Die scheinbar unaufhaltsame Tendenz, dass Behörden und andere öffentliche Einrichtungen Aufgaben von Familien übernehmen, erfüllt mich mit Ärger. Und mit regelrechter Zukunftsskepsis, was das Verhältnis von Staat und Gesellschaft angeht. So ist es zu begrüßen, wenn Kinder – zumal in den ersten Jahren – zu Hause erzogen werden, auch wenn hier ein erklärter Gegner des Betreuungsgeldes blogt. Ärger und Skepsis deshalb, weil der Krake eines Staates mit omnipotenten Anwandlungen immer neue Felder der Einmischung findet, bei Angelegenheiten, die ureigenster Bereich des Privaten oder der Familie sind, von der Ernährung bis zur angeblich nachhaltigen Wohnungseinrichtung.
Alles spricht für das Subsidiaritätsprinzip. Staatliche Intervention als Ultima ratio, ansonsten: Finger weg.
Anders verhält es sich, wenn ein ratloser Mensch sich von sich aus an die zuständigen öffentlichen Instanzen wendet, weil er selbst am Ende seines Lateins ist. Respekt und Hut ab also vor der allein erziehenden Mutter aus Karlsruhe, die ihren 14jährigen Sohn bei der Polizei angezeigt hat, weil der ihr allen Schmuck gestohlen und ihn verramscht hat, um mit seinem Kumpel ins Bordell zu gehen. Gemeinsam saßen sie auf dem Revier, und laut Polizeibericht war die Mutter hellauf entsetzt darüber, wie teilnahmslos, ja fast lächelnd, ihr Sohn die Prozedur hatte über sich ergehen lassen. Wir wissen wenig über den Fall, deshalb sind auch nur allgemeine Mutmaßungen und Gedankenspiele möglich, aber auch das ist erlaubt.
Der Mutter dürfte klar gewesen sein, dass ihr Sohn mit 14 gerade strafmündig geworden ist. Womöglich hat sie früher schon einmal mit dem Gedanken gespielt, bei ähnlichen Vorkommnissen, aber sie hat es gelassen, weil sowieso nichts dabei herausgekommen wäre. Jetzt droht bei einer Anzeige eine Strafe. Und nach allem, was man liest, scheint die Mutter genau dies auch beabsichtigt zu haben. Man darf hoffen, dass dies bei ihrem Sprössling auch ankommt. Und dass sie nicht allzu schnell ohne Gewissheit darüber, dass dies geschehen ist, sich zu einem Rückzieher nötigen lässt. Der Diebstahl - übrigens im Wert von 3000 Euro - ist keine Geringfügigkeit, und das Ganze ist deshalb auch eine Angelegenheit, die auf Dauer nicht nur diese eine Familie betreffen muss.
Die Dunkelziffer bei innerfamiliären Diebstählen dürfte unermesslich hoch sein, wer bringt solche Dinge schon vors Gericht oder auf das Polizeirevier? Noch häufiger die Fälle verzweifelter Eltern, zumal alleinerziehende, die sich von ausgewachsenen Söhnen – und auch Töchtern – in der familiären Wohnung unterdrücken lassen, Tag für Tag, in vielen Scharmützeln. 14-jähige sind keine Kleinkinder mehr. Vielleicht war die Karlsruher Tat eine Einzeltat, eine Übersprungshandlung. Vielleicht aber war es der Höhepunkt eines Machtspiels, das die Mutter nicht mehr gewinnen konnte. In ihrem, aber auch im Sinne des Sohnes und vor allem im Sinne ähnlich gelagerter Fälle darf man nur hoffen, dass die Justiz die Mutter nicht im Stich lässt. Ansonsten nämlich wäre ihr künftig auch dieser letzte Ausweg versperrt.