seite ausdrucken

Die Sünden der Anderen

Vorgestern hat Marietta Slomka im heute-journal den Fraktionsgeschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, interviewt. Er sagte u.a.: “Hier wird doch in einer Art und Weise abgehört, wo es längst nicht mehr um Sicherheit geht, die Amerikaner versuchen ein Maximum an Informationen weltweit abzuschöpfen, um sich politische, geschäftliche und sonstige Vorteile zu verschaffen…” Was die deutschen Geheimdienste nie tun würden. “Ich kann Ihnen versichern, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst keine amerikanischen Regierungsstellen (abschöpft) und auch keine gezielte Spionage in den USA betreibt.”

Das ist genau die Art von Selbstentlastung, die wir noch von jedem IM gehört haben, dessen Akte versehentlich nicht vernichtet wurde. “Ich habe nie absichtlich oder willentlich mit der Stasi zusammengearbeitet.” Natürlich kann man den deutschen Geheimdiensten nicht unterstellen, sie würden amerikanische Regierungsstellen abschöpfen oder gezielte Spionage in den USA betreiben. Die haben ja auch nicht mitbekommen, dass 9/11 vor ihrer Nase geplant wurde und sie haben eine Gang zehn Jahre lang morden lassen. Natürlich nicht gezielt, nur weil sie eben so blöd und unfähig sind, wie sie sind. Alles, was sie zustande bringen, ist, die NPD so erfolgreich zu unterwandern, dass die Partei nicht verboten werden kann. Das ist alles, was man über die Qualität der deutschen Geheimdienste wissen muss.

Woher weiß nun Oppermann, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst keine amerikanischen Regierungsstellen (abschöpft) und auch keine gezielte Spionage in den USA betreibt? Er ist Vorsitzender des parlamentarischen Gremiums, das die deutschen Geheimdienste kontrolliert, mal mehr, mal weniger. Und jetzt fragt er sich, “wie wir uns besser wappnen können gegen Spionage aus befreundeten Ländern”, nachdem er im Satz zuvor gesagt hat, dass es “unsere Spionage gegen die USA und unsere europäischen Partnerländer gar nicht” gibt.

Wie kann man etwas “besser” machen, das es nicht gibt? Es muss sich um den gleichen sozialdemokratischen Trick handeln, mit dem die SPD es nach der letzten Wahl geschafft, sich zum Wahlsieger zu erklären - weil die CDU die absolute Mehrheit knapp verfehlt hat.

So sehr sich Marietta Slomka auch mühte, dieses Stück rote Grütze an die Wand zu nageln, sie schaffte es nicht. Es war nicht zu schaffen. Nicht einmal als Oppermann erklärte, die Verantwortlichen für diese Straftaten könnten “dafür haftbar gemacht werden”. Könnten. Ja, wenn Oppermann nur könnte, wie er möchte, dann würde er ein Impeachment-Verfahren gegen Obama einleiten, bei dem der SPD-Vorstand das letzte Wort haben würde.

Noch schärfer als Oppermann war Elmar Brok, der Vorsitzende des Außenpolitisches Ausschusses des Europäischen Parlaments, den Marietta Slomka gestern interviewte. Brok weilt derzeit in Washington, was am Mittwoch zu einem großflächigen Verkehrschaos führte, weil er mit seiner Entourage von einem Termin zum anderen raste, nur um festzustellen, dass sich die Amis keiner Schuld bewusst sind.

Brok ist der lebendige Beweis dafür, wie recht Karl Kraus hatte, als er feststellte, es genüge nicht, keine Gedanken zu haben, man müsse auch unfähig sein, sie auszudrücken. Der gewichtige CDU-Mann ist, ebenso wie Oppermann, ein Freund des relativen Komparativs. Die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Diensten müsse “besser” und “enger” werden, um den Amis Paroli zu bieten. Wobei er sich nicht vorstellen könne, dass aus der deutschen Botschaft (in Washington) heraus “das Handy von Herrn Obama abgehört wird”. Und selbst wenn das der Fall wäre, “müssen wir klarstellen, dass die Sünde des Einen nicht die Sünde des Anderen rechtfertigt”. Ganz vergeblich sei sein Besuch in Washington nicht gewesen, er sehe “Problembewusstsein im Weißen Haus, im State Department und bei einigen Teilen auf dem Capitol Hill…”

Was für eine Horrorvorstellung! Der Präsident, der Außenminister und “einige Teile auf dem Capitol Hill” entwickeln ein Problembewusstsein!

Sie wird nur noch von der Vorstellung übertroffen, neben Brok im Flugzeug zu sitzen und sich das Geseire in der Langfassung noch einmal anhören zu müssen. Das Risiko ist minimal, etwa 1 zu 300, aber um sicher zu gehen, werde ich meinen Flug gezielt umbuchen.

