Vera Lengsfeld / 15.12.2015 / 15:15 / 25 / Seite ausdrucken

Die CDU beklatscht ihr Begräbnis

Seit der peinlichen Show in Karlsruhe, Parteitag genannt, ist klar: die Volkspartei CDU gibt es nicht mehr. Das hat sich seit längerem angedeutet, aber nun ist es nicht mehr zu übersehen. Es gibt nur noch eine Partei neuen Typus, wie sie einst von Lenin als Kampfmaschine zur Machtergreifung und Machterhaltung erfunden wurde. Eine Kaderpartei, in der die einfachen Mitglieder blosse Staffage sind. Wer die Delegierten, die sich förmlich in Rage klatschten, sah, fühlte sich, sofern er ein historisches Gedächtnis hatte, an ungute, überwunden geglaubte Zeiten erinnert. Angela Merkel in ihrem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf. Im Gegenteil, sie wurde enthusiastisch gefeiert für eine Politik , der zwar ein christliches Mäntelchen umgehängt wurde, die aber nichts mehr mit der antitotalitären Grundhaltung zu tun hat, in der die CDU einst gegründet wurde. Statt Diskussion und demokratischer Teilhabe gilt allein das Führerprinzip. War den Jublern in Karlsruhe wirklich nicht klar, was sie da getan haben? Die Ovationen wollten nicht aufhören und mussten, wie einst bei Väterchen Stalin von der Chefin selbst gestoppt werden. Der Parteitag müsse noch arbeiten, beschied Merkel launisch.

Wer meine Wahrnehmung übertrieben oder gar falsch findet, der solle einen Blick auf die gestrige Süddeutsche Zeitung werfen. Dort steht tatsächlich geschrieben: “Merkel führt. Die Partei folgt”.

Als ich dies las, lief es mir kalt den Rücken runter. Die deutsche Erfahrung nach zwei totalitären Diktaturen im letzten Jahrhundert sollte eigentlich sein, nie wieder einem Führer zu folgen. Es scheint aber die heimliche Sehnsucht der ansonsten strammen Kämpfer gegen rechts zu sein, endlich wieder geführt zu werden und folgen zu dürfen. Nach dem Wohin wird nicht gefragt.

Wohin ihre Politik führen soll, hat Angela Merkel nicht gesagt. Sie hat nur erfolgreich versucht, sich in eine Reihe mit den besten Kanzlern der Bundesrepublik zu stellen. Aber im Gegensatz zu den drei Männern, die mit ihrer Kanzlerschaft ein klare Botschaft verkündet haben, liefert Merkel eine Nullnummer. Adenauer wollte Freiheit und Westbindung, Erhard Wohlstand für alle und Kohl blühende Landschaften. Was will Merkel schaffen und wie? Das bleibt auch nach ihrer Rede im Unklaren. Ausser der grössenwahnsinnigen Behauptung, deutsche Identität sei es , Grösstes zu leisten, bleibt sie im Vagen.

Immer wenn die Deutschen aufgerufen wurden, die Grössten zu sein, wurde es ungemütlich. Seit Merkel sind wir die Grössten in der Klimarettung ( sie hat sich beizeiten selbst zur “Klimakanzlerin” ausgerufen), in der Eurorettung und nun übertreffen wir alle in der Flüchtlingsrettung. Wie es den Geretteten dabei geht, ist unwichtig. Bereits jetzt können wir den Neuankömmlingen, die bereits hier sind, kaum mehr als Massenunterkünfte bieten. Wir können weder die Frauen vor sexuellen Übergriffen, noch die Christen vor der Verfolgung in unseren eigenen Einrichtungen schützen. Wenn sich Merkel dazu in ihrer Rede geäussert haben sollte, fand das in den Medien jedenfalls keine Erwähnung. Auch für keins der vielen anderen mit der Masseneinwanderung verbundenen Problemen wurde eine Lösung auch nur angedeutet.

