Der Bohei, der um den britischen Austritt gemacht wird, ist kaum mehr zu ertragen. Markus Krall hat auf Tichys Einblick sehr schön dargelegt, warum alle an die Wand gemalten Katastrophenszenarien nicht eintreten werden. Die Briten wollen (zu recht!) raus aus der Zwangsgemeinschaft, und die Bürokrazia Europeana will vor allem, daß sich niemand traut, es den Briten nachzumachen. Deswegen aber hat das Brüsseler Zentralkommitee vor nichts mehr Angst als vor einem No-deal-Brexit, denn auch dieser wird den Briten wenigstens mittelfristig nicht schaden. Und dann? Einer nach dem anderen wird das sinkende Schiff verlassen. (Nur unsere von allen guten Geistern verlassene Regierung wird mit Frankreich zusammen einen Superstaat der schnelleren Geschwindigkeit vom Zaun brechen und zukünftig französische Schulden begleichen.) Der No-deal-Brexit ist das beste Druckmittel für GB, nicht für die EU. May sollte diese Karte spielen.
Entgegen der Schlußfeststellung wird “hier” doch täglich verkündet -vor der Handvoll meist jüngerer Leute in London, mit EU-Fahne demonstrierend- daß das Ergebnis der “Brexit-” Abstimmung ein Betriebsunfall gewesen sei und die Briten heute sicherlich mehrheitlich für einen Verbleib stimmen würden. Wieviele “Claas’ens” werkeln in hiesigen Redaktionen noch?
Was hält Europa - nein: die EU - zusammen? Zum Einen sind es ideologische Motivlagen, gepaart mit Machtgelüsten der Eliten, die die üppigen Gehälter der Brüssler Bürokratie gerne mitnehmen. Zum Anderen sind es die Empfängerländer, die im goldenen Käfig sitzen und von den Transferzahlungen abhängig sind. Der Glaube an die Vernunft der Eliten ist auf breiter Front verschwunden. Es ist der Katzenjammer, der trotzdem nicht weiter führen kann. Die Briten haben die suizidale Merkelpolitik satt. Sie wollen sich nicht gängeln lassen. Und darum wird es auch eine Lösung - auf kurz oder lang - geben.
Da wäre doch noch eine Möglichkeit: England und Wales bilden wieder die Gemeinschaft Britannien und treten aus dem Staatengebilde Großbritannien aus. Da bräuchten sie die Europäer gar nicht zu fragen. Man müsste auch keine Verträge ändern. Das würde in meinen Augen vieles vereinfachen. Ob das nun ein temporärer Zustand ist, das können die Beteiligten später bearbeiten.
Man sollte an der Stelle daran erinnern, dass die Haltung “der” Briten zum nationalsozialistischen Deutschland durchaus nicht einhellig ablehend war - teils aus Furcht vor einem (weiteren) großen Krieg, teils auch, weil man die faschistischen Bewegungen durchaus auch als Bollwerk gegen den Bolschewismus ansah. Als GB dann im Krieg mit Deutschland war, war Churchills Hauptargument, mit dem er den Widerstandwillen der Bevölkerung nährte, die Angst vor einer deutschen Hegemonie, den Verlust der Eigenständigkeit, der Souveränität GB. Damit konnte er die breite Mehrheit der Briten hinter sich bringen, nicht mit irgendwelchen “weichen” Ideen von Menschenrechten und Demokratie. Die Briten haben gegen Hitler gekämpft, um Briten bleiben zu können und vor allem: um selbst entscheiden zu können, was ein Brite ist und wie er leben will. Von Anfang an haben die kontinentalen Politiker diesen (fortbestehenden) Impetus der breiten Mehrheit auf der Insel völlig unterschätzt, sie haben nicht begriffen, dass es den Briten nicht darum geht, ein paar Befugnisse nach Brüssel abzugeben, sondern darum, ihre britische Seele zu bewahren, ihre ureigenen Traditionen. Was soll Brüssel auch London von Demokratie erzählen? Von Menschen- und Bürgerrechten? Da kennen sich die Briten in der Tat schon etwas länger und etwas besser mit aus. Ich denke, in GB weiß man sehr genau, dass der Verbleib in der EU auch Vorteile hätte - aber zu welchem Preis? Es war der Grundfehler der anderen Europäer, diesen Preis immer weiter in die Höhe zu treiben.
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