Manfred Haferburg / 30.01.2016 / 14:23 / 3 / Seite ausdrucken

Die Pariser Taxis rollen seit heute wieder

Im Großraum Paris gibt es ungefähr 17.000 Taxis. Volle drei Tage haben ein paar hundert von Ihnen mit ihren Fahrzeugen den Kreisverkehr an der Porte Maillot und die Avenue de la Grande Armée blockiert und ein kleines Verkehrschaos im 17. Arrondissement angerichtet. Die Pariser haben das „mouvement social“  wie stets mit Gelassenheit und sogar ein wenig Sympathie ertragen.

Jetzt sind die Taxis wieder weggefahren, der Müll wurde beräumt und auch die hochgerüstete Polizei, welche die Wut der aufgebrachten Fahrer im Zaum hielt, ist nach dem Genuss eines kleinen Espresso wieder in die Mannschaftswagen gestiegen und konvoiweise mit Tatütata abgedampft.

Was war geschehen?

UberPop war im letzten Februar in einigen französischen Großstädten an den Start gegangen und hat vor allem in Paris großen Erfolg. Viele Kunden beschweren sich nämlich über den hohen Preis und mangelnden Komfort der traditionellen Taxi Parisien. Ubers Siegeszug scheint unaufhaltsam. Der Widerstand der Taxifahrer gegen die neue Konkurrenz wird in manchen deutschen Kommentaren hämisch als letztes Aufbäumen von gierigen Ex-Monopolisten interpretiert.  

Das kann man so sehen. Aber leider ist es nicht wahr.

Die Taxifahrer haben nämlich nicht nur gegen die Konkurrenz von Uber gestreikt, sondern vor allem gegen die unersättliche Geldgier der Politik. Von dem „überteuerten“ Taxipreis krallt sich nämlich der Staat 46% Steuern und obendrauf noch mal 22% Mehrwertsteuer. Weit über die Hälfte des Preises, den der Kunde entrichten muss, gehen so direkt an den Staat. Dem Taxifahrer bleibt ein Drittel, von dem er das Auto, den Sprit, die Versicherung und sich selbst bezahlen muss.

Aber das ist noch nicht alles. Der Staat verkauft nämlich die Taxilizenzen an die Taxiunternehmer, zum stolzen Preis von 220.000€ pro Lizenz. Wer ein Taxi betreiben will, darf das in Paris nur mit dieser Lizenz. Uber-Fahrer sind keine Taxis, sie brauchen und haben keine Lizenz. Sie fahren nur Leute gegen Entgelt. Uber kann das Geschäft der regulären Taxis im Handumdrehen kaputtmachen.

Meist sind die Pariser Taxiunternehmer kleine Leute, die durch eine Taxiunternehmung dem Schicksal der Niedrigstqualifizierten aus dem Vorstadtmilieu entgehen wollen. Zum Taxifahren braucht man keine riesige Ausbildung. Die Kleinstunternehmer verschulden sich bis über beide Ohren, um dann ein ganzes Arbeitsleben 12 Stunden am Tag diesen Schuldenberg abzutragen. Ich habe Taxifahrer erlebt, die in ihrem Taxi wohnten, weil sie sich keine Wohnung leisten konnten. Am Flughafen Charles de Gaulle beträgt die Wartezeit für einen Taxifahrer oft um die zwei Stunden, bis er wieder einen Kunden aufnehmen kann. Und dann steht er auf der Fahrt nach Paris noch eine Stunde im Stau. Es kann ihm auch passieren, dass er nach langer Wartezeit einen Kunden bekommt, der nur ein fünf Minutenstrecke fahren möchte. Der Job ist hart. Vom Taxifahren wird keiner reich, auch nicht in Paris.

Die Taxi-Lizenz ist oft die einzige Altersvorsorge der Taxiunternehmer. Wenn der Schuldenberg abgetragen ist und der Chauffeur dann irgendwann in Rente geht, kann er die Lizenz verkaufen und sich dafür vielleicht eine kleine Wohnung im Pariser Banlieue erwerben. Ohne eine Pariser Miete zahlen zu müssen, kann er denn mit seiner kleinen Rente irgendwie zurechtkommen. Mit dem Siegeszug von Uber werden die Taxi-Lizenzen wertlos.

Warum kommt mir der ganze Vorgang nur bekannt vor? Wegen der uferlosen Gier des Steuerstaates? Wegen der undurchdachten ideologischen „De-Regulierung“ eines vermeintlichen Monopol-Marktes durch die Politik? Wegen der wütenden Hilflosigkeit des geprellten kleinen Mannes, über die sich die Politik arrogant hinwegsetzt? Das alles scheinen mir internationale Symptome des politischen Dilettierens zu sein - deja vue.

In Paris gibt es 17.000 Taxis. Neulich ist ein kleines Wunder geschehen. Ich steige in ein Taxi und bitte den Fahrer, mich zum Flughafen Charles de Gaulle zu fahren. Daraufhin sagt er ganz aufgeregt: „Mein Herr, ich kenne Sie! Vor etwa einem Jahr habe ich sie schon mal zum Flughafen gefahren, von derselben Adresse aus! Das passiert mir zum ersten Mal in zwanzig Jahren!“ Wir haben dann eine Stunde im Stau auf der Periphérique nett geplaudert. Mit den Pariser Taxifahrern ist es, wie mit den Pariser Kellnern. Sie haben einen schrecklichen Ruf, sind aber allermeistens sehr nette Leute.

Und jetzt weiß auch der geneigte Leser, woher ich meine ganzen Weisheiten über die Pariser Taxis und ihre Probleme herhabe.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Jochen Seelig / 31.01.2016

Das mag schon sein, dass diese Lizenzen eine Altersversorgung sind. Nur, warum, das ist die Frage. Weil der Staat eben ein absurdes Monopol geschaffen hat, wie übrigens auch in Griechenland. Diese marktbehindernden Monopole gehören abgeschafft, sonst kann man die Taxifahrer gleich verbeamten, das wäre wahrscheinlich einfacher. Es zeigt sich wieder, dass man das Gerede von Freiheit und Marktwirtschaft nicht so ernst nehmen soll, auch nicht bei Achse-Autoren.

Jochen Kramer / 30.01.2016

“Vom Taxipreis krallt sich der Staat 46% Steuern und obendrauf 22% Mehrwertsteuer. Weit über die Hälfte des Preises gehen an den Staat. Dem Taxifahrer bleibt ein Drittel, von dem er das Auto, den Sprit, die Versicherung und sich selbst bezahlen muss. Aber das ist noch nicht alles. Der Staat verkauft nämlich die Taxilizenzen an die Taxiunternehmer, zum stolzen Preis von 220.000€ pro Lizenz.” Ein solches System schreit nach Untergang. Es kann nicht überleben. Wenn es Uber nicht beseitigt, dann eine andere Erfindung. Jedesfalls solange es in Frankreich noch einen Rest Marktwirtschaft gibt.

Rolf Menzen / 30.01.2016

Die Situation in Deutschland unterscheidet sich nicht wesentlich von der vom Autor geschilderten Situation in Paris.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Manfred Haferburg / 25.03.2024 / 12:00 / 107

ISAR 2: Das beste Kernkraftwerk der Welt wird zersägt

Die Rückbaugenehmigung für ISAR 2 ist erteilt, hieß es am Freitag. Der Betreiber Preussen Elektra könne den Rückbau unverzüglich durchführen. Eine wenig beachtete DPA-Meldung leitet…/ mehr

Manfred Haferburg / 08.03.2024 / 10:00 / 110

Bundesrechnungshof delegitimiert Habeck, Müller und Energiewende

Die Energiewende-Delegitimierer sitzen jetzt im Bundesrechnungshof. Ihr vernichtendes Fazit der Energiewende haben die Beamten sogar in einer Grafik (oben) karikiert. Der Bundesrechnungshof ist in der…/ mehr

Manfred Haferburg / 01.03.2024 / 06:00 / 61

Habecks Wetterwenden: Was, wenn Kernenergie wieder salonfähig wird?

Die Bundesegierung hat es sich angewöhnt, die alten Brunnen zuzuschütten, bevor es neue gibt. Jetzt erlaubt sie die bisher verteufelte CO2-Deponierung – und was ist,…/ mehr

Manfred Haferburg / 26.02.2024 / 06:15 / 101

Netzbetreiber warnen: Stromnetz kollapsgefährdet wie nie

Wie steht es um die Versorgungssicherheit, wenn die Stromerzeugung bis zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien erfolgt? Ein Netzbetreiber hat sie jetzt beantwortet. Ein Blitzeinschlag…/ mehr

Manfred Haferburg / 06.02.2024 / 06:00 / 84

Die Kohle bleibt: Ampel halbiert Gaskraftwerks-Pläne

In der neuen Kraftwerksstrategie der Bundesregierung schrumpfen die geplanten Gaskraft-Kapazitäten wie eine Eiskugel im Sommerurlaub – und noch nicht einmal die wird es geben. Verdruckst…/ mehr

Manfred Haferburg / 21.01.2024 / 14:00 / 8

„Ein grünes Requiem“

Die Lektion der unerwünschten Folgen gut gemeinter Projekte ist an den Grünen komplett vorbeigegangen. Das holen sie jetzt nach, auf unsere Kosten. Was Menschen auch…/ mehr

Manfred Haferburg / 08.01.2024 / 06:00 / 103

Nachhaltige Halluzinationen beim Chef der Bundesnetzagentur

Ja, Herr Müller, die Energieversorger brennen darauf, 60 Milliarden Euro in Gaskraftwerke zu investieren, die sich nicht rechnen können, da sie nur bei Flaute und…/ mehr

Manfred Haferburg / 26.12.2023 / 06:00 / 132

Weihnachten unter Räubern

„Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande?“, hieß es von Augustinus vor knapp 1.600 Jahren und diese…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com