Ralf Schuler / 18.09.2013 / 22:24 / 2 / Seite ausdrucken

Die Moral der Anderen

Wer sich entschuldigen will, sollte ein Wort meiden: ABER.

Katrin Göring-Eckardt, Spitzenkandidatin der Grünen, hat Frauen der Union in einem Brief geantwortet, die die mangelnde Distanzierung der Spitzen-Grünen von den Kindersex-Thesen ihrer Partei kritisiert hatten.

Es habe in den 80er Jahren „schlimme Verirrungen“ gegeben, schreibt Göring-Eckardt. Ohne Übergang fügt sie an: „Ich sage aber auch ganz klar: Hören Sie auf mit diesem Thema Wahlkampf zu machen!“

Die grünen Verirrungen ein Tabu-Thema im Wahlkampf? Ausgerechnet eine Partei, die vom Essen bis zur Fortbewegung den Alltag der Menschen reglementieren möchte, will das elementare Thema ihres Menschenbildes aus dem Wahlkampf heraushalten.

Das ist absurd.

Denn in Wahrheit geht es den Grünen noch immer darum, hergebrachte Normen über Bord zu werfen und durch selbstgemachte neue zu ersetzen. Selbst nach den schlimmen Pädosex-Entgleisungen der 80er Jahre will die Grüne Jugend noch immer die bürgerliche Ehe schleifen, aus dem Grundgesetz streichen. Einsicht sieht anders aus. Mehr als ein Grund, darüber im Wahlkampf zu sprechen.

Wo denn sonst?

ABER Göring-Eckart fordert nicht nur einen von unangenehmen Fragen unbehelligten Wahlkampf für ihre Partei, sie geht auch im gleichen Schreiben wieder in das, was sie für Offensive hält: Die Sexualmoral der alten Bundesrepublik habe damals für viel Leid gesorgt schreibt sie.

Außerdem hätte die Union sich lange gegen klare Gesetze gegen die Gewalt in der Ehe gesperrt, blockiert, behindert.

ABER: Wer einen Fehler gemacht hat, sollte nicht beim Entschuldigen schon auf andere zeigen!

Die Fehler anderer entschuldigen nichts. Man ent-schuldigt sich nicht, indem man andere be-schuldigt.Außerdem geht es bei der Sexualmoral von einst und bei der Gewalt in der Ehe um Konflikte unter Erwachsenen. Die angestrebte Strafbefreiung der Pädophilie ist Missbrauch wehrloser, schutzbefohlener Kinder. Im Klartext: Die Grünen sehen sich noch immer als Inhaber einer besseren, „moderneren“ Moral. Das macht ihre Entschuldigung unglaubwürdig.

Wer sich entschuldigen will und muss, sollte sich entschuldigen. Ohne wenn und vor allem ohne ABER! Wenn dies glaubwürdig sein soll, sollte gerade bei den Grünen auch einen Augenblick lang die Einsicht durchschimmern, dass es manchmal gut ist, den bestehenden unbequemen Moral-Kompass der Gesellschaft erst einmal zu verstehen, bevor man ihn krachend umstürzen will.

Siehe auch:
http://www.fr-online.de/meinung/trittin-vergangenheit-paedophilie-debatte-klappe-halten—alle-miteinander,1472602,24335894.html

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Dr. Nikolaus Gatter / 19.09.2013

Na, na, na, Herr Schuler; wir wollen mal nicht den Kuppeleiparagraphen vergessen, von dem so auffallend laut geschwiegen wird dieser Tage. Über Jahrzehnte erhielt er der Deutschen liebstes Hobby am Leben - fröhliches Denunziantentum: was z. B. dazu führen konnte, Veranstalter einer Party, in deren Verlauf sich ein 16jähriger und eine 17jährige beim Knutschen erwischen lassen, schlimmstenfalls in den Knast kamen, als Pädagogen sowieso Berufsverbot erhielten usw. Wer hat eigentlich dafür gesorgt, dass der ehemalige Nuklearmanager und Kritiker des Atomwahns, Klaus Traube, keine terroristischen Aktivitäten nachweisen konnte, öffentlich mit der vorwandsstiftenden Behauptung rufgemordet wurde, er unterhalte im Speicher seines Hauses ein “Matrazenlager”? Das sei der Grund für die Bespitzelung, da müssten Staatsorgane schon mal nachschauen dürfen? Lassen Sie sich das Wort mal auf der Zunge zergehen, schmecken Sie es ab, mit Jg. 1965 müssen Sie es nicht erlebt haben und dürfen als Neocon meinetwegen ein neues Biedermeier aus lauter “hergebrachten Normen” herbeisehnen, das tun viele Ewiggestrige, aber sehen Sie als Journalist mal ins Pressearchiv, interessieren Sie sich für das Verdrängte, das nicht so nah liegt wie die aktuell modische Ereiferung - das kann manchmal lehrreich sein. Oder lassen Sie’s bleiben, Ihr Problem. Ich bin übrigens kein Grünenwähler.

