Hinzu kommt, dass bei den meisten entscheidenden Themen wie eben sowas wie ‘Brexit ja oder nein?’ sowieso niemand wirklich weis, was am Ende rauskommt - sprich ob es in der Summe richtig war der nicht. Vielleicht kann man in 5-10 jahren fundiert sagen: ja, die Briten haben richtig gewählt - oder ja, die briten haben eine falsche Entscheidung getroffen. Jetzt aber nicht - denn wie bei solchen Fragen ‘üblich’: es fehlt an Erfahrung bzw. vergleichbaren Fällen, um wirklich eine halbwegs sichere Abschätzung tätigen zu können. Zudem gibt es einfach zu viele Faktoren und Wechselwirkungen, als dass auch nur ein Mensch die Chance hätte sie alle in ihren Zusammenhängen korrekt erfassen zu können, geschweige denn auf deren Basis eine fundierte Entscheidung fällen zu können. Im Grunde ist es sehr einfach: in dem Moment, in dem Experten miteinander schreiten - und jede Seite gute Gründe einbringt, wieso sie Recht hätten und die anderen nicht - in dem Moment weis man, dass niemand wirklich mit Bestimmtheit weis bzw. darlegen kann, welche Antwort richtig oder falsch ist. Man könnte in diesem Augenblick wirklich eine Münze werfen. Denn die Entscheidung darüber, welche Antwort die richtige ist, hat sich von der Sachebene - da nicht letztlich bestimmbar hier ist - auf die Machtebene verlagert. Und die Frage geht nicht mehr um richtig oder falsch, sodnern darum, wer hat die Macht zu bestimmen, welche Antwort jetzt als richtig bzw. falsch einfach bestimmt wird. Letztlich erfolgt die Antwort darüber, welche Seite den Wähler als Entscheider davon überzeugen kann, dass ihre Antwort doch die richtige sei. Und diese Frage kann an eine Wahlbevölkerung gerichtet werden, oder an ein paar Leute oder vielleicht gar an nur einen nur. Und hier kann man sich fragen, ob wir insoweit Demokraten sein wollen, dass wir sagen, dass diejenigen, die die Folgen tragen müssen - nämlich die Bürger - auch diejenigen sein sollen, die über ihr zukünftiges Schicksal bestimmen dürfen. Oder ob eine irgendwie sich als ‘auserwählt’ definierende Klasse (wie von Gott zum führen eingesetzter Adel), Gruppe (wie ein paar, die sagen, sie wärend besionders klug und würden vernünftige Entscheidungen fällen) oder einer (vom Schicksal bestimmt als Führer oder von Gott eingesetzt oder wie auch immer….) diese Wahl obliegt. Ich persönlich würde für das erstere plädieren - denn es ist eben ein die Moderne auszeichnendes merkmal, dass der Mensch sich slebst für sich selbst zum Maßstab seines Schicksals erhoben hat - und nciht irgendwelche fremden Mächte wie Götter, Dämonen, aber auch ‘die Vernunft’ oder ‘die Geschichte’ oder ‘der Volkswille in Inkarnation’ , ‘die Alternativlosigkeit…’ etc. oder welche Begründungen für Auserwähltheit dann diejenigen für sich selbst beanspruchen, die eben gerne für andere deren Leben bestimmen wollen. Wie sie ja sagten - es geht um diese Macht hier: “denn in Wahrheit fürchtet man den Verlust des eigenen Informationsmonopol und die Rache des dummen Mitmenschen”.
Eine zukunftsweisende Betrachtung, der sich die EU-Granden, wie auch “unsere” Mainstreammedien befleißigen sollten. Dort hört und liest man derzeit nur noch etwas in Richtung, daß die Briten halt nun sehen müssen, wie sie klar kommen und alles, vor allem wirtschaftlich, den “Bach runter geht”. Die Krone setzt der “weise” Herr Juncker dem ganzen auf, indem er verkündet, daß bezüglich Ceta- Vertrag (damit sodann auch TTIP) nicht mal mehr die nationalen Parlamente abstimmen müßten, da es sich um EU-Projekte handele, deren Ergebnisse und Auswirkungen aber sicher nicht auf Brüsseler und Straßburger Bürokratentürme beschränkt bleiben werden. Alle Beteiligten sollten im Sinne der Bürger der EU das britische Votum als Neuanfang und mögliche Neuausrichtung zu aller Vorteil nutzen und ihr auf Buddelkistenbesucher-Niveau abgesenktes “Haust Du mich - Hau ich Dich”- Gezänk zügig einstellen und sich wie halbwegs intelligente Manager geben, die sie angeblich sein wollen. Wer dazu nicht in der Lage oder willens ist, sollte zügig den Platz frei machen für tatwillige Visionäre, so es sie noch gibt. Ansonsten ist das Projekt “Europa” ziemlich sicher dem Tode geweiht.
Eine erfreuliche und fruchtbare Auseinandersetzung mit dem Mantra der gefühlten Eliten: Demokratie sei für uns mehrheitlich Dumme gefährlich, deshalb also keine Volksbefragungen, sondern das Gegenteil - mehr Europa. Über eine Woche nach der britischen Abstimmung lecken sich ebendiese Eliten die Wunden und trachten danach, das Wählervotum abzuwerten oder gar rückgängig zu machen. Das kann - nein muss! - als antidemokratischer Reflex verstanden werden.
Spitzenklasse! Danke für diesen Artikel, er den Einheitsbrei der “Leitmedien” unterbricht.
Ich habe mich schon lange gefragt, was hinter dieser gelegentlich anzutreffenden unerschütterlichen Gewissheit des Besserwissens und der Blasiertheit stecken könnte. Die hier aufgezeigte Deutung scheint mir ziemlich plausibel. Guter Artikel, flott geschrieben!
Ein kluger Artikel.
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