Sie sind nicht naiv.
Wenn in der Irrenanstalt geputsch wird, dann hat das Personal einen schweren stand. Ist nicht ganz PC aber deutlich.
Sehr geehrter Herr Schneider, es ist eigentlich ganz einfach, und warum soll man es nicht beim Namen nennen: Die “Rechten” halten den Politikansatz der “Linken” für grundfalsch und einen historischen Irrtum. Die “Linken” halten die “Rechten” für die schlechteren, moralisch minderwertigen Menschen. Überspitzt? Ja, aber allenfalls ein bisschen. Ich habe einen Moment überlegen müssen, wann die Linke damit begann, dem bürgerlichen Lager die moralische Grundierung ihres Politikentwurfs abzusprechen. Unt tatsächlich scheint dies zeitlich und inhaltlich mit dem Aufkommen der Grünen als Partei in Zusammenhang zu stehen. Die entsprechenden Versatzstücke finden sich relativ mühelos: Kernenergie, NATO-Nachrüstung, Startbahn West, das angebliche Waldsterben. Auf jedem dieser Politikfelder waren es die Grünen und ihre Korona, die ihren Gegnern nicht nur die politische Vernunft, sondern den moralischen Kompass ihres Handelns absprachen. Diese Haltung fand schließlich über Bataillone grüner Journalisten den Weg in den medialen Mainstream und konnte von dort aus die gesamte Republik kontaminieren. Der Charme dieses moralischen Überheblichkeitsgetues ist, dass - ist der Gegner erst einmal mit dem Stigma der Amoral versehen - man sich mit seinen Argumenten nicht mehr befassen muss. Man sieht das gerade wieder sehr “schön” in der “Flüchtlings"debatte, in jedes sachliche Vorbringen gegen offene Grenzen und unbegrenzten “Familien"nachzug sofort in moralisierender Soße ertränkt und die moralische Diskreditierung Andersdenkender zusätzlich mit deren handlicher Titulierung als “Nazis” unterfüttert wird. Die Debattenkultur, die früher einmal in dem Land, in dem wir gut und gerne leben, selbstverständlich war, kommt nicht wieder. Zu verlockend ist es für die politische Linke, sich durch moralische Abwertung des politischen Gegners weitgehend argumentfrei durch den Diskurs mogeln zu können. Man könnte vielleicht die Hoffnung haben, dass der Kollaps staatlicher und gesellschaftlicher Strukturen, auf den die Linke dieses Land mit Volldampf zusteuert, auch für den Umgang miteinander in der politischen Auseinandersetzung eine kathartische Wirkung haben möge. Ich habe da meine Zweifel. Wenn sozialistische Ikonen Staaten in Serie vor die Wand fahren und auf Kirchentagen, in Talkshows und in Hochschulseminaren trotzdem noch als Helden und moralische Autoritäten abgefeiert werden, dann ist die Wahrnehmung so verzerrt, dass in der Filterblase der moralischen Überlegenheit vermutlich auch der ganz große Knall nicht mehr gehört wird.
Ich erwarte von Politikern zuerst einmal, dass Sie eine Vorbildfunktion wahrnehmen. Egal, welcher Coleur sie angehören. Eine Diätenerhöhung als erste parlamentarische Handlung nach der Wahl unterhöhlen das Ziel genauso wie Schreianfälle von Grünen und Polemiken von Seiten der AfD und der Linkspartei. Einmal ganz abgesehen von der Nahles-Comedy im Bundestag. In der oppositionslosen Phase von 2014 bis zum September 2017 gab es in dem für die Bevölkerung relevantesten Thema, der Migrationskrise, nur eine politische Meinungsoption. Bis zur BTW hat sich gerade bei diesem Thema sehr viel kritikfähiges ereignet, was zu immer größeren Zweifeln an der Richtigkeit dieser Politik in der Bevölkerung geführt hat. Aber nach wie vor, abgesehen von einigen rein kosmetischen Maßnahmen, ignorieren alle Parteien, mit Ausnahme der AfD, komplett die Ablehnung dieser Politik in großen Teilen der Bevölkerung. Sondern machen weiter nach eigenem Gusto. Die AfD wird stigmatisiert, eine völlig überhöhte Obergrenze „verhandelt“, Familiennachzug und Zweitfrau, offene Grenzen und, um die Kritik in regierungskonforme Bahnen zu lenken, ein Netzkontrollgesetz. Nicht am Schwanz, Herr Schneider, am Kopf beginnt der Fisch zu stinken. Und nachdem auch die ÖR-Medien fest verankert im herrschenden politischen System erscheinen, wird der Ton rauher und die Aktionen härter, APO einmal anders herum. Vielleicht wird das ja wirklich dann wieder besser, wenn der politische Kopf abgewählt worden ist.
