Alexander Wendt / 24.09.2013 / 19:53 / 4 / Seite ausdrucken

Die rote Schwester der Muslimbrüder

Der Weimarer Republik fehlten nicht die Demokraten – aber es gab zu wenige von ihnen an der Staatsspitze. Doch diese wenigen bekämpften Hitlers NSDAP zeitweise mit allen Mitteln, auch dem des Parteiverbots. Reichspräsident Friedrich Ebert etwa legte nach dem gescheiterten Hitler-Putsch von 1923 die vollziehende Gewalt in die Hände des Generals Hans von Seeckt; er verbot die Nationalsozialisten am 23. November 1923. Erst im Februar 1925 gelangte die damalige Splitterpartei wieder in die Legalität.

Der sozialdemokratische Innenminister Preußens Carl Severing hielt den Aufstieg der Hitler-Truppen auch später noch für aufhaltsam. Er verbot im April 1932 die SA. Als der damalige Reichskanzler Franz von Papen nur Monate später die sozialdemokratische Regierung Preußens stürzte und das SA-Verbot umgehend aufhob, zerstörte er die letzte Verteidigungslinie der Republik gewissermaßen von Innen.

Eine stabile Demokratie bräuchte eigentlich keine Parteiverbote. Aber eine schwankende Republik und selbst eine prekäre Achteldemokratie könnte sich damit retten. Selbst ein Militärregime wie das ägyptische verhindert auf diese Weise die schlimmste Entwicklung.

Allerdings nicht, falls im entscheidenden Moment Annette Groth von der Linkspartei vor Kairo erscheint. Ein größeres Publikum kennt die gerade wiedergewählte Linke noch als Hilfsmatrosin vom Frauendeck der „Mavi Marmara“, dem Kreuzfahrtdampfer, der 2010 abgelaufene Medikamente und friedliche, nur mit Messern und Eisenstangen bewaffnete Aktivisten in den Gazastreifen schippern sollte. Jetzt fühlt sich Groth bereit zu einer neuen Mission: Freiheit für die ägyptischen Muslimbrüder. Denn wer totalitäre Bewegungen verbietet, der stärkt sie am Ende nur, so die Menschenrechtsbeauftragte der Linksfraktion in einer flammenden Pressemitteilung:

Verbot der Muslimbruderschaft erhöht Gefahr eines Bürgerkrieges - Das Verbot der Muslimbruderschaft und ihrer Vorfeldorganisationen durch ein ägyptisches Gericht ist eine demokratisch nicht zu rechtfertigende und politisch falsche Entscheidung. Die Unterdrückung jeglicher Opposition gegen die Politik der Übergangsregierung durch das ägyptische Militär ist völlig inakzeptabel und muss umgehend beendet werden”, so Annette Groth, menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. Annette Groth weiter:

“Eine Partei zu verbieten, die aus einer demokratischen und freien Wahl als stärkste politische Kraft hervorgegangen ist, ist nicht akzeptabel… Die Muslimbrüder werden in eine Märtyrerrolle gedrängt, aus der sie wahrscheinlich stärker als zuvor hervorgehen werden.“

Es kann sich wahrscheinlich nur noch um Tage handeln, bis Annette Groth einen Spreedampfer chartert, ihn mit Krempel belädt und zu einer humanitären Hilfsaktion für die bedrängten Muslimbrüder in See sticht. Worauf ihre neuen Schützlinge den größten Wert legen, weiß sie: strikte Geschlechtertrennung in den Kabinen. Aber damit hatte die linke Menschenrechtsbeauftragte ja schon auf der „Mavi Marmara“ kein Problem.

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Leserpost

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Reinhard Jurochnik / 25.09.2013

Übrigens ist Frau Groth offensichtlich nicht die Einzige, die Herrn Mursi nachtrauert. Die EU-Außenbeauftragte Frau Catherine Ashton hat Herrn Mursi im Gefängnis besucht. Da sollte sich Herr Wendt doch auch bitte drum kümmern.

Thomas Schlosser / 24.09.2013

Wieso, fragt sich der unbedarfte Beobachter, begibt sich diese Sirene der Weltrevolution nicht persönlich nach Kairo, in ein Viertel mit hohem Anteil von Muslimbrüdern? Sie könnte sich dort auf eine Kiste stellen und (als Frau, aber bitte unverschleiert!) eine flammende Rede zur Demokratie halten…! Der Verfasser dieser Zeilen wäre auch bereit, Frau Groth zu begleiten. Also, Frau Groth, wie schaut’s aus: Darf ich die Flüge für uns beide buchen..??

Susanne Baumstark / 24.09.2013

Die linke Menschenrechtsbeauftragte weiß ja auch, wie man sich kurzerhand mit entsprechenden Gruppierungen anfreundet. Damals, 2010, reichte dafür schon folgender Interviewausschnitt mit der Islamischen Zeitung:  „Frage: Wie beurteilen Sie das Vorgehen des israelischen Militärs auf die Hilfsflotte und die von Israel gegebene Rechtfertigung dazu? Annette Groth: “Ich verurteile das natürlich. Wie es sich rausstellt, waren das teilweise gezielte - wie das eine Kollegin von mir gesagt hat – Exekutionen; Kopfschüsse aus nächster Nähe. Auch, bevor sie sich abgeseilt haben, vom Hubschrauber. Das war ganz gezielt alles geplant, Tote wurden nicht nur in Kauf genommen, sondern, ich glaube, um einzuschüchtern, wurde das ganz bewusst so gemacht.“ Nachzulesen unter Islamische Zeitung online - 23.06.2010 Interview: Annette Groth (LINKE), Teilnehmerin der Gaza-Hilfsflotte, über ihre Eindrücke, “Moralische Verpflichtung”

Günter Thiele / 24.09.2013

... und da zufällig zeitnah eine ganze Reihe Grüner in gehobener Position frei verfügbar sind, hätte Frau Groth ihre Mannschaft schon beieinander. Schiff ahoi!

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