Die Bekämpfung der Opposition als Staatsaufgabe

Während in Deutschland die Parteien noch immer darum ringen, wer sich opfert, Merkel ein weiteres Mal an die Macht zu hieven – es werden wohl wieder die Sozis werden – scheint es jener Dame reichlich egal zu sein, welche Partei es ist (neben der CSU, klar), die von ihr in den kommenden Jahren gedemütigt werden wird. Merkel sprach diese Woche in Davos, und sie sagte Dinge, die bei Demokraten die Alarmglocken läuten lassen müssten. Müssten.

DIE WELT titelt„Merkel überzeugt mit einer großen Europa-Rede“. Paul Achleitner von der Deutschen Bank fand Merkels Rede gut, klar und konsistent: „Ich fand sie gut, klar und konsistent[…]“ 

Frau Merkel wendet sich zuerst gegen Protektionismus – und damit recht offen gegen Trumps bislang äußerst erfolgreiches „America first“. Man könnte nun diskutieren, ob „Protektionismus“ in ihrem Sinne nicht bloß ein Pejorativum für das Primat der Demokratie über die Wirtschaft ist, aber heutzutage ist ja alles Unkommode sowieso „irgendwie Hitler“, also wohl auch, mit Zitelmann, das Primat der Politik – vor allem aber ist die Ablehnung des Protektionismus nicht das eigentlich Schockierende an ihren oberflächlich banalen Äußerungen beim Schweizer Elitentreffen.

Merkel selbst hat übrigens nie von der „marktkonformen Demokratie“ gesprochen – wozu auch? Wenn es ihrer Macht dient, lässt sie in Sachen Marktwirtschaft auch mