Ulli Kulke / 23.09.2015 / 13:00 / 5 / Seite ausdrucken

Die Methode Volkswagen USA ist bei uns Gesetz

Wenn VW kriminell gehandelt hat, dann müssen wir mal über die extralauten Motorräder hierzulande reden. Die dürfen bei uns ganz legal einen Sensor haben, der genau im Bereich der Lärm-Messungen auf leise schaltet – und ansonsten unbehelligt knallen, was der Pott hergibt.

Jetzt regen sich alle über VW auf. Zurecht. Das meine ich allerdings vor allem wegen der Blödheit der Verantwortlichen im Konzern, weniger wegen der paar Milligramm an Stickoxiden. So einen Sensor serienmäßig einzubauen, der spürt, ob das Auto im Normalbetrieb läuft und dann Stickoxide ausspucken darf, was der Diesel hergibt oder ob gerade eine Abgassonderprüfung läuft und der Motor dann alles an sich hält – und dann auch noch zu meinen, all das könnte in den USA 1. an der dort knallharten Konkurrenz und 2. an der noch härteren Umweltbehörde EPA vorbei einfach so unbehelligt bleiben, das ist schon ein starkes Stück.

Irgendwie erinnert das an den Skandal beim ADAC, bei dem die Manipulation von Umfragedaten auch von höchster Ebene aus angeordnet wurde. Oder auch an die gezinkten Messungen der Autokonzerne, was den Benzinverbrauch angeht. Sind all die Leute vom Benzin oder Diesel eingenebelt? Hypnotisiert das Motorwesen uns alle und zwingt uns zum Betrug? Von der privat frisierten Mofa bis zum werksseitig eingebauten Bescheiß-Apparat?

Das tollste dabei ist aber: Auch der Staat ist davon ergriffen, er zeigt, wie der Betrug in Gesetze gegossen wird, und zwar „Made in Germany“. Nicht bei Stickoxidmengen, sondern beim ohrenbetäubenden Lärm, bei dröhnenden Auspuffen, die ganze Orte an den Alpen oder an den schönsten Bergstraßen der deutschen Mittelgebirge unbewohnbar machen, die braven Bürgern den Schlaf rauben, wenn die unzähligen Horden von Harley-Freunden im Fünfminutentakt ihre Gegenden unsicher machen, ihrer Lärmsucht frönen.

Es klingt unglaublich, aber es ist wahr: Die Auspuffanlagen von Motorrädern müssen so ausgelegt sein, dass sie im Bereich zwischen 50 und etwa 70 oder 80 Stundenkilometern bestimmte Phonzahlen einhalten. Das ist nämlich der Bereich, in denen die behördlichen Lärmemissions-Messungen stattfinden. Bei allen anderen Geschwindigkeiten aber dürfen die Motorräder knattern, dröhnen, spotzen, so laut sie wollen und können, dafür gibt es keine Begrenzungen. Viele Motorräder sind ab Werk mit einem „Klappenauspuff“ ausgestattet, der die Lautstärke in genau jenem Bereich drosselt, darunter und darüber aber rauslässt, was an Lärm nur irgendwie herauszuholen ist, den Auspuff sozusagen nichtexistent macht. Bei Motorrädern ohne diesen smarten Auspuff ist eine Nachrüstung möglich, die Zubehörindustrie freut sich. Ein- zweitausend Euro, und jeder hört dich, nah und fern. Alles ganz legal. Die Motorradhersteller werben deshalb unbehelligt mit „kernigem“, „sattem“, „vollem“, „fauchendem“, „krawalligem“ Geräusch. Oder so: „Die Auspuffanlage, die brüllt“ (Kess Tech, Zubehörfirma).

Wer sich an den warmen, motorradfreundlichen Tagen ärgert und wundert, warum die Motorräder so laut sein dürfen, und sich fragt ob das alles rechtens ist, dem sei gesagt: Ja, so ist es: Methode VW in den USA, gewollt und erlaubt.

Okay, liebe Motorradfahrer unter den Lesern hier, nicht alle wollen die Anlieger ärgern, nicht alle wollen nerven. Aber die paar, denen das egal ist, die reichen schon. Einer dieser Brüder, der nachts über die Berliner Stadtautobahn über eine Strecke von vielleicht zehn Kilometern donnert, weckt schnell mal ein paar tausend Leute auf. Nur, weil er laut “brumm-brumm” machen will, wie ein Kleinkind. Ist das den Spaß wert?

Aber darum solle es hier, wie gesagt, nicht gehen. Sondern darum, dass der Staat dies auch noch fördert. Wer wundert sich da noch, dass VW mit ähnlichen Methoden vorgeht.

Zum Thema Klappenauspuff siehe auch diesen Link

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Franz Liszt / 26.09.2015

Bravo, Sie haben viel Mut! In den USA gibt es keinen Kat - Zwang - da dürfen NOx ungedämpft entschlüpfen!

Carl Jung / 25.09.2015

Ich bin selber Motorradfahrer und besitze zwei Großmotorräder mit mehr als 120 PS. Und ich lege Wert darauf, dass meine Maschinen leise laufen. Mir ist völlig schleierhaft, was Krawall mit Fahrvergnügen zu tun hat. Und darum verstehe ich nicht, warum etliche Hersteller, z.B. BMW bei ihren Boxermodellen “Soundmanagement” betreiben. Viele Tester bemängeln, dass die neuen GS-Modelle viel zu laut sind, unnötigerweise. Wenn wir von zu viel Lärm sprechen, sollten wir aber auch mal über Rasenmäher und andere benzingetriebene Gartengeräte und über Laubbläser nachdenken. Das Motto “Ich lärme, deshalb bin ich” ist nicht nur bei Bikern verbreitet. Carl Jung

Hartmut Laun / 25.09.2015

Guten Tag, das kommt davon wenn die Wachstumsaussichten einer Ökonomie, die auf Wachstum unbedingt angewiesen ist, wenn die an ihre Grenzen kommt, weil jeder schon alles hat und bald merkt, das er auch nicht mehr braucht, als drei oder vier Akkuschrauber, Bit-Sammlungen, Flachbildschirme im Wohn- und Schlafzimmer, in der Küche. Er merkt, dass noch so viel Kerne in seinem neuen PC mit dem superschnellen Prozessor, ihm beim Surfen in Netz nichts bringen und er überrascht sich gibt, das die neue Maschine, selbst mit der einfachsten Textverarbeitung, die Kündigung seiner Autoversicherung, die Beschwerde gegen ein lauten Nachbarn, die freundlichen Geburtstagsgrüße an die Verwandten, das ein solcher PC ihm diese Arbeiten nicht abnehmen kann. Wenn der PC als ein Rennpferd gekauft wurde, aber der Benutzer ein Ackergaul geblieben ist, immer bleiben wird. Alles was wegen dieser Klemme im Massenkonsum dabei hilft den Bereich der Vernunft zu verlassen, den Umsatz zu steigern, alles das wird gemacht, so auch Motorräder, welche den kindlichen Spieltrieb befriedigen. Ein Fahrzeug welches mal dafür erfunden wurde, ohne zu laufen, ohne Pferd und Wagen zu gebrauchen, schnell, über große Entfernungen, von einem Ort A zu einem Ort B zu gelangen.

Ralf Hart / 23.09.2015

Sehr geehrter Herr Kulke, vielen Dank für diesen Beitrag! Denn auch mir stösst der teils merkwürdige Lärmpegel seit geraumer Zeit übel auf. In diesem Jahr kreischten sich besonders diese “jugendfreien” Roller in den Vordergrund. Jeder Anwohner einer einigermaßen frequentierten Innenstadtstraße wird wissen, wovon hier die Rede ist. Nicht nur mir ist es ein Rätsel, wie diese Kreissägen auf zwei Rädern eine allgemeine Betriebserlaubnis bekommen haben. Aber ich bin auch öfters an einem Hotspot, an dem zum Feierabend die Jungmanager ihre Porsches in Bewegung setzen. Da werden dann die zartgliedrigen Sachbearbeiter, befreit vom Wohlverhaltenszwang, zu Berserkern der Straße und reissen die Motoren in den ersten zwei/drei Gängen in den Drehzahlbegrenzer. Das grenzt schon fast an Gesundheitsgefährdung der ahnungslosen Passanten, die leider nicht rechtzeitig einen Mindestabstand zu diesen Gefährten aufbauen können. Der schlagartig einsetzende Lärm kann da schon mal zu einer Panikattacke führen. Nichts für schwache Nerven! Nun bin ich selbst Autofreund und Motorsportfan. Und deswegen will ich den Lärm auf der Rennstrecke, aber nicht im öffentlichen (Verkehrs-)Raum. Sounddesign sollte zu einer Reduzierung des Kraches führen, nicht zur zielgerichteten Verschärfung. Doch es bollert und sägt und heult immer heftiger! Sie liegen vollkommen richtig mit Ihrer Ansicht, Herr Kulke. Die Verwahrlosung der Sitten macht sich eben auch in diesem Bereich bemerkbar. Doch lassen Sie mich noch eine kleine Ergänzung hinzu fügen: mir fiel in den letzten Jahren immer mehr auf, das zunehmend die Motoren weiter laufen, obwohl der Fahrer irgendeiner anderen Beschäftigung nachgeht. Dazu gehört der Gang in den Kiosk, Erledigung kleiner Bankgeschäfte oder auch schon mal die Abgabe oder Abholung eines Paketes in der Postfiliale! Mehrfach schon durfte ich Zeuge werden, wie ein großvolumiger Motor in einer neuwertigen Oberklasselimousine mehrere Minuten unbeaufsichtigt vor sich hinbrabbelte! Wenn schon wir Bürger nicht eigeninitiativ rücksichtsvolles Verhalten an den Tag legen, was erwarten wir dann von unseren Politclowns!? MfG

Herwig Mankovsky / 23.09.2015

Den Motorradfahrern sind die so autofeindlichen Grünen gut gesinnt, da spielt wahrscheinlich der Born-to-be-wild-Mythos, dem die alten 68er-Deppen noch verhaftet sind, eine Rolle. Auch beim Flugverkehr haben die Vielflieger-Grünen erstaunlich viel Nachsicht. Na ja, selektiver Umweltschutz eben.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Ulli Kulke / 24.02.2024 / 06:05 / 119

Herr Fratzscher fühlt sich nicht wohl

Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, hat ein Interview gegeben und erzählt zum Thema Migration unglaublich dummes Zeug. Präsident Marcel Fratzscher und sein…/ mehr

Ulli Kulke / 20.02.2024 / 06:00 / 77

Als die Grünen jenseits der Brandmauer saßen

Der neueste Hit gegen die AfD heißt: Zielführendes Regierungshandeln, etwa in der Migrationspolitik, nutze nur der radikalen Opposition! Hätte man sich früher daran gehalten, gäbe…/ mehr

Ulli Kulke / 23.01.2024 / 06:00 / 208

Wem helfen die Massen-Demonstrationen?

Es gibt Massendemonstrationen „gegen rechts". „Wir sind mehr“, stand auf den hochgehaltenen Spruchbändern. Aber repräsentieren sie alle wirklich die Mehrheit der 81 Millionen Deutschen? Was erreichen…/ mehr

Ulli Kulke / 30.11.2023 / 12:00 / 45

Beim Thema Klimawandel kühlen Kopf bewahren

Heute beginnt die Weltklimakonferenz in Dubai. Ein guter Anlass, das Buch „Der Mensch-Klima-Komplex“ vorzustellen. Der Autor Hans von Storch ist Insider, hat selbst an Berichten des UN-Klimarates IPCC…/ mehr

Ulli Kulke / 22.11.2023 / 06:00 / 70

Kein EU-Verbot von Glyphosat

Harte Zeiten dürften auf Cem Özdemir zukommen. Die EU hat ihm – und seiner grünen Partei – nicht wie erhofft den Gefallen getan, dem in…/ mehr

Ulli Kulke / 27.09.2023 / 06:15 / 59

Gendern in Thüringen: Große Mehrheit dagegen, CDU traut sich selbst nicht

Demokratie Paradox in Thüringen, mal wieder. Was zählt Volkes Stimme, was soll sie zählen? Vor allem aber: Was darf sie zählen – und was darf…/ mehr

Ulli Kulke / 16.09.2023 / 06:15 / 81

Die Sirenen der Brandmauer-Profiteure

Warum reagieren die linken Parteien so hysterisch auf ein mit CDU, AfD und FDP-Mehrheit beschlossenes Gesetz in Thüringen? Ganz einfach: Sie – vor allem die Grünen…/ mehr

Ulli Kulke / 23.08.2023 / 06:00 / 43

Die Zwei im irren Germanistan

Henryk M. Broder und Reinhard Mohr liefern in ihrem neuen Buch „Durchs irre Germanistan. Notizen aus der Ampel-Republik“ eine Momentaufnahme des Öffentlichen Raums zur Halbzeit…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com