Henryk M. Broder / 23.05.2018 / 10:30 / 23 / Seite ausdrucken

Die Palästinenser wollen nur Staat spielen

Wenn bei einer Demonstration mehr als 50 Menschen ums Leben kommen, kann es nicht ausbleiben, dass dies das Top-Thema aller Nachrichtensendungen wird. Auch die Frage, ob Israel überreagiert hat, ob es nicht Möglichkeiten gegeben hätte, die von den Gaza-Palästinensern provozierten Zusammenstöße mit der israelischen Armee anders als mit scharfer Munition zu beantworten, ist völlig legitim. Nur lassen sich solche Fragen aus sicherer Entfernung leichter stellen und beantworten als aus einem Ort namens Nir Am, einem 1943 gegründeten Kibbutz an der Grenze zu Gaza, in dem etwa 100 Familien von der Landwirtschaft leben.

Von Nir Am aus liegt Gaza gleich um die Ecke, hier fragt man sich, was den Einwohnern des Dorfes geblüht hätte, wenn die Demonstranten es geschafft hätten, den Grenzzaun zu überwinden. Wollten sie nur mal das Community Center von Nir Am besuchen oder mit einem Linienbus nach Tel Aviv fahren, um dort am Strandleben teilzunehmen? Die Frage mag spekulativ klingen, die Antwort ist es nicht. Die Chance, einen solchen Angriff zu überleben, wäre etwa so groß wie die, bei einem Tsunami mit dem Leben davon zu kommen.

Nun hören und lesen wir überall, die Proteste der Palästinenser richteten sich erstens gegen die 70-Jahre-Feiern des Staates Israel, zweitens gegen die Anerkennung von Jerusalem als israelische Hauptstadt durch den US-Präsidenten und drittens gegen die Verlegung der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem. Und die „unverhältnismäßigen“ Reaktionen der Israelis wären dazu angetan, den „Friedensprozess“ zu beschädigen, ihn gar zugleich mit den vielen Todesopfern zu begraben.

Nur die Kanzlerin glaubt an eine Zwei-Staaten-Lösung

Das ist alles Unsinn. Außer der deutschen Kanzlerin glaubt niemand daran, dass es einen „Weg zum Frieden“ gibt, an dessen Ende eine „Zwei-Staaten-Lösung“ stehen würde. Weder die Israelis noch die Palästinenser sind an einer „Zwei-Staaten-Lösung“ interessiert. Die Israelis nicht, weil sie wissen, dass eine solche Lösung nur der formalisierte Anfang vom Ende wäre; die Palästinenser machen es immer wieder klar, dass sie sich keine Rückkehr zum Status quo ante von 1967, also vor dem Sechs-Tage-Krieg, wünschen, sondern ein Zurück zum Status quo ante von 1947/1948, also vor der Gründung des israelischen Staates.

Hinzu kommt, dass die Palästinenser nur „Staat spielen“, aber keinen haben wollen. Sie haben einen „Präsidenten“, eine Fahne, eine Hymne, eine Vertretung bei den UN, sie geben Empfänge, organisieren Konferenzen. Um alles Übrige – Schulen, Krankenhäuser, Müllabfuhr – kümmern sich internationale Organisationen, allen voran die 1949 gegründete UNRWA, das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten, mittlerweile der zweitgrößte Arbeitgeber in der ganzen Region. In der Westbank machen sich über 1.000 NGO’s gegenseitig Konkurrenz. In Gaza, wo die Bevölkerung angeblich Not leidet, gibt es genug Geld für den Bau aufwendiger Tunnelanlagen und für die Ausrüstung der Hamas-Truppen mit Waffen und Uniformen, aber kein Geld für den Ankauf von Arznei- und Lebensmitteln, die von Israel geliefert werden.

So würde ein souveräner palästinensischer Staat aussehen

Gaza, oder wie man immer wieder lesen kann, „das größte Freiluftgefängnis der Welt“, ist ein Vorgeschmack darauf, wie ein souveräner palästinensischer Staat aussehen würde: Gewalttätig gegenüber der eigenen Bevölkerung und terror-friendly im Umgang mit seinen Nachbarn. Die Ägypter wissen das, die Israelis auch. Dass sich der wohl organisierte Zorn der Palästinenser nur gegen Israel richtet, hat einen einfachen Grund: Er lässt sich international besser als „Freiheitskampf“ vermarkten. Die Gaza-Palästinenser, so erklärte eine ARD-Korrespondentin vor kurzem die Lage, hätten „nichts mehr zu verlieren, nicht einmal ihr Leben“. Sie vergaß nur zu erwähnen, dass der Gaza-Streifen im Sommer 2005 von den Israelis komplett geräumt wurde und seit 2007 von der Hamas regiert wird.

