Markus C. Kerber, Gastautor / 15.04.2018 / 15:30 / Foto: aeroprints / 9 / Seite ausdrucken

Die Schwadroniererin

Von Markus C. Kerber.

Wer hätte bei der Jubelstimmung anlässlich der Wahl von Martin Schulz zum SPD-Vorsitzenden gedacht, dass seine Präsidentschaft nicht mehr als eine triste Episode werden sollte, die die stolze und traditionsbewusste deutsche Sozialdemokratie gar in existenzielle Nöte bringen würde und Martin Schulz nach seinen vielen Abseitsmanövern endgültig einen Spielfeldverweis eintrug? Die Entsorgungsdynamik der deutschen Politik scheint auch an dem selbst ernannten Moderator der auswärtigen Angelegenheiten, Sigmar Gabriel, nicht vorübergehen zu wollen. Gerade hat er sich an die internationale Bühne mit sonorer Stimme angepasst und trägt ein weltmännisches Gehabe zur Schau, da legen ihm seine eigenen politischen Freunde den Rückzug vom Amt des Außenministers nahe.

Norbert Röttgen, einstmals als Muttis Liebling gehandelt und immer noch nicht über die bittere Erfahrung seines von der Kanzlerin erzwungenen Rücktritts als Umweltminister hinweg, bemüht sich, die Personalie Merkel auch als ein Entsorgungsproblem – wenn auch unter dem Vorwand der Inhaltsleere – zu beschreiben. 

Geradezu wundersam ist indessen, dass die stets stolze und wortgewandte erste Verteidigungsministerin, Dr. Ursula von der Leyen, bislang von dem Entsorgungstrend nicht erfasst wurde. Wundersam ist die kritische Abstinenz der Medien gegenüber Frau von der Leyen deshalb, weil sie es nicht nur geschafft hat, in den vier Jahren ihrer Amtszeit das Vertrauensverhältnis zur Truppe gänzlich zu ruinieren (von der Leyen: „Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem“), sondern weil die Einsatzbereitschaftslage der Bundeswehr wohl seit Jahren nicht mehr so katastrophal war.

Keine einsatzbereiten Mannschaften für nicht einsatzbereite Technik

Vom Ministerium unwidersprochen wird öffentlich berichtet, dass Deutschland keine zureichenden Panzerkontingente für internationale Einsätze stellen kann. Nun soll es auch an Winterausrüstung fehlen. Daher ist der jährliche Bericht über die Einsatzbereitschaftslage mit „Rücksicht auf die Bundestagswahlen im September“ 2017 unterblieben. Unlängst drang an die Öffentlichkeit, dass gegenwärtig keines des sechs U-Boote umfassenden deutschen U-Boot-Geschwaders einsatzfähig ist. Man hofft darauf, dass im Laufe des Jahres 2018 wenigstens ein Boot wieder zum Einsatz taugt. Die Werftliegezeiten zur Wartung der Boote werden von den Mannschaften als inakzeptabel angesehen, weil sie währenddessen ihre erworbenen Fähigkeiten nur am Simulator erhalten können. Unbekannt in der Öffentlichkeit ist, dass es für sechs potenziell einsatzfähige U-Boote nur drei einsatzbereite Mannschaften gibt. Denn ist es bislang nicht gelungen, immerhin für eine Eliteeinheit wie die U-Boot-Waffe, hinreichend junge Frauen und Männer zu interessieren. 

Dies alles scheint Frau von der Leyen wenig zu interessieren. Sie glaubte bisher, mit dem Neuanstrich von Kasernen und der sozialpolitischen Besserstellung von Soldaten ihre politischen Ambitionen zu erreichen. Gleichzeitig hält sie Schaufensterreden bei internationalen Foren und predigt – so bei der Münchener Sicherheitskonferenz – die Notwendigkeit einer „europäischen Verteidigungskultur“.

Dies passt zur politischen Führung eines Ministeriums, dessen vornehmstes Ziel es anscheinend ist, die Bundeswehr auf gar keinen Fall zum Einsatz zu bringen. Hiermit soll der andauernden Entfremdung der deutschen Nation vom Militärischen Rechnung getragen werden. Auf die Unterstützung der wenig bellizistischen Bundeskanzlerin kann Frau von der Leyen in diesem Zusammenhang stets zählen. Der Nichteinsatz der Streitkräfte wird politisch prämiert.