Sie sprechen da einen wichtigen Punkt an. Jeder Kulturkreis hat seine innere Logik, die im Zusammenleben innerhalb von Jahrhunderten entsteht und nicht nur geschriebene, sondern auch sehr viele ungeschriebene Gesetze enthält. “Das tut man nicht”, diese Formel war zwar seit den 68ern etwas verpönt, aber sie steht für ungeschriebene Gesetze. Man fährt nicht mit dem Auto in Menschenmengen, man trägt keine religiöse Kleidung am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit, man löst Streitfragen nicht mit dem Messer, sind nur einige von tausenden. Nun kommt eine Kultur, die früher aufgrund räumlicher Trennung dazu nicht in der Lage war, millionenfach in unseren Kulturkreis hinein, bringt eigene Gepflogenheiten mit, die nicht unbedingt besser oder schlechter sind als unsere, aber mittels einer anderen Logik verdrahtet sind, so dass wir sie nicht immer verstehen. Das hat etwas Disruptives, es bringt unsere ungeschriebenen Gesetze durcheinander und teilweise auch die geschriebenen. Und es macht uns alle zunehmend kopflos. Für die Mitglieder des anderen Kulturkreises gilt das übrigens spiegelbildlich ebenso. Für das Thema Zuwanderung gibt es mindestens ein Dutzend Kriterien, die man jedes für sich unterschiedlich bewerten kann. Daneben gibt es noch ein zusätzliches Kriterium, das oft vernachlässigt wird, da es eher ein Meta-Kriterium ist: nämlich die Spaltung, die unsere Gesellschaft allein durch die Anwesenheit dieses anderen Kulturkreises erfährt. Allein um diese Spaltung zu verhindern, wäre eine Begrenzung der Zuwanderung sinnvoll, egal wie man zu dem Dutzend anderer Kriterien steht. Zumindest sollte erstmal innegehalten und die Kriterien diskutiert werden.
“In der Transaktionsanalyse gibt es eine Kommunikationsregel: „Ich bin okay, du bist okay.“’ Herr Schneider - Sie setzen in diesem Satz das normale Leben mit einer therapeutischen Situation in eins. Das ist Unfug und führt direkt in die Sprach- Form- und Gedankenlosigkeit, die Sie ansonsten beklagen. Enzensberger hat diese Verwechslung von therapeutischem Setting und normalem Leben, die auch Sie oben befürworten, durchschaut, und u. a. in dem fantastischen und unbedingt lesenswerten Buch “Versuche über den Unfrieden” beleuchtet. Demnach schürt den Unfrieden, wer so argumentiert, wie sie das tun, weil er Voraussetzungen macht, die für einen Therapie ok sein können, die aber im normalen leben alle beteiligten überfordern. So z. B. die Voraussetzung, dass, weil ich ok bin, auch alle anderen ok seien. Das ist unsinnig von A - Z.
Und was ist mit Lesermeinungen - sachlich, kritisch-hart, aber berechtigt und oberhalb der Gürtellinie? Bleiben die dann unveröffentlicht?
Es stellt sich allerdings die Frage,ob es empfehlenswert erscheint, die Steuerbord sitzenden, auf dem sich gefährlich Backbord neigenden Klipper Deutschland, zum Ausgleich in die Mitte zu bitten.
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