Rainer Bonhorst / 02.07.2017 / 17:30 / Foto: Laghi.l / 11 / Seite ausdrucken

Die Ehe für allerlei

Endlich richtig heiraten. Homosexuelle Männer und Frauen dürfen demnächst, wovor immer mehr heterosexuelle Paare zurückschrecken. Mit der „Ehe für alle“ zeichnet sich eine interessante gesellschaftliche Verschiebung ab. Die Zahl der heterosexuellen Paare, die die Ehe für spießig und darum für verzichtbar halten, wird vermutlich weiter wachsen. In nicht allzu ferner Zukunft dürfte der Punkt erreicht sein, da sich kaum noch Heteros und fast nur noch Homosexuelle das Eheversprechen geben.

Das wirft neue gesellschaftsphilosophische Fragen auf: Wird die altmodische bürgerliche Ehe zu einem revolutionären Akt, wenn sie das Markenzeichen einer lange verfolgten Minderheit geworden ist? Oder wird die lange verfolgte Minderheit durch ihren brennenden Ehewunsch zum Mainstream der Spießbürgerlichkeit?

Wichtiger ist natürlich die Frage, ob unsere „Ehe für alle“ bereits an ihrem Endpunkt angekommen ist. Schließlich zeichnet sich in südlichen Breiten bereits die nächste Revolution ab. Ich meine die Drei-Herren-Ehe, die erst kürzlich in Kolumbien geschlossen worden ist. Wann wird es bei uns so weit sein, dass ein verliebter Herr zu zwei anderen sagt: Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte?

Und warum, bitte schön, sollte es nur eine Drei-Männer-Ehe geben? In Brasilien haben sich auch schon drei Frauen mit offiziellem Segen das Ja-Wort gegeben. Wird es bei uns bald auch das eine oder andere Drei-Mädel-Haus geben, dessen Grundstein im Standesamt gelegt wurde?

Mit anderen Worten: Ist die konventionelle Zweier-Homo-Ehe schon von gestern? Ist die Dreierehe der letzte Schrei? Wenn ja, welche Dreierehe darf es sein? Im Sinne der „Ehe für alle“ kann sie eigentlich nicht nur drei Männern oder drei Frauen vorbehalten sein. Auch zwei Frauen und ein Mann beziehungsweise eine Frau und zwei Männer sollten das Recht haben, die Ringe fürs Leben auszutauschen.

Dagegen spricht, dass man in einer solchen Dreier-Misch-Ehe nicht mehr von einer lupenreinen Homo-Beziehung sprechen kann. Einer der drei Partner findet sich durch seine Alleinstellung rein mathematisch, also zwingend in einer heterosexuellen Position wieder. Will man die Gleichgeschlechtlichkeit in Dreierehen sicherstellen, wird man um ein Homo-Reinheitsgebot nicht herum kommen. Es sei denn, so eine Homo-Hetero-Mix-Formation ist vom Gesetzgeber gewollt. Hier muss, wenn die Zeit kommt, noch dringend genderpolitische Klarheit geschaffen werden.

Schließlich wird man auch fragen müssen, ob der Dreierbund überhaupt das letzte Wort sein kann.  Die drei frisch vereinten kolumbianischen Ehepartner wollten ja eigentlich einen Viererbund schließen. Nur der frühe Tod des vierten Mannes hinderte sie daran. Was, wenn der vierte Mann oder die vierte Frau einmal nicht vorab das Zeitliche segnet? Kommt dann die Vierer-Ehe?  Wo will man die Grenze ziehen? Braucht es überhaupt eine Grenze?

Und ganz praktisch: Welche Ehe funktioniert besser, eine mit einer ungeraden Anzahl an Partnern, die in Streitfragen immer klare Mehrheiten gewährleistet? Oder eine mit einer geraden Anzahl an Partnern, in der bei Stimmengleichheit der Ehefrieden durch Verhandlung und Kompromiss gesichert wird?

Wir sehen: Die „Ehe für alle“ steht erst am Anfang. Am Ziel sind wir erst, wenn wir die „Ehe für allerlei“ haben.

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Herbert Müller / 02.07.2017

Frei nach Frau Özoguz würde ich sagen, dass wir die bunte Vielfalt der Ehe brauchen und danach zu einer “Vervielfältigung der Vielfalt” kommen müssen, genauso wie bei der Einwanderung.

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