Von Markus Stegmayr.
Denken macht einsam. Schreiben erst Recht. Damit ist nicht nur das Schreiben von Texten gemeint, das zumeist nicht in Gesellschaft und in geselliger Runde stattfindet. Mit dieser Feststellung ist der Prozess des Schreibens an sich bezeichnet.
Schreiben ist eine Bewegung. Nicht nur, weil man möglicherweise beim Schreiben leicht gebeugt sitzt und mit dem Stuhl dezent wippend Worte und Sätze formuliert. Schreiben ist vor allem deshalb eine Bewegung, weil Worte und Sätze etwas beschreiben möchten, das in seiner Ganzheit nicht beschreibbar ist.
Schreiben heißt Stilllegen-Wollen, heißt dem Begehren nach dem Festhalten-Wollen nachzugeben. Schreiben ist Sinn- und Wahrheitssuche. Schreiben ist eine Bewegung, die Bewegtes und Bewegendes auf den Punkt bringen möchte. Indem man schreibt, verortet man seine Positionen. Im allerbesten Fall lockert man aber damit mögliche starre Positionen und dogmatische Meinungen. Schreiben heißt sich dem Möglichkeitsraum des „Auch-Noch“ anzunähern. Wer schreibt, setzt sein Denken in Bewegung und hat nicht den Konsens oder den Meinungs-Einheitsbrei im Sinn. Der laut denkende Schreibende vermisst, was auch noch denkbar und sagbar wäre. Trotzt dem bereits Gesagten neue Positionen ab.
Die Grundaufgabe eines Schreibers ist aus dieser Sicht heraus leicht benannt. Er formuliert aus seiner Einsamkeit, aus seiner mangelnden Zugehörigkeit heraus neue, für ihn denkbare und interessante Positionen. Diese sind lediglich strategisch. Sie stehen in der Funktion sein Denken und sein Schreiben anzuregen und in Gang zu setzen.
Die notwendige Distanzierung zur Massenmeinung
Indem man schreibt und diesen Prozess akzeptiert, akzeptiert man auch die Distanz und die notwendige Distanzierung zur Masse und zur Massenmeinung. Diese regt nicht an, sondern legt still. Sie lähmt das Schreiben und das Denken, anstatt es beweglich zu machen. Wer in die Massenmeinung einstimmt, der denkt nicht wirklich frei. Wer schreibt und dabei nur wiederholt, was herdenhaft schon gesagt und geschrieben worden ist, der schreibt nicht wirklich.
Der käut wieder, der macht es sich bequem im Meinungs-Konsens. Der hat die Zustimmung und die Zugehörigkeit im Auge anstatt sich strategisch immer wieder in die Einsamkeit der eigenen Meinung zu begeben, die keine Zugehörigkeiten kennt. Schreiben verfolgt nicht zuletzt den Zweck, mögliche Zugehörigkeiten leichtsinnig und notwendigerweise zu sabotieren und abzuschütteln.
Nun kann man diese Position liberal nennen. Ohne klarer Haltung und ohne konkrete politische Heimat. Das mag sein. Vielmehr ist es aber eine Konsequenz, die sich aus dem Ernstnehmen des Schreibens an sich ergibt. Schließlich sollte die Freiheit des Schreibens unantastbar sein. Vor allem im Heute. Vor allem in Zeiten, in denen herdenhafte Massenmeinungen von politisch „linker“ und „rechter“ Seite grassieren und kaum mehr Nuancen und Zwischentöne möglich zu sein scheinen.
Markus Stegmayr ist Autor und stellvertretender Cefredakteur beim ALPENFEUILLETON, einem Onlinefeuilleton mit Mut zum Diskurs, Kommentaren, Hintergründen, Erzählungen und Informationen rund um Kultur und Leben im Alpenraum. Dort erschien dieser Beitrag zuerst.