Auch das hatte der CDU- Parteitag mit totalitären Spektakeln früherer Zeiten gemeinsam: die Realität blieb draussen. Man sonnte sich in gesinnungsethischen Illusionen. Für die Machterhaltung nach der nächsten Wahl wird das vielleicht noch reichen. Für die Bewältigung der immensen Aufgabe, vor die unsere Gesellschaft von der Kanzlerin und ihrem Gefolge gestellt wurde, reicht das mit Sicherheit nicht.

Merkel und Co. sind dabei, die beste Demokratie, die Deutschland je hatte, zu zerlegen. Was danach kommt, ist ungewiss. Nur eines ist sicher: mit Führen und Folgen ist kein besserer Staat zu machen.

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Jürgen Barbendererde / 16.12.2015

Danke für diese Einschätzung! Ich mußte mir heftig die Augen reiben, als ich die Bilder vom CDU-Parteitag sah. Gut, das Sie diese treffenden Worte gefunden haben!

Arne Zillmer / 16.12.2015

Es ist diesem Text nicht einmal zu entnehmen, ob eine Linkswanderung oder eine Rechtswanderung der CDU befürchtet wird. Als Volkspartei bezeichnet sich jede Partei gerne, mit V im Namen fällt einem spontan nur die DVU ein. Werden hier wirkliche sozialistische Tendenzen nach links oder nach rechts befürchtet? Ist es klar, ob das D der CDU in das sozialdemokratische S der SPD oder aber in das rein soziale S der CSU transformiert wird? Dies hängt vermutlich hauptsächlich davon ab, ob mehr Wert auf den Erhalt des C (christlich) oder des D (demokratisch) gelegt wird. Eine Volksnähe kann über Wissen oder Glauben gebildet werden, ob nun demokratische Entscheidungen bei unterschiedlichem Wissen oder christliche Entscheidungen bei unterschiedlichem Glauben die bessere Lösung sind, kann leider niemand sagen, aber eines ist sicher: Weitermachen wie bisher geht gar nicht, nicht in Deutschland und auch nicht in Europa oder weltweit. Konstruktive Kritik ist erlaubt, aber ein reines Schlechtmachen mit leidlichen historischen Vergleichen völlig unfruchtbar für Erneuerungen, die wir für die Zukunft brauchen.

Bernd Ufen / 15.12.2015

Frau Lengsfeld, eine wirklich korrekte Beschreibung des Zustandes dieser Partei. Die CDU war in der Nachkriegszeit ein Glücksfall für die Bundesrepublik, sorgte sie doch für die richtigen Weichenstellungen zur richtigen Zeit, die Folge waren Wohlstand und Freiheit in bisher für das deutsche Volk unbekanntem Ausmaß. Aber was ist aus dieser Partei geworden? Die Delegierten und Abgeordneten, die Sie beschreiben, sind ein Spiegelbild unserer derzeitigen Gesellschaft. Nur unter diesem Aspekt kann man das merkwürdige Verhalten verstehen. Spätere Historikergenerationen werden vielleicht Erklärungen finden, warum und wieso das ganze Land in diesen Zustand abgedriftet ist.

Martin Sell / 15.12.2015

Sie haben mit all dem, was Sie sagen, völlig recht, Frau Lengsfeld. Sind Sie eigentlich immer noch CDU-Mitglied?

Bert Fuchs / 15.12.2015

Vielen Dank für Ihren Artikel, Frau Lengsfeld! In Zeiten, in denen man kaum mehr sagen darf, dass einen die Zustände im Land ängstigen und man diesen Irrsinn gern beendet sehen würde, ohne als reaktionär, verbittert oder beides abgestempelt zu werden, sind ein ungetrübter Blick und klare Worte wie Ihre eine Wohltat.

