Henryk M. Broder / 16.09.2016 / 08:42 / 9 / Seite ausdrucken

Die Hinweislage verdichtet sich

Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere ist dafür bekannt, dass er seine Worte mit Bedacht wählt.

Es kommt öfter vor, dass ein Zug der Deutschen Bahn keine Verspätung hat, als dass der Minister die Contenance verliert. Auch in Krisensituationen behält er die Nerven. Als vor ein paar Monaten ein Fußball-Länderspiel gegen Holland in Hannover aufgrund einer „sich immer weiter verdichtenden Hinweislage auf einen möglichen Terrorakt im Umfeld des Stadions“ O-Ton de Maiziere) im letzten Moment abgesagt wurde, bat der Minister auf einer Pressekonferenz um Verständnis dafür, dass er auf konkrete Fragen, warum so entschieden wurde, „keine Antwort geben möchte“.

Denn: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“ Sollte heißen: Wenn die Bevölkerung wüsste, was der Innenminister weiß, könnte sie entweder panisch reagieren oder wissen wollen, warum nicht schon eher etwas unternommen würde.

Nun hat sich de Maiziere wieder zur Bedrohungslage erklärt. In einem Interview mit der BILD-Zeitung sagte er, die Zahl der „islamistischen Gefährder“ in Deutschland sei „mit über 520 Personen so hoch wie nie zuvor“. Es handle sich um Menschen, „bei denen bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden“. Hinzu kämen 360 Personen, die „als mögliche Unterstützer von schweren politischen Straftaten“ eingestuft würden. Alles in allem, etwa 900 tickende Zeitbomben.

Zugleich warnte der Innenminister davor, „Muslime unter Generalverdacht zu stellen“, der islamistische Terrorismus habe zwar „etwas mit dem Islam zu tun“, aber der Islam trage „keineswegs den Keim des Terrorismus in sich“. Damit hatte sich de Maiziere schon sehr weit aus dem Fenster gelehnt, galt doch bis eben die Sprachregelung, der Islamismus habe mit dem Islam nichts, überhaupt nichts zu tun.

Offenbar gibt es inzwischen „eine sich verdichtende Hinweislage“, dass der eine mit dem anderen doch etwas zu tun haben könnte. Nur möchte de Maiziere auf diesen Zusammenhang nicht eingehen, um die Bevölkerung nicht zu verunsichern. Die ist freilich weiter als der Minister. Jeder Bauer in Mecklenburg-Vorpommern weiß, dass man Keime mit bloßem Auge nicht sehen kann.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche

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Leserpost

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Werner Liebisch / 17.09.2016

Wenn man bedenkt dass eine Handvoll oder weniger reichen würden um das Land ins Chaos zu stürzen und wir haben davon knapp an die Tausend. Da kommt doch eine Bombenstimmung auf.

Frank Stricker / 16.09.2016

Witzig ist , wenn unser “Innen”- Minister mal wieder “außen vor” ist…...... Man müßte ihm eigentlich den Spitznamen “Salami” verpassen, weil er die Warheit immer nur in kleinen Scheiben preis gibt.

Pavel Hoffmann / 16.09.2016

Für mich klingt der Satz:“ Islam trage keineswegs den Keim des Terrorismus in sich“. Genauso überzeugend wie „Der Nationalsozialismus trage keineswegs den Keim des Antisemitismus in sich“ Ich bin überzeugt, dass wenn man dem stark bedrohten Herrn Hamed Abdel Samad aufmerksam zuhören würde, könnte man sich die Diskussion über Islamisten, Terroristen und Islam weitgehend ersparen.

annen anne Nerede / 16.09.2016

Tucholsky wäre begeistert. (hoffe ich).

Peter Sticherling / 16.09.2016

Bemerkenswert ist, dass der Minister von “politisch motivierten schwersten Straftaten” spricht, die von islamistischen Gefährdern demnächst zu erwarten sind. Damit gibt der Minister zu, dass der Islam nicht nur eine Religion sondern eben auch eine politische Ideologie ist. Und es ist somit klar, dass der Islam eben doch den Keim des Terrorismus in sich birgt.

Karla Kuhn / 16.09.2016

Hallo Herr Broder, Sie sind mal wieder köstlich. Das mit den Keimen finde ich herrlich. Vielleicht betrachtet Herr Maiziere die ganze Islamistenszene durch ein Mikroskop?  Da wird es verständlich, dass er uns nicht verunsichern will, bei so vielen Keimen. Ich habe auch eine “verdichtende Hinweislage”  Gummirückgrate sind anscheinend Pflicht in der Politik. Heute Hü, morgen Hott.

Hansheinrich Wendel / 16.09.2016

Hat unser Innenminister etwa einen Rhetorik-Kurs bei Frau Merkel gmecht?

Wilfried Cremer / 16.09.2016

Der Keim des Islam ist der Protest des in die Wüste Gejagten. Leider.

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