Rainer Bonhorst / 07.04.2016 / 16:00 / 0 / Seite ausdrucken

Die Panama-Hut-Papers

In dem Skandal, den die Panama-Papers ausgelöst haben, zeichnet sich eine dramatische Fortsetzung ab. Dem Reporter dieses Blogs ist auf dem Umweg über zahlreiche Steueroasen zugetragen worden, dass ein Hut, der schon seit Menschengedenken eine globale Bedeutung hat, noch nie das gewesen ist, was er vorgibt: Der Panama-Hut ist in Wahrheit gar kein Panama-Hut und ist auch nie einer gewesen. Wie ich auf Grund von Materialien berichten kann, die meine gesamte Doppelgarage füllen, wird dieser sogenannte Panama-Hut überhaupt nicht in Panama hergestellt.

„Ungeheuerlich!“ Das war die Reaktion meiner Nachbarin, als ich sie abends beim Bier über diese Enthüllung in Kenntnis gesetzt habe. „Da sieht man mal wieder, dass uns der internationale Hut-Kapitalismus tagaus, tagein für dumm verkauft.“

Tatsächlich wird, so kann ich verlässlich feststellen, der Panama-Hut traditionell in Ecuador und in Mexiko hergestellt. In Ecuador hat er in der Stadt Jipijapa eine besonders lange Tradition, weshalb ein kleiner Kreis eingeweihter Kenner den angeblichen Panama-Hut gerne auch Jipijapa-Hut nennen. Doch die Masse der Strohhut-Träger ahnte nichts davon.

Wie konnte es zu dieser gigantischen globalen Publikumstäuschung kommen? Wie konnte der Ecuador-Hut, den man allenfalls noch einen Mexiko-Hut nennen könnte, zum Panama-Hut werden? Und wie konnte diese Vortäuschung falscher Tatsachen Jahrzehnte lang unbemerkt bleiben? Die Ursachen liegen noch im Halbdunkel, aber eines kann man nun sagen: Schuld war – wer sonst? - der amerikanische Kapitalismus, der über einen langen Zeitraum sämtliche Direkt-Hut-Importe aus Latein-Amerika rigoros unterband. Jeder Hut, ob aus Jipijapa oder aus Mexiko, musste durch das Nadel-Ör Panama verfrachtet werden und erhielt erst dort seinen Zollstempel. Das war vermutlich der Beginn der globalen Panama-Hut-Fälschung.

Wie bedenkenlos, ja ruchlos dieser bestürzende Etikettenschwindel betrieben wurde, kann man an den zahlreichen prominenten Trägern sogenannter Panama-Hüte erkennen. Roosevelt, Hemingway, Churchill – die Liste der großen Namen, die auf den weltweiten Panama-Hut-Schwindel hereingefallen sind, ist endlos. Selbst Ata Türk, der Erneuerer der türkischen Kopfbedeckungsmode, trug einen Panama-Hut, ohne zu ahnen, dass es sich dabei in Wahrheit um einen Jipijapa-Hut handelte. Hätte er die Wahrheit gekannt, wer weiß, welche Entwicklung die Geschichte des osmanischen Reichs, ja womöglich des gesamten Nahen Ostens, genommen hätte. Das ganze Ausmaß der möglichen historischen Folgen dieser unsäglichen textilen Irreführung werden wir wohl nie erfahren.

Der Panama-Hut-Betrug fiel auf, als ein investigativer Wikipedia-Leser, die wahre Herkunft des Ecuador-Hutes in der Online-Enzyklopädie entdeckte, wo sie lang Zeit völlig unbeachtet dargestellt worden war. Der aufmerksame Wiki-Leser hat seine Entdeckung sofort und anonym einer sorgfältig ausgesuchten Gruppe internationaler Investigativ-Journalisten zukommen lassen.

Sein Timing war klug gewählt: Der Panama-Hut-Skandal schließt sich nahtlos an die Veröffentlichung der Panama-Papers an und setzt dieser auf so dramatische Weise enthüllten weltweiten Verschwörung noch die Krone beziehungsweise den Hut

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Rainer Bonhorst / 12.03.2024 / 17:00 / 9

Die Kate-Krise oder viel Lärm um nichts?

Ein Familienfoto der Royals ist schon kurz nach Erscheinen als ungelenke Bildmanipulation entlarvt worden. Medialer Wirbel dank Photoshop! Ist Englands königliche Familie eine Fälscherbande? Wenn ja, dann keine…/ mehr

Rainer Bonhorst / 25.09.2022 / 11:00 / 25

Woke-Fußball gegen Non-Woke-Fußball

Die brutalste Kritik an meinem letzten Text zur englischen Monarchie lautete: Das hätte so auch in der Süddeutschen Zeitung stehen können. Um eine solche Schmähung…/ mehr

Rainer Bonhorst / 05.08.2022 / 15:00 / 18

Lob des deutschen Flickenteppichs

Der Föderalismus ist eine der Stärken Deutschlands, obwohl viel auf unserem Flickenteppich herumtrampelt wird. Das halbwegs selbstständige Leben der unterschiedlichen Bundesstaaten ist ein Erfolgsmodell.  Gerade…/ mehr

Rainer Bonhorst / 01.09.2021 / 12:00 / 34

Ein paar unangenehme Fragen zur Wahl

Sowohl Olaf Scholz als auch Armin Laschet stellt sich das Fragen-Paar: Wie viel Olaf Scholz steckt in der SPD und wie viel Armin Laschet steckt…/ mehr

Rainer Bonhorst / 13.07.2021 / 10:00 / 64

England oder Italien: Eine politische Entscheidung

Da ich gerne zwischen England und Italien pendle, fragte ich mich natürlich: Mit welchem Fußball-Finalisten soll ich es halten? Die Entscheidung fiel diesmal knapp, aber…/ mehr

Rainer Bonhorst / 12.07.2021 / 13:30 / 49

Wie wäre es mit Grünfahren?

Schwarzfahren gilt neuerdings als rassistischer Begriff. Wie soll man aber in Zukunft fahren, wenn man ohne Fahrschein ist? Nach reiflicher Überlegung scheiden sämtliche Farben aus…/ mehr

Rainer Bonhorst / 22.04.2021 / 15:30 / 10

Afghanistan: Zwanzig Jahre und kein bisschen weiter

Als George Bush, der Jüngere, vor zwanzig Jahren bekanntgab, dass er Soldaten nach Afghanistan schicken wird, holte ich mir ein altes Buch aus dem Regal:…/ mehr

Rainer Bonhorst / 20.04.2021 / 17:00 / 51

CDU entscheidet sich für Annalena Baerbock

Wie zu erwarten hat sich die CDU für den schwächeren Kanzlerkandidaten entschieden und damit – sozusagen als Freundschaftsvorleistung – die Chancen der grünen Kandidatin Annalena…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com