Lieber Herr Quencher auch ich habe mich immer wieder gefragt, warum meine Eltern nicht rechtzeitig gegangen sind. Sie konnte ich nicht fragen, da sie sich wütend gegenseitig die Schuld dafür gegeben haben. Als ich 1986 die Mauer hinter mir ließ, da haben mich zwei Empfindungen bewegt. Da waren das Gefühl der Freiheit und die Luft, die nicht mehr stank. Anfang 1990 fuhr ich das erste Mal zurück und ich hätte mit geschlossenen Augen sagen können, wann ich die ehemalige Grenze passiert habe. Inzwischen ist der Gestank gewichen und die Freiheit schickt sich an ihm zu folgen. Meine Befürchtung ist, dass wir schon viel näher der DDR 2.0 sind, als Sie denken, glauben oder ahnen.
Sehr geehrter Herr Quencher, auch ich habe als Kind Mauer und Stacheldraht erlebt, war quasi auch davon gefangen, mit einem Wohnsitz in West-Berlin. Aber das verbreitete Gefühl, im “freien Westen” zu leben, hat irgendwie keine Beklemmung aufkommen lassen. Die kam z. B. bei Klassenfahrten in den “Westen” auf, wenn vor den Kontrollstellen die aufforderung der Lehrer kam, jegliche verbotene Literatur, angefangen vom Micky-Mouse-Heft, zu verstecken, sodann die mit versteinerter Miene uniform und bewaffnet ausgestatteten VoPos durch den (Kinder-) Bus gingen, schon mal hier und dort wühlten u. sich sodann wortlos, ggf. barsch verabschiedeten. Und das Gefühl, das ich bezüglich dieses “Versteckens” hatte, habe ich heute wieder, da man sich unwillkürlich umsieht, wenn man mit jemand Vertrautem seine zugegeben nicht politisch korrekte dem Mainstream entsprechende Meinung austauscht, um zu vermeiden, gesellschaftlich anzuecken. Nicht nur das vollständige Rauchverbot in NRW hat dazu geführt, daß Gespräche wie früher an der Theke heute im Privatbereich geführt werden, der Diktatur der Meinungshoheitler sei Dank. In der DDR 1.0 ist die “Mauer” von den Systemherrschern aufgebaut worden als Bauwerkm und die Bevölkerung hat sich davon das “Denken” nicht nehmen lassen, sonst hätte 1989 nicht statt gefunden. Das Schlimme in unserer gegenwärtigen Republik ist aus meienr Sicht, daß diese “Mauer” in den Köpfen von vielen Willfährigen bereitwillig und freiwillig im Rahmen des von den Medien u. a. vorgegebenen allgemein gesellschaftlichen Konsenz-gedankens übernommen und akzeptiert wird.
Zustimmung! Religiöse, philosophische, objektive Wahrheit - Werte weite hinter Karriere und Erfolg. Der Chef passt sich dem Mainstream, der Angestellte dem Chef an. Kürzlich las ich einen Begriff von Prof. Thomas Kliche: “Bequemlichkeitsverblödung”. Der Begriff half mir zu verstehen, warum sich intelligente und sympathische Mitmenschen der Wirklichkeit verschließen. Nicht die entschiedenen (Multi-Kulti-) Ideologen sind das Übel, sondern die geistige Gleichgültigkeit der Mitläufer.
Nun, ein Notstandsgesetz ist leicht in Kraft zu setzten, um rasch ihre “Reisefreiheit einzuschränken”. Dann dürfen sie auch dienstverpflichtet werden. Die von ihnen noch vermisste Mauer ist ganz schnell da, wenn unserer Politik die Felle wegschwimmen. War da nicht die Aufforderung an die Bevölkerung, sich mit Wasser und Lebensmitteln einzudecken?
Traumata sind etwas Reales: Ihr Leiden, lieber Herr Quencher, an und in der DDR mag zwar objektiv schlimmer und vernichtender gewesen sein, als unser heutiges Leiden am Merkelismus. Natürlich werden wir noch nicht eingesperrt, können sogar noch fliehen oder werden von der Obrigkeit geradezu dazu ermuntert (“Vorrat für 10 Tage”), aber auch dieses heutige Leiden ist real und beschädigt Menschen und unsere ganze Gesellschaft. Eine Obrigkeit, die sich nicht für die Ängste und Leiden großer Teile ihres Volkes interessiert, ja sogar durch ihr Handeln Ängste schürt, hat ihren Regierungsauftrag verwirkt und gehört abgelöst, damals wie heute. In zwei Wochen ist in MV Gelegenheit dazu.
Herr Quencher, bitte mal Butter bei die Fische, wohin kann man denn heutzutage auswandern, wo man erstens willkommen geheißen wird und zweitens nicht unbedingt sich verschlechtert? Damit meine ich z.B. die Gesundheitsversorgung. Drittens müßte man noch anbringen, dort wo man es sich noch leisten kann. Es sind alles nicht unerhebliche Faktoren.
In Ihren Gedanken finde ich Vieles, was auch mich umtreibt, wieder. Vielleicht kommt noch hinzu, dass vielen Menschen einfach die Vorstellungskraft für potenziell extrem grosse Veränderungen fehlt… Bis es irgendwann zu spät ist, um sich ihnen zu entziehen. Es ist also kein willentlicher Akt, sich und seine Nächsten diesen Veränderungen auszusetzen während es Vorstellungs- und Willenskraft erfordert, sich ihnen rechtzeitig zu entziehen und den Sprung ins Ungewisse zu wagen. VG Daniel Haase
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