Was also wollen die Palästinenser? Die Uhr der Geschichte zurückstellen? Die Israelis bewegen, sich einen anderen Platz in der Welt zu suchen? Präsident Trump zwingen, die US-Botschaft in Tel Aviv zu lassen? Für die Menschen im Gazastreifen, schrieb die sonst sehr israelkritische taz, sei es „völlig unwesentlich, wo die amerikanischen Diplomaten ihre Visaformulare unterzeichnen“.

Worum geht es also den Palästinensern, die sogar nach Meinung der taz „von ihrer skrupellosen Führung zu Kanonenfutter“ gemacht werden? Um den eigenen Bedeutungsverlust. Angesichts des Konflikts zwischen dem Iran und Saudi-Arabien verliert die Welt das Interesse am Schicksal der Palästinenser. Es sollte den Palästinensern zu denken geben, dass Saudi-Arabien das Existenzrecht Israels anerkennt und Bahrein den Israelis das „Recht auf Selbstverteidigung“ zugesteht. Und das ist erst der Anfang.

Trump muss man alles zutrauen

Wer den Palästinensern helfen möchte, sollte ihnen raten, den Realitäten ins Auge zu sehen. Es gab nie einen palästinensischen Staat, und Jerusalem war nie die Hauptstadt eines nicht vorhandenen palästinensischen Staates, dafür immer der spirituelle Kern eines extra-territorialen jüdischen Volkes. Niemand hat die Palästinenser und deren arabische Freunde bis zum Sechs-Tage-Krieg im Juni 1967 daran gehindert, einen palästinensischen Staat in der von Jordanien verwalteten Westbank mit Ostjerusalem als Hauptstadt auszurufen. Niemand wollte einen solchen Staat, nicht einmal die Palästinenser.

Die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt ändert nichts an einem Zustand, der längst Wirklichkeit ist. Und die – erst einmal symbolische – Verlegung der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem ist keine Trump’sche Idee, die der Präsident beim Golfspielen hatte, um sich bei seinen evangelikalen und jüdischen Wählern anzubiedern. Im Jahre 1995 hat der US-Congress mit dem „Jerusalem Embassy Act“ ein Gesetz beschlossen, das die US-Regierung dazu verpflichtet, ihr aber auch die Möglichkeit gibt, den Vollzug des Gesetzes auszusetzen. Dieses 23 Jahre währende Doppelspiel hat Trump nun beendet. Und außerdem ein Wahlversprechen eingelöst.

Dass ein Präsident nach der Wahl etwas tut, was er vor der Wahl versprochen hat, ist in der Tat ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig. Hätten sich die Medien nicht nur für Trumps Affären und seine schlechten Manieren interessiert, hätten sie es ahnen können.

Dem Mann ist jede Sauerei zuzutrauen.

Zuerst erschienen in der Züricher Weltwoche

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Leserpost

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volker mothes / 23.05.2018

Zuerst einmal für Herrn Broder, kritisch,sarkastisch,informativ und unverzichtbar für gute politische Kommentare. Aber !!! Egal wo auch immer eine Kritik an Israel geäußert wird ist man sofort judenfeindlich. Auch bei Herrn Broder. Wir schauen ganz einfach einmal in die Geschichte und Vorgeschichte des heutigen Israel. Was fällt hier auf aber nicht gesagt werden will und darf. Fast eine Million Araber wurden vertrieben. Hier wird dann nach den 2. Weltkrieg von der Gründung eines “demokratischen” jüdischen Staates gesprochen. Welch Sarkasmus. Wichtig! Die Landnahme der arabischen Gebiete erfolgte schon zum großen Teil vor der Judenvernichtung im 2. Weltkrieg. Mit freundlichem Gruß V:M:

H.Roth / 23.05.2018

Es wäre doch etwas für das Guiness Buch der Rekorde: die größte Schauspieltruppe der Welt und die längste Spieldauer (des immer gleichen Stückes). Ganz großes Open-Air-Kino, zum Großteil bezahlt von der Bundesrepublik! Das klappt aber nur, weil, während die Palästinenser “Staat spielen”, gleichzeitig unsere Regierung “Demokratie spielt”.

Anders Dairie / 23.05.2018

Wer meint, dass der arabische Krieg gegen Israel sich aus einer Reihe von Scharmmützeln zusammensetzte, liegt falsch. Auch der 6-Tage-Krieg 1967, der vor-nehmlich von Ägypten getragen wurde, brachte nicht den Höhepunkt.  Diesen brachte ein Angriff syrischer gepanzerter Fahrzeuge im Rahmen des Jomkipur-Krieges im Jahr 1973 im nördlichen Vorfeld der Golanhöhen.  Dort griffen mehr als 2 Tausend syrische Panzer T-55 die israelischen Bereitstellungen an.  Es entstand die größte und blutigste Panzerschlacht seit Kursk / Ukraine im Jahr 1943.  Die Syrer wollten Nord-Israel überrennen und vom Süden abtrennen. Das ist ihnen gründlich mißlungen.  Das ist der Grund, weshalb Israel niemals auf den Golan verzichten wird.  Die Golanstellungen sind ihre Lebensversicherung. Übrigens, rund 1/3 der Israelis haben palästinensische Wurzeln.  Israel ist ein erfolgreicher Staat und das größte Integrationsprojekt der Levante.

Peter Michel / 23.05.2018

Im Prinzip ist die deutsche Unterstützung der Palästinenser nach 1945, eine Form der Fortsetzung der Judenvernichtung zuvor. Nur die „Drecksarbeit“ verrichten jetzt andere.

Franziska Kreß / 23.05.2018

Israel ist das Beste was allen Antisemiten passieren konnte. “Antisemit” klingt nicht gut, so völkisch, nach Nazi. Antizionist, oder noch besser “Israelkritiker” klingt schon besser politisch korrekter. Ob es den “Israelkritikern” nun paßt oder nicht, aber die Gründung des Staates Israel hat eine sehr, sehr lange Vorgeschichte. Verständlich, daß Juden nach Jahrtausenden der Verfolgung, nach dem schlimmsten Völkermord in der Geschichte der Menschheit, nicht mehr wehrlos sein wollen. Hätte Israel nicht diese schlagkräftige Armee und diesen effektiven, vielgescholtenen Geheimdienst, der jüdische Staat wäre heute längst wieder Geschichte. In Deutschland sorgt schon ein mißglückter Bombenanschlag wochenlang für Schlagzeilen, in Israel ist so etwas fast schon Alltag. Schiller zufolge kann der Frömmste nicht im Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Israel hat nun keine so netten, friedlichen Nachbarn wie Deutschland sondern ist von Feinden umgeben, die, wie sich früher zeigte, jedes Nachgeben als Schwäche interpretieren. Im Iran und anderen muslimischen Staaten, werden Fernsehserien produziert, in denen widerlichste, antijüdische Propaganda verbreitet wird, Serien, die, dank SAT-Schüsseln, auch in Deutschland Verbreitung finden.  Die sogenannten “Protokolle der Weisen von Zion” und Hitlers “Mein Kampf” sind Bestseller in der muslimischen Welt, in palästinensischen Schulbüchern, die wohl auch von der EU mitfinanziert werden, existiert der Staat Israel gar nicht mehr (soviel zum Thema “Zweistaatenlösung”). Wenn hierzulande Juden, nicht einmal Israelis, sondern deutsche Staatsbürger,  verbal und körperlich attackiert werden (leider keine “Fake-News”), finden sich sofort Relativerer die Verständnis zeigen, weil der Angreifer wohl nur gegen Israel protestieren wollte. Wie man es dreht und wendet, auch nach dem sogenannten “Arabischen Frühling”, ist Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten und muß von allen europäischen Ländern unterstützt werden.

Frank Hilgers / 23.05.2018

Ja, das ist genau was der Nahe Osten braucht. Noch einen “failed State”. Das Problem könnte längst erledigt sein, würde man aufhören jedes Jahr Milliarden an Terroristen zu verteilen. Undenkbar wenn die Hamas ihren Hass selbst finanzieren müsste.

Wolfgang Kaufmann / 23.05.2018

Mit Perfektion inszenieren sie sich als unterdrückte Minderheit, mit den üblichen Bildern, um wohlstandsverwöhnte Gutmenschen vom heimischen Sofa aufzuschrecken: nicht die Aktion wird gezeigt, nur die Reaktion. Das System greift nur, weil sich das geneigte deutsche Publikum gar nicht vorstellen kann oder will, dass die Herren dort unten generalstabsmäßig Frauen vorschicken, Kinder verheizen und auch bei ihrer Variante der Endlösung genau das meinen, was sie sagen. — Das Schlimmste übrigens, was ihnen passieren könnte, wäre plötzlich völlig selber verantwortlich zu sein. Da ihre eigene Religion angeblich perfekt sei, müssen an ihrem Elend notwendigerweise alle anderen schuld sein.

Udo Kemmerling / 23.05.2018

Großartig, Herr Broder! Danke, wiedereinmal. Und ich freue mich auf weitere “Sauereien” aus Washington…

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