 

 

 

 

 

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Markus Mang / 01.11.2013

Hallo Herr Broder, was Sie über die deutschen Geheimdienste schreiben mag ja stimmen, nur: wenn ich mir die “Ergebnisse” der mit bestimmt dem mindestens zwanzigfachen Budget und “manpower” ausgestatteten amerikanischen “Geheimdienste” ansehe, dann sind das ja die noch wesentlich grösseren Versager (World Trade Center-Anschläge 1 und 2, Oklahoma und und und). Warum haben diese tollen Abbhörer denn die Hamburger Zelle nicht enttarnt? Ich gehe mit Ihren Kommentaren normalerweise sehr konform, aber in diesem Fall sollten Sie Ihr Köpfchen vielleicht doch zu zumindest einem Viertel aus dem amerikanischen Hintern ziehen…

Tilman Kloeble / 31.10.2013

Wunderbar! Karl Kraus und Henryk M. Broder!

James Taylor / 31.10.2013

Die Flugumbuchung war eine klassische Fehlentscheidung, denn das wäre der erste Flug seit 40 Jahren, der nicht komplett überwacht gewesen wäre. Da auch die NSA keine Lust gehabt hätte sich das Geseire von Elmar Brok anzuhören, was ich verstehen kann, wären die sonst auf jedem Flug aktiven Mikrofone in der Passagierkabine stumm geschaltet worden. Lieber Herr Broder, Sie haben den einzigen Flug des Jahres 2013 verpasst, auf dem Sie stundenlang Tiraden gegen Jedermann hätten absondern können, ohne damit in der Hitliste der besten Monatssprüche bei der NSA auf den vorderen Plätzen zu landen. Schade!

Frank Schmitt / 31.10.2013

“...,dann würde er ein Impeachment-Verfahren gegen Obama einleiten, bei dem der SPD-Vorstand das letzte Wort haben würde.” Das stimmt so wahrscheinlich nicht: Das letzte Wort müßten eigentlich -durch Abstimmung- alle SPD-Mitglieder haben. Gruß Frank Schmitt

Ralf Weber / 31.10.2013

Sehr geehrter Herr Broder, hab’ echt gelacht, wie Sie den Brok verwursten. Bei dem Typ fällt mir auch regelmäßig der Kitt aus der Brille. Mit freundlichen Grüßen, Ralf Weber

Markus Weber / 31.10.2013

Solange der Status der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin einer Kriegsverliererpartei und mithin eines Besatzungsgebietes hinsichtlich Verfassung statt Grundgesetz und Souveränität nicht geklärt ist und in den Massenmedien diskutiert wird, kann man doch bei all der uns präsentierten Empörung sowieso nicht zwischen echt, kabarettistisch und exakt zur Erhaltung des Status Quo geheuchelt unterscheiden. Was wissen Sie und ich (OK, Sie vielleicht mehr), ob Marietta Slomka nur die einstudierte Rolle einer Sparringpartnerin abspult, damit Herr Oppermann loswerden und in die Köpfe der Leute pflanzen kann, was sein Auftrag ist. Und unabhängig davon, wäre doch die Frage viel interessanter, ob denn die Verhaltensmuster von Alexander, Clapper, Holden und Co. sich wirklich noch mit einer erspriesslichen Staatsdoktrin für die USA selbst, mit den Ideen der Gründerväter und mit deren Verfassung vertragen. Ja, und wo diese Abhörerei denn mal enden soll, wenn sie überhaupt irgendwo enden soll. Wenn dann die ersten Terrorverdächtigen eliminiert werden, weil ein Computersystem über jemanden hochgerechnet hat, dass er wahrscheinlich an der Planung von Üblem beteiligt sein dürfte, muss doch der ganze Mist sowieso spätestens nochmals revidiert werden. Und für die Errichtung eines diplomatischen Paralleluniversums, in dem ganz andere Wahrheiten gehandelt werden und mit ganz anderen Bandagen gekämpft wird als in der für uns Wähler sichtbaren Diplomatie habe ich sowieso nichts übrig. Vor allem nicht in Verbindung mit den Bezeichnungen “Verbündete” oder “Freunde”. Hier haben sich die USA aus guten Gepflogenheiten verabschiedet, und ich glaube, das dürfte Anlass genug sein, sich ihnen gegenüber vorsichtiger aufzustellen. Ob wir dann in Europa wirklich all unseren guten Arbeitsplätzen hinterhertrauern müssen, nur weil wir uns nicht an die Mästungsmaschinerie von Monsanto anschliessen lassen, steht noch dahin.

Jochen Berger / 31.10.2013

Das ist ja hart, dass Sie Ihren Flug umbuchen müssen, nur weil in Ihrer ursprünglichen Maschine solch ein Dummschwätzer mitfliegt. Bekommen Sie denn wenigstens eine Gefahrenzulage für Ihre Reise?

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