Es stimmt, daß die Nazis mit den Arabern, “die ja auch Semiten waren” “prima zurecht” kamen; dennoch galten diese nach der von den Nazis vertretenen Rassenideologie als minderwertig, weil sie Semiten waren. (Die Nazis führten auch Krieg gegen England, obwohl die Engländer nach ihrer Auffassung germanische Arier waren.) Es ist wissenschaftlich schon richtig, daß Antisemitismus sich der Sache nach rassistisch gegen alle semitischen Völker richtet und daß es schräg anmutet, wenn man damit nur das jüdische zu meinen vorgibt. Diese Verwendung des Terminus erklärt sich ausschließlich aus der deutschen Geschichte, nicht von der Sache her. Allerdings dürfte dieses Argument von Deutschlandfunk nachgeschoben sein und nichts mit dem ürsprünglichen Gebrauch der Formulierung zu tun haben. Denn wenn die Hamas aufgrund ihrer eigenen Volkszugehörigkeit nicht antisemitisch sein könnte, dann könnte sie es auch nicht fast sein.
Ach Herr Wohlgemuth, vielleicht sollten Sie einen 2. Versuch starten: Gehirn einschalten, noch einmal lesen, die kleinen grauen Zellen das Gelesene verarbeiten lassen (auch wenn es nicht in Ihr Weltbild passt) und dann erst die Tastatur betätigen. Wäre doch eine Variante!
Vielen Dank für den guten Artikel. Hier eröffnet sich eine hervorragende Möglichkeit der Argumentation: Diktator X im Lande Y ist nicht inhuman. Das kann er gar nicht sein, schließlich ist er selber ein Mensch. Rechnet man einmal nach, beträgt der Anteil seiner Feinde an der gesamten Weltbevölkerung weniger als 0,05%. Er ist also allerhöchstens fast ein ganz kleines bisschen inhuman.
@Gerhard Wohlgemuth „Man kann es mit intellektuellen Klimmzügen auch etwas übertreiben.“ Hätten sie sich das doch nur selbst zu Herzen genommen, dann wäre uns allen ihr peinlich-ahnungsloses Geschwätz erspart geblieben.
Der Deutschlandfunk ist doch, ich habe es immer schon geahnt, ein echtes Bildungsmedium. Da sitzt nun der wackere Herr Philipp und unterzieht, bevor er, wie gewohnt und sendernotorisch, israelkritisch zu Werke geht, sein sprachliches Material einer peniblen “wissenschaftlich-etymologischen” Feinprüfung. Das ist so epistemisch superwissenschaftlich philologisch, dass man es in seiner hochgetriebenen Elaboriertheit nur noch pleonastisch fassen kann. Leider wird ihm auf dieser “Ebene”, im DLF-Idiom: niveauvollen Ebene, schnell die Luft knapp. Sonst wäre ihm aufgefallen, dass ihm der unbedachte Gebrauch des Adverbs “fast” alles das kaputt schlägt, was ihm sein Sender als Entschuldigung zusammenfaselt. Wenn er es denn wirklich so dolle mit der Etymologie hätte, wie es ihm der DLF in die Pustebäckchen schiebt, wüsste er, dass “fast” (ahd. “fasto”, mhd. “vast”) auf die Wurzel “fest” zurückgeht und zu den graduierenden Adverbien gehört. Es bezeichnet ein Ausmaß oder eine Stärke. “Fast antisemitisch” bedeutet demnach “beinahe” oder “ziemlich” antisemitisch. Wäre Philipp in der Lage zu schreiben, was er nachträglich gemeint haben will oder soll, hätte er es mit “teilweise antisemitisch” versuchen können. Diese albern verdruckste Formulierung würde seinen hohen “wissenschaftlich-etymologischen” Ansprüchen genügen und zugleich klarmachen, dass hier ein sprachlicher Eiertanz aufgeführt wird, um die schlichte und bittere und blutige Wahrheit zu vernebeln: Die Hamas ist getrieben von Judenhass. Aber so einfache gerade Wahrheiten sind Herrn Philipp auf seinem Gang durch die ihm erreichbaren Ebenen entschieden zu hoch.
Wer gegen Israel eine Art Krieg führt, der muss also antisemitisch sein? Das verstehe ich nicht. Hier wird doch kein Glaubenskrieg geführt. Wenn umgekehrt, Israel besetzte Gebiete, die den Palästinsern zuerkannt wurden, widerrechtlich bebaut, ist dann Israel “antimuslimisch”? Also, Herr Broder, was nun? Man kann es mit intellektuellen Klimmzügen auch etwas übertreiben. Gleichwohl haben Sie insoweit Recht, wenn Sie das Wörtchen “fast” in diesem Zusammenhang kritisieren. Entweder ist man Antisemitit, oder nicht. Sie aber, Herr Broder, unterstellen, Kampf gegen den israelischen Staat sei dem Grunde nach antisemitisch. Was waren dann Kriege zwischen den Völkern, seit es Kriege gab? Alles Religionskriege? Wohl eher nicht.
Ähnlich feinsinnig wie dieses mildernde “fast” ist ja, damit korrespondierend, das mild verschärfende “verstärkt” bzgl. der Reaktionen der Israelis auf die Raketenbeschüsse. Dieses verschleiterte Manipulieren hinterm Komma kennt man seit Jahrzehnten sogar von der dpa. Steter Tropfen höhlt den Stein.
Dass die Unzulänglichkeiten, die der Begriff Antisemitismus auf der “wissenschaftlich-etymologischen Ebene” aufzuweisen hat, auf seine Schöpfer selbst zurück geht, scheint Peter Philipp unbekannt zu sein. Diese suchten im Europa des 19. Jahrhunderts nach einem Begriff für ihr judenfeindliches Tun und prägten das Wort Antisemitismus schließlich selbst. Sich selbst bezeichneten diese Kreise als Antisemiten. Die erste Richtigstellung des DLF ist somit falsch, Antisemitismus bezeichnet “ursprünglich” genau die Feindschaft gegenüber den Juden. Der pseudologische Taschenspielertrick, wonach Araber keine Antisemiten sein könnten, da sie selbst Semiten sind, dient häufig der Verschleierung des antijüdischen Ressentiments in der arabisch-islamischen Welt.
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