Eine der folgenschwersten Fehlentscheidungen des Runden Tisches während der letzten Tage der SED-Regierung war der Beschluss, der Spionageabteilung der Staatssicherheit zu gestatten, ihre Akten zu vernichten. Die Männer des ehemaligen Spionagechefs Markus Wolf konnten so die Spuren ihrer Tätigkeit offiziell beseitigen. Das macht die Aufklärung sehr schwer, die Arbeit der Stasi im Westen zu rekonstruieren. Die ist aber notwendig. Dass es sich dabei keineswegs um Petitessen handelt, wird an zwei Beispielen klar: im April 1972 scheiterte das von der CDU/CSU-Fraktion initiierte Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Willy Brandt, weil die Stasi mindestens einen Abgeordneten der Fraktion gekauft hatte. Vor über drei Jahren wurde der Polizist Karl-Heinz Kurras, der den Studenten Ohnesorg erschoss und damit die Studentenunruhen 1968 auslöste, als IM „Otto Bohl“ der Staatsicherheit enttarnt. Dazu trug auch Dr. Helmut Müller-Enbergs bei, einer der renommiertesten Forscher der Stasi-Unterlagenbehörde.
Dr. Müller-Enbergs legte mit seiner dreibändigen Edition „Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit“ mit einem Opus magnum von zusammen 2 686 Seiten Umfang ein Ergebnis jahrelanger Forschung vor. Bei seinen Untersuchungen über die DDR-Spionage konnte er sich in der Behördenpublikation „Hauptverwaltung A“ lediglich „auf Basis einzelner, fragmentiert vorliegender Daten, die sich in beim MfS archivierten Akten, auf elektronischen Datenträgern und in verfilmten Karteien auffinden lassen“ stützen. Es entstand ein Kompendium, das Aufgaben. Strukturen und Personal des Stasi-Spionageapparates wissenschaftlich erschließt.
Über diese Behördenpublikation sind vor allem die ehemaligen Zuträger der Staatsicherheit im Westen wenig erfreut. Zum Beispiel „Bob“ und „Petra“, ein Ehepaar, das – nach den Unterlagen zu urteilen – zusammen aus der Führungsetage der SPD und der SPD-Bundestagsfraktion insgesamt 951 Informationen an die Staatsicherheit geliefert hat. Der berüchtigte Kanzleramtsspion Guillaume brachte es dagegen nur auf 50. Heute will das Ehepaar Deuling, das von der Stasi mit „Bob“ und „Petra“ in Verbindung gebracht wurde, nichts von dieser Spionagetätigkeit wissen. Es klagt – wie Gregor Gysi, Peter Porsch und andere - gegen eine namentliche Nennung im Zusammenhang mit Stasi-IM.
Die Stasi-Unterlagenbehörde hat eine Unterlassungserklärung des Hanseatischen Oberlandesgerichts zugunsten der Deulings anerkannt. Dr. Helmut Müller-Enbergs nicht. Würde sich das Ehepaar Deuling durchsetzen, deren Begehren gängige Rechtsprechung werden, hieße das, die Aufklärung über die Tätigkeit von West-IM unerträglich einzuschränken, wenn nicht sogar unmöglich zu machen. Dr. Helmut Müller-Enbergs steht nun als Privatmann vor Gericht und muss die Prozesskosten allein tragen. Rechtsschutz erhält er von der Stasi-Unterlagenbehörde nicht. Wir wollen, dass er in diesem Rechtsstreit erfolgreich ist und rufen dazu auf, ihn mit Spenden zu unterstützen.
Verein der Opfer des Stalinismus Knr. 78665305, BLZ 250 100 30, Postbank Hannover
Stichwort: Bob
Spendenquittungen können ausgestellt werden von: Hugo Diederich, Bundesgeschäftstelle der VOS, Hardenbergplatz 2, 10623 Berlin