Gleichzeitig werden Werbebroschüren vom Verteidigungsministerium herausgegeben, in denen sich Deutschland zu mehr Übernahme von Verantwortung bereit erklärt und junge Menschen für die Streitkräfte interessiert werden sollen.

Es mag sein, dass Frau von der Leyen kalkuliert, sich auf das Schwadronieren zu verlegen, um schnell aus der operativen Verantwortung im Bundesverteidigungsministerium in Richtung NATO entlassen zu werden. Für die Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte sind die viereinhalb Jahre von der Leyen ein herber Verlust, und für die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik Deutschland als ein Partner friedenserzwingender Sicherheitspolitik ist die Amtszeit von der Leyen seine Katastrophe.

Markus C. Kerber ist Jurist und Professor für Finzanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, E.N.A. 1985 (Diderot), Gastprofessor an der Warsaw School of Economics und der Université Panthéon-Assas sowie Gründer von www.europolis-online.orgAls Buch isvon ihm erschienen„Europa ohne Frankreich? Deutsche Anmerkungen zur französischen Frage“.

Foto: aeroprints CC BY-SA 3.0 Link">via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Burkhart Berthold / 15.04.2018

Es ist wenig überraschend, dass Frau von der Leyen als Verteidigungsministerin gescheitert ist. Dass dieses Scheitern aber niemanden interessiert, ist schon bemerkenswert. All die kaputten Panzer, Flieger, Hubschrauber, U-Boote und Fregatten schaden ihr nicht .... Naja, und wie war es früher? De Maiziere, falls sich noch jemand an ihn erinnert, konnte rechtzeitig abgeben, Guttenberg musste zurücktreten wegen seiner Doktorarbeit, und dieser Scharping wegen Bade-Fotos. Was für Trivialitäten! Auch bei denen hat sich offenbar niemand für die Bw interessiert. Pech für die Kuh Elsa. Das legt den Schluss nahe, dass das Land - seine politische Klasse - mit einer Bw, die nicht funktioniert, eigentlich ganz zufrieden ist.

Werner Arning / 15.04.2018

Im derzeitigen Deutschland scheint selbst einer Verteidigungsministerin das Militärische irgendwie peinlich, irgendwie lästig zu sein. Waffen sind igitt, Sodaten machen sich schmutzig, alles ist irgendwie Nazi, mit mehr Frauen wäre alles viel netter, mit mehr Ausländern auch, Gender auf jeden Fall, Schwangerschaften in Uniform erwünscht, alle sollen nett zueinander sein, bitte nicht schreien, bloß keine scharfe Munition. Die U-Boote kann man vielleicht für Ausflüge nutzen und Panzer für den Umweltschutz. Morgen fahren wir ins Phantasialand. Uschi schafft das.

Thomas Weidner / 15.04.2018

Man kann über Merkel sagen was man will: Schlau - von mir aus bauernschlau - ist sie. Denn sie hat erkannt, dass vdL eine totale Luftnummer ist - und dass diese am Amt “Verteidigungsministerin” grandios scheitern wird. Eines muss man schon sagen: Die Personalpolitik der Stasi - was das Erkennen von Kenntnissen und Fähigkeiten deren Mitarbeiter, hier FDJ AgitProp, betrifft - war schon wirklich absolute Spitzenklasse…

Heiko Stadler / 15.04.2018

Sechs Flughäfen BER = 38 Milliarden für nichts = Bunderwehr

Stefan Bley / 15.04.2018

Frau v. d. L. ist nur ein Mosaiksteinchen im großen Masterplan Deutschland von Innen heraus zu zerstören. Darin zumindest hat sie wie viele andere Polit-Protagonisten, Frau Merkel allen voran, bisland vorzügliche Arbeit geleistet.

Lars Bäcker / 15.04.2018

Frage: Was will die Nato denn mit einer Frau Dr. von der Leyen?

