In dem Skandal, den die Panama-Papers ausgelöst haben, zeichnet sich eine dramatische Fortsetzung ab. Dem Reporter dieses Blogs ist auf dem Umweg über zahlreiche Steueroasen zugetragen worden, dass ein Hut, der schon seit Menschengedenken eine globale Bedeutung hat, noch nie das gewesen ist, was er vorgibt: Der Panama-Hut ist in Wahrheit gar kein Panama-Hut und ist auch nie einer gewesen. Wie ich auf Grund von Materialien berichten kann, die meine gesamte Doppelgarage füllen, wird dieser sogenannte Panama-Hut überhaupt nicht in Panama hergestellt.
„Ungeheuerlich!“ Das war die Reaktion meiner Nachbarin, als ich sie abends beim Bier über diese Enthüllung in Kenntnis gesetzt habe. „Da sieht man mal wieder, dass uns der internationale Hut-Kapitalismus tagaus, tagein für dumm verkauft.“
Tatsächlich wird, so kann ich verlässlich feststellen, der Panama-Hut traditionell in Ecuador und in Mexiko hergestellt. In Ecuador hat er in der Stadt Jipijapa eine besonders lange Tradition, weshalb ein kleiner Kreis eingeweihter Kenner den angeblichen Panama-Hut gerne auch Jipijapa-Hut nennen. Doch die Masse der Strohhut-Träger ahnte nichts davon.
Wie konnte es zu dieser gigantischen globalen Publikumstäuschung kommen? Wie konnte der Ecuador-Hut, den man allenfalls noch einen Mexiko-Hut nennen könnte, zum Panama-Hut werden? Und wie konnte diese Vortäuschung falscher Tatsachen Jahrzehnte lang unbemerkt bleiben? Die Ursachen liegen noch im Halbdunkel, aber eines kann man nun sagen: Schuld war – wer sonst? - der amerikanische Kapitalismus, der über einen langen Zeitraum sämtliche Direkt-Hut-Importe aus Latein-Amerika rigoros unterband. Jeder Hut, ob aus Jipijapa oder aus Mexiko, musste durch das Nadel-Ör Panama verfrachtet werden und erhielt erst dort seinen Zollstempel. Das war vermutlich der Beginn der globalen Panama-Hut-Fälschung.
Wie bedenkenlos, ja ruchlos dieser bestürzende Etikettenschwindel betrieben wurde, kann man an den zahlreichen prominenten Trägern sogenannter Panama-Hüte erkennen. Roosevelt, Hemingway, Churchill – die Liste der großen Namen, die auf den weltweiten Panama-Hut-Schwindel hereingefallen sind, ist endlos. Selbst Ata Türk, der Erneuerer der türkischen Kopfbedeckungsmode, trug einen Panama-Hut, ohne zu ahnen, dass es sich dabei in Wahrheit um einen Jipijapa-Hut handelte. Hätte er die Wahrheit gekannt, wer weiß, welche Entwicklung die Geschichte des osmanischen Reichs, ja womöglich des gesamten Nahen Ostens, genommen hätte. Das ganze Ausmaß der möglichen historischen Folgen dieser unsäglichen textilen Irreführung werden wir wohl nie erfahren.
Der Panama-Hut-Betrug fiel auf, als ein investigativer Wikipedia-Leser, die wahre Herkunft des Ecuador-Hutes in der Online-Enzyklopädie entdeckte, wo sie lang Zeit völlig unbeachtet dargestellt worden war. Der aufmerksame Wiki-Leser hat seine Entdeckung sofort und anonym einer sorgfältig ausgesuchten Gruppe internationaler Investigativ-Journalisten zukommen lassen.
Sein Timing war klug gewählt: Der Panama-Hut-Skandal schließt sich nahtlos an die Veröffentlichung der Panama-Papers an und setzt dieser auf so dramatische Weise enthüllten weltweiten Verschwörung noch die Krone beziehungsweise den Hut