Maria Leuschner / 19.09.2013

Sehr geehrte Frau Göring-Eckardt, ich schäme mich für Sie und bitte Sie, von zumindest den kirchlichen Ämtern zurückzutreten. “Die Sexualmoral der alten Bundesrepublik habe damals für viel Leid gesorgt”. Lassen Sie sich von mir als Pfarrerstochter sagen, dass Ihre Grünen-Politik bei vielen heutigen Bundesbürgern für viel Leid sorgt: 1. Ihre völlig inhuman und extremistisch handelnden Jungen Grünen, was die Überfälle auf die Wahlveranstaltungen der AfD angeht und damit Ihre Haltung zu bürgerlich-konservativen Einstellungen 2. Ihre doktrinären Auffassungen zu “Genderfragen” u. a. 3. Ihre Arroganz in Fragen des Primats der bürgerlichen Ehe in unserem Staat und damit Ihr Freibrief für die linken Jugendhorden Ihrer Partei, diese bürgerlichen Werte unserer Gesellschaft zu unterminieren. Sie, Frau Göring-Eckardt, repräsentieren mitnichten unseren Volkswillen, der zum Glück immer noch auf Bürgerlichkeit, Werte-Verlässlichkeit und Integrität und Aufrichtigkeit beruht. Maria Leuschner

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Ralf Schuler / 14.02.2023 / 12:00 / 91

Rezepte gegen den Ungeist

Welche Faktoren bewahren einen Menschen davor, im Gleichschritt mitzulaufen? Ralf Schuler geht dieser Frage anhand des Essays „Hitler und wir“ von Markus Günther nach.  In…/ mehr

Ralf Schuler / 06.02.2023 / 06:00 / 62

Mit fröhlichem Ernst aus der Reihe tanzen!

Was ist zu tun? Was hat der Bürger dem woken Marsch durch die Institutionen entgegenzusetzen? Ralf Schuler versucht in seinem neuen Buch, Antworten auf diese…/ mehr

Ralf Schuler / 13.02.2021 / 10:00 / 172

Ich und Du, Tonis Kuh! – Und der Zweck heiligt doch die Mittel

Es war nicht alles schlecht. Manche haben es ja schon immer geahnt. Mitunter sind Gestrige auch von heute und morgen. Grünen-Fraktionschef Anton „Toni“ Hofreiter hat…/ mehr

Ralf Schuler / 28.01.2021 / 08:34 / 80

CDU: Ein Mischgemüse der Macht

Die CDU ist eine seltsame Partei. Sie hat 2018 mit der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen Vorsitzenden einen ähnlich mittigen und moderierenden Politikstil gewählt,…/ mehr

Ralf Schuler / 11.12.2020 / 06:25 / 71

Merkel und die Schwerkraft

„Ich glaube an die Kraft der Aufklärung.“ Ein Satz, wie ein Manifest aus der als besonders emotional gelobten Rede von Kanzlerin Angela Merkel (66, CDU)…/ mehr

Ralf Schuler / 15.11.2020 / 06:10 / 53

Ich distanziere mich schon einmal präventiv…

„Jetzt haben Sie einen neuen Verlag, einen Neuanfang. Das wäre jetzt ja die Gelegenheit, sich grundsätzlich zu den sogenannten Neuen Rechten zu positionieren“, sagt die…/ mehr

Ralf Schuler / 11.08.2020 / 06:00 / 63

So werden Sie was in der Politik

„Stimmt. Sehe ich genau so, aber …“ Wenn es darum geht, in aktuellen politischen Debatten KEINE Meinung zu vertreten, ist die Liste der Begründungen lang.…/ mehr

Ralf Schuler / 29.04.2020 / 14:00 / 48

Corona-Zerwürfnisse überall

Pandemie oder Panik, Angst oder Spott – Corona legt auch die Tiefenschichten im Freundes- und Bekanntenkreis frei. Hat man ansonsten selbst bei unbekannten Themen und…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com