Alexander Brandenburg / 15.04.2018

Die Bundeskanzlerin soll wenig bellizistisch sein? Ich kenn keine kriegerische und friedensstiftende Aktion von Obama/Hillary. die von Merkel nicht unterstützt worden wäre. Selbst die Syrien-Angriffe Trumps wurden gutgeheißen. Die Erklärung Merkels, dass Deutschland sich nicht an kriegerischen Handlungen beteiligen werde, ist Kosmetik und der Tatsache geschuldet, dass Deutschland an der Planung der Syrien-Aktion offensichtlich gar nicht beteiligt wurde. Hinzu kommt- und das wollen wir doch nicht vergessen- , wie sehr sich die friedensliebende Angela einst darum bemüht hat, die Ukraine-Krise bellizistisch auszunutzen und anzufeuern. Wenn es gegen Russland geht, feuert die liebe Angela auch heute noch gerne den Brand.

M. Haumann / 15.04.2018

Wenn ich als Kanzlerin eine potentielle Konkurrentin um mein Amt elegant erledigen wollte, würde ich wohl auch eine Ärztin zur Verteidigungsministerin machen. Was sagen eigentlich die Generäle zur Situation?

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Markus C. Kerber, Gastautor / 03.04.2024 / 06:15 / 53

Der Bundesbank fehlen Milliarden

... und wie ein Bilanzausgleich erzielt werden kann, ist unsicher, derweil kümmert sich ihr Präsident Joachim Nagel um den „Kampf gegen rechts“.   Die seit…/ mehr

Markus C. Kerber, Gastautor / 27.12.2022 / 16:00 / 18

Ursula und der böse Wolf

Ist es nur ein Märchen aus Niedersachsen über eine machtverliebte europäische Königin? In der Vermarktung von privaten Vorgängen war Ursula von der Leyen seit jeher…/ mehr

Markus C. Kerber, Gastautor / 14.12.2022 / 06:15 / 106

Eva und der Brüsseler Sumpf

Der Korruptionsskandal im Europäischen Parlament wirft die Frage nach dem Sinn dieser Institution auf. Jetzt wird deutlich, welches parlamentarisch dekorierte Sumpfgebilde sich in Brüssel über Jahre herausgebildet…/ mehr

Markus C. Kerber, Gastautor / 09.12.2022 / 11:55 / 39

Das Verfassungsgericht legalisiert die Schuldenunion

Von Markus C. Kerber Der Verfassungsrichter Peter Müller stimmte gegen die Mehrheit seiner Richter-Kollegen. Die "Transformation der Europäischen Union in eine Transfer- und Verschuldungsunion" durch…/ mehr

Markus C. Kerber, Gastautor / 30.11.2022 / 14:00 / 23

Kampfflieger und Rausflieger

Beim zukünftigen Kampfflugzeug sind sich zwei französische Unternehmen einig geworden: Airbus und Dassault Das Bundesverteidigungsministerium verkündet die Einigung mit Frankreich über den Bau des künftigen…/ mehr

Markus C. Kerber, Gastautor / 08.11.2022 / 16:00 / 47

Zwischen Deutschland und Frankreich braut sich was zusammen

Reisen bildet und manchmal ist es notwendig, um vor Ort jene Information einzusammeln, die die Hofberichterstatter von Leitmedien oder der öffentlich-rechtliche Rundfunk dem deutschen Publikum…/ mehr

Markus C. Kerber, Gastautor / 19.10.2022 / 12:00 / 59

Demokratie statt Parteioligarchie

Fabian Nicolay hat in den Spalten dieses Mediums am 14.10.2022 die verfassungsrechtlichen Ursachen des politischen Unbehagens weiter Bevölkerungsschichten beim Namen genannt: Die Parteienoligarchie. Was einst im…/ mehr

Markus C. Kerber, Gastautor / 14.10.2022 / 16:00 / 8

Umzingelt von europäischen Schuldenprojekten

Die Ampelkoalition knickt schon wieder vor den Forderungen aus Brüssel nach Gemeinschaftsschulden ein und der Kanzler nuschelt sich durch. Zwei „europäische“ Kommissare, der Italiener Gentiloni…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com