Ralf Schmode / 15.12.2015

Hallo, Frau Lengsfeld, ja, es ist unfassbar, dass die Delegierten nahezu einmütig bereit waren, die von ihren Wählern und der Parteibasis tagtäglich erlebten Realitäten komplett auszublenden, um sich erst einseifen zu lassen und dann in gemeinsamer “Wir schaffen das!”-Autosuggestion zu suhlen. Für mich ist das Schauspiel nicht mehr nachvollziehbar: Es gab doch schon Kreisverbände der CDU und auch Mandatsträger, die vernehmlich gegen die verordnete im wahrsten Wortsinne grenzenlose “Willkommenskultur” aufbegehrt haben? Wo waren diese Stimmen auf dem Parteitag, was haben diese Untergliederungen der Partei ihren Vertretern auf den Weg gegeben? Aus dem Blickwinkel eines von allen Wertvorstellungen entkernten machtpolitischen Pragmatismus betrachtet ist die Haltung der Delegierten vielleicht sogar nachvollziehbar: Die Union erreicht bei Umfragen nach wie vor Werte um 40 %, die “Willkommensparteien” insgesamt um die 80 %, und für eine Fortsetzung des von Nahles entworfenen und von Merkel verwalteten Umverteilungssozialismus mit multikulturellem Antlitz reicht es allemal. Wenn man die Frage stellt, was die Delegierten reitet, den Marsch in den Untergang demonstrativ zu bejubeln, muss man auch fragen, was eigentlich passieren muss, damit diejenigen aufwachen, die solche Politiker mit Wählerstimmen und Mandaten versehen. Deutschland versagt derzeit in historischem Maßstab bei der Lösung dringender gesellschaftlicher Probleme - das ist den Parteien des Establishments und ihren Funkenmariechen im medialen Mainstream zu verdanken. Aber das Land versagt auch bei der Herausforderung, eine glaubwürdige Alternative zu entwickeln. Eine AfD, die einem Hans-Olaf Henkel den Stuhl vor die Tür setzt, einem Björn Höcke biologistischen Stuss zu verbreiten gestattet, in der Putinvergötterer und Aluhutträger die Programmatik bestimmen und “Transatlantiker” ein Schimpfwort ist, kann es ja wohl auch nicht sein. Mit dem inszenierten Parteitagsjubel schwindet eine der letzen Hoffnungen auf einen Sieg der Vernunft, nämlich die, dass sich die Unionsparteien nach dem Abgang von Frau Merkel - den ein deutliches Signal des Widerstands auf dem Parteitag vielleicht beschleunigt hätte - auf ihre früher einmal hochgehaltenen Werte besinnen und ein konservativ-liberales Rollback des Merkelschen Anbiederungskurses an den linken Zeitgeist einleiten könnten. Eine solche Rückbesinnung auf bürgerliche Werte ist nun nahezu ausgeschlossen, denn sie kann nach dem Fanal von Karlsruhe von keinem der daran Beteiligten mehr glaubwürdig vertreten werden.

Josef Kneip / 15.12.2015

Die Beobachtung von Frau Lengsfeld decken sich auch mit meinen Wahrnehmungen. Das Phänomen Merkel, wobei ich das Wort Phänomen nicht im politisch ethischen Sinne positiv meine, zieht wie ein kalter Komet schon seit Jahren durchs politische Deutschland. Was im Weg ist, verschwindet im eisigen Schweif. Und keiner wagt sich, das zu ändern. Politische Leichtgewichte sind genau so verschwunden, wie politische Schwergewichte. Letztere hatten wohl den finanziellen und beruflichen Background, der ihnen die Abwendung von Merkel erleichterten. Vielen Abgeordneten fehlt das. Sie sind mit der Androhung von Repressalien erpressbar und knicken ein. Eine kapitale Fehlkonstruktion unserer parlamentarischen “Demokratie”. Sie werden zu Zujublern ihrer Peinigerin. Unappetitlich.

Michael Vogel / 15.12.2015

Wie sagte einst Max Liebermann:“Man kann gar nicht soviel fressen wie man kotzen möchte.”

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