Von Maxeiner & Miersch erschienen in DIE WELT vom 27.07.07
Die „British Broadcasting Corporation“, kurz BBC, genießt weltweiten einen Ruf als ehrwürdige Institution und gilt als Hort eines über jeden Zweifel erhabenen journalistischen Ethos. Doch jetzt ist in England eine Debatte über den Verfall ihrer Prinzipien entbrannt. Dass von diesen zumindest rudimentär noch etwas vorhanden ist, zeigt ein selbstkritischer Bericht, den der Sender anfertigen ließ. Darin ist von „zumeist unbewusster Selbstzensur“ der Verantwortlichen die Rede, entstanden aus „einem fehlgeleiteten Wunsch heraus in korrekter Weise zu denken.“ Und diese Haltung durchzieht nicht nur die politischen Ressorts, sondern reicht bis tief in die Unterhaltung hinein. Selbst Krimis und Komödien sind von der immer gleichen Weltsicht durchzogen, die man mit einer Kultur des westlichen Selbsthasses umschreiben kann. So ging es in der erfolgreichen Agentenserie „Spooks“ in letzter Zeit dreimal um Terroristen. In zwei Fällen entpuppten sie sich als Mossad-Agenten, im dritten Fall handelte es sich um einen Komplott eines rechtsgerichteten Ministers. Islamischer Terrorismus ist in BBC-Kreisen offenbar nur als Verschwörung des Westens erträglich.
„Das Drehbuch hätte der iranische oder syrische Geheimdienst sich nicht besser ausdenken können,“ schreibt Jürgen Krönig, London-Korrespondent der ZEIT in einem denkwürdigen Online-Dossier über die Krise der BBC. Während der Lektüre überkam uns das Gefühl, dass wir alle diese Mechanismen der Selbstzensur aus „guten Motiven“ und des sogenannten linksliberalen Konsenses (der oftmals weder links noch liberal ist) aus der deutschen Medienlandschaft nur allzu gut kennen. Wenn man die Buchstaben BBC durch ARD oder ZDF ersetzt, dann trifft Krönig genauso ins Schwarze. Die meisten hiesigen Radiosender, Zeitungen und Zeitschriften finden sich in seinem Artikel ebenfalls treffend beschrieben.
Das mediale Juste Milieu, so Krönig, pflegt seine faktenresistenes Weltbild. Dazu gehören in der Regel vehemente Vorurteile gegen Amerika und Israel und das Bemühen alles zu vermeiden, was Muslime übel nehme könnten. Wer beispielsweise die Meinung vertritt, der islamische Terrorismus sei nicht erst durch den Irakkrieg in die Welt getreten, muss mit Ablehnung und Anfeindung rechnen. Die herrschenden Programmmacher plädieren für mehr Staat und Steuern. Wer argumentiert, das kapitalistische System funktioniere immer noch am besten, berichtet ein Ex-BBC-Journalist, komme sich bald wie eine Angehöriger eines „exotischen Stammes“ vor. Kaum jemand kommt mehr auf die Idee, zu zweifeln oder nachzufragen - egal ob es um den Armut in Afrika oder das Klima geht. Daraus resultiert ein einseitiger Kampagnenjournalismus, der sich mehr an Bob Geldof oder Al Gore orientiert als an Fakten. Ein BBC-Direktor nennt es „Michael Moorification“ des Programms.
Ein Mangel an intellektueller Neugier, Relativismus, Äquidistanz gegenüber Tätern und Opfern, Misstrauen gegen den Markt und neue Technologien: Das kommt uns doch recht bekannt vor. All dies gehört auch hierzulande zum geistigen Inventar der Medienmacher, die sich gerne „kritisch“ nennen. Ein Beispiel aus dieser Woche: Der Landwirtschaftsminister räumt ein, es gebe zwar keine Belege für gesundheitliche oder ökologische Schäden durch Gentechnik. Dann begründet er das Anti-Gentechnik-Gesetz mit der Bemerkung, man habe darin die Haltung von „Kirchen und Jugendgruppen“ aufgenommen. Gesetz nach Gefühl. Anstatt so einen Minister zu grillen, applaudieren die meisten Berichterstatter.
Bedauerlicherweise gibt es dann doch einen kleinen, aber entscheidenden Unterschied zwischen der Situation Großbritannien und Deutschland. Die Schräglage der BBC-Berichterstattung ist mittlerweile ein großes Thema, auch unter den Verantwortlichen selbst. Denn viele Zuschauer und Zuhörer fühlen sich von „ihrer“ BBC nicht mehr ernst genommen. Eine solche Debatte würde Deutschland gut tun.