Danke für die tiefgründige Analyse, Herr Held, vortrefflich klar formuliert obendrein! Die Emotionalisierung und damit einhergehende Infantilisierung der Politik ist möglicherweise beabsichtigt, damit kann man sehr gut die eigentlichen Inhalte verschleiern und den politischen Handlungsspielraum erweitern. Offenbar ist hierzulande nur noch Gesinnung entscheidend, so etwas Reaktionäres wie Vernunft und platte Machbarkeit spielt keine Rolle mehr. Auch Ihr Artikel “Zuwanderung: Staatsverweigerung von oben” hat die Abkopplung der Eliten von den Bürgern sehr gut dargestellt.
Sie haben Recht, allerdings sind die Parallelen zu Österreich evident; hier läuft die gleiche Debatte ab, hier wird ebenfalls nicht differenziert, hier werden alle zu “Schutzsuchenden” und Medien zeigen anstelle der tatsächlichen Zusammmensetzung der “Schutzsuchenden” bevorzugt Familien; es handelt sich aber überwiegend um allein reisende Männer, und auch die Thematik “unbegleitete Minderjährige” bedeutet nur zu einem geringen Teil, dass es sich um Mädchen handelt. Bei uns wurde heute im Parlament ein Durchgriffsrecht des Bundes beschlossen (auch da Parallele zu Deutschland), um den Ländern und Gemeinden Personen aufzuoktroyieren. Nur wenige fragten in der Debatte, wohin das alles führen soll, ob es auch einmal eine Grenze geben soll, was mit unserer territorialen Integrität ist (also der Gebietshoheit über unser Staatsgebiet, ein Merkmal der Souveränität). Medien und Presseaussendungen quellen über vor pathetischen Hilfsinitiativen, die mit “Menschenrechte für alle” meinen, dass man beim Produzieren von Kriegsflüchtlingen ruhig weiter zusehen soll und dass Menschenrechtsverletzungen an Einheimischen der Beachtung nicht wert sind. Die Absurdität der Situation wurde gestern abend deutlich: mehrere 1000 Leute am Westbahnhof in Wien, die für eine Weiterrreise nach Deutschland demonstrierten (viele traten diese Reise dann auch an); vom einem Platz in Bahnhofsnähe Demo von 20.000 Menschen unter dem Motto “Mensch sein in Österreich”, bei der wohl wenige verstanden, dass genau das nicht gemeint ist. Zugleich ORF-Sommergespräch mit Kanzler Faymann, der sich oft mit Merkel verglich und Sätze von sich gab wie “do you like skiing, sagte ich zu Tspiras” oder “wegen der Rückenmuskulator gehe ich ins Fitnessstudio”. Viele Leute sahen sich das gar nicht erst an; andere ertrugen es, weil sie parallel auf der Webseite des “Standard” sarkastische Kommentare abgaben. Vertreten wird die Mehrheit der Bevölkerung, die ahnt oder weisst, dass hier destabilsiert wird, nur von einer Minderheit in der Politik. Teilweise ist die Stimmung so angeheizt, dass die Regierung als “Mörder” bezeichnet wird, u.a. weil letzte Woche ein in Österreich abgestellter LKW mit 71 Toten gefunden wurde (an dem Tag, als Merkel in Wien war); dabei ist klar, dass die Menschen (bei denen man zuerst gar nicht mal erkennen konnte, wie viele es waren!) nicht in Österreich erstickt sind. Selbstverständlich sind Kriegstreiber nie Mörder, und man will nicht das geringste Verständnis dafür haben, dass es bei aller Kritik auch Druck auf die Politik gibt, ohne den es wesentlich einfacher wäre, vernünftig zu agieren….
Selten einen intelligenteren und differenzierteren Artikel zu der aktuellen Notlage (in jeder Hinsicht!!!) gelesen. Dieser Artikel sollte zur Pflichtlektüre führender Politiker gehören.
Wenn man es anders haben will, dann muss man dafür auch eintreten. Oder will die Masse der Bevölkerung sich von steine-/flaschenwerfenden Anhängern der NPD oder Antifa diktieren lassen, ob das Grundgesetz, z. B. Versammlungsfreiheit gilt oder nicht? Und hier ist der Wurm drin, A. Merkel,... dürften längst nicht mehr im Amt sein. Mit welchem Recht darf eine Regierung, die nicht handelte um die derzeitige Krise zu vermeiden oder zu entspannen, dem eigenen Volk mit Pauschalurteilen, wie “Pack”, “Mitläufer” die Leviten lesen. Wobei S. Gabriel Irans Führung umarmte, A. Merkel Chinas Führung huldigte, trotz dass beide Regime tausende Systemkritiker umbrachten. Aber das eigene Volk beschimpfen, weil es politisch nicht korrekt handelte? Moral gilt scheinbar nur für das eigene Volk, für Merkel u. Gabriel wohl kaum, für sie gilt Moral nur wenn sie gebraucht wird. Aber die GroKo regiert weiter als sei nichts gewesen. Weil die normalen Bürger sich nicht auf die Straße getrauen. Sie haben Angst vor der Freiheit und den Konsequenzen, die aus den Entscheidungen daraus entstehen. Danke Herr Held für diesen Artikel. Man kann glücklich über kritische Blogs, wie diese sein.
“.. und die Fähigkeit der Staaten, diese Bewegung einzuhegen, zu verbessern.” Was genau heißt das?
Solche intelligenten, sachlichen und im wahrsten sinne des Wortes hilfreichen Artikel möchte ich gerne in auflagenstarken Zeitungen lesen,im ö.-r. Fernsehen und Rundfunk hören—bitte bitte auch dort,immer wieder versuchen!!! Ich habe seit meiner Kindheit in den 1950iger Jahren unter der öffentlichen Lügerei in der Schule und allen Medien gelitten, oft mit ohnmächtigem Zorn. Seit einigen Jahren erinnert mich immer mehr an die DDR-Zeiten, und ich spüre den Zorn immer stärker. Die übergroße Masse der öffentlichen Verlautbarungen (Medien, Politiker, Personen aus der Öff.) sind in ihrer Demagogie, Hetze und Realitätsverweigerung und Einseitigkeit sehr sehr nah an dem Niveau, das mir aus DDR-Zeiten verhasst ist. Es gibt das Netz, zum Glück. Aber man sollte alle anderen Medien nicht den Irrealen, angepassten überlassen!
Um den stets hervorragenden Analysen hier bei Achgut irgendwelche Taten folgen zu lassen, müssen die noch Regierenden von ihrer Verantwortung entbunden werden und stattdessen Menschen mit Verantwortung und Sachverstand, aber auch Mut zu unpopulären Entscheidungen in die Regierung gewählt werden. Die Chancen auf einen solchen Wachwechsel standen jedoch nie so schlecht, weil es bei uns keine ernsthafte, erfolgversprechende Opposition mehr gibt. Das System der “checks and balances” ist de facto außer Kraft gesetzt!
Nur langsam sickern durch die Betroffenheits-Berichterstattung die interessanten weil strategischen Fragen durch. Merkwürdig einheitlich und journalistisch dürftig wirkt der mediale Dauerbeschuss, der, von der Politik befeuert, nur zwischen Schwarz und Weiß zu unterscheiden vermag. Vielleicht ist dies so, weil die Politik das Versäumnis einer vorausschauenden Planung nicht eingestehen will. Und vielleicht ist wiederum dies so, weil wir nun mal eine Kanzlerin haben, die zu allen - warum eigentlich? - plötzlich auftretenden Themen vorab niemals eine Meinung hat, sondern eine solche erst als eigene äußert - weil wohl auch erst dann entwickelt - wenn völlig klar ist, welche Meinung zunächst einmal unproblematisch und vor allem mehrheitsfähig ist Das mag wahltaktisch klug sein, hat aber nichts mit meinem Verständnis von der Rolle politischer Parteien in einer Demokratie zu tun. Ich meine mich an Zeiten erinnern zu können, in denen Parteien eine Haltung zu einem Thema hatten, diese ausformulierten, öffentlich diskutierten und sich dann zur Wahl stellten. Diese Reihenfolge fand ich nicht nur sinnvoll, sondern statthaft. Heute stellt sich mir das anders dar: Eine Partei stellt sich hinter einer Person zur Wahl. Die Person und nicht die Partei, geschweige denn ihr Programm, wird gewählt. Spätestens ab diesem Moment spielt das vor der Wahl verkündete Programm sowieso keine Rolle mehr. Von jetzt ab geht es nach der tagesaktuellen Meinung der “Mitte” der “Bevölkerung”. Muss ich an dieser Stelle an Beispiele wie die Maut, die Kernenergie und die Wehrpflicht erinnern? Statt ausgereifter Konzepte, was arbeitsaufwändig wäre, werden Allgemeinplätze bemüht. Konzepte bedürfen des Inhalts, Allgemeinplätze entbehren diesen. Und genau deshalb führen sie in die Sackgasse einer aufgeregten Gesinnungsdebatte, die keinen Schritt weiterbringt. Nur ein Beispiel: Seit Wochen wird über den ungarischen Grenzzaun berichtet. Tenor: Zaun ist immer schlecht (Abgrenzung, Ausgrenzung, sogar der Vergleich zum Todesstreifen der innerdeutschen Grenze wurde bemüht), Orban sowieso bedenklich. Und jetzt geht dieser bedenkliche Orban her, und lässt die Migranten einfach in Züge nach München klettern. Tenor: Frechheit! Seit die Berichterstattung über den ungarischen Grenzzaun angerollt ist, warte ich vergebens darauf, dass mal irgendjemand die ungarische Haltung (bitte unkommentiert) aufbereitet, damit ich die Hintergründe verstehen kann. Das erwarte ich von einer qualitativen Berichterstattung: Nachfragen, was das soll, was sie sich dabei gedacht haben, wie sie sich das zukünftig vorstellen. Nur an einer Stelle habe ich vernommen, dass der Zaun Türen (!) enthält (übrigens ein recht markanter Unterschied zu jedwedem mir bekannten Todesstreifen) und dass die ungarische Regierung hier beabsichtigt, die Migranten geordnet einzulassen, um sie an Ort und Stelle registrieren zu können. Aha? Kann das sein? Wenn es so wäre, wäre dies nicht ein sehr verantwortungsvolles Verhalten der ungarischen Regierung? Und wäre dies nicht der Punkt, wo journalistisches Nachforschen weiterführen würde? Und noch viel wichtiger: Wenn schon die Politik offenbar nur noch peinlich reaktiv Worthülsen in Reihe geschaltet in die Republik bläst, wäre es dann nicht die Aufgabe von Journalisten, dies zu entlarven und die verantwortlichen Politiker bloßzustellen? Das würde ich mir sehr wünschen, denn von Frau Merkel erwarte ich nicht, dass sie meine “Mutti” ist, sondern als Kanzlerin verantwortungsvoll agiert. Und wenn sie das nicht tut, dann muss man ihr das sagen und sowieso einen politischen Diskurs einfordern (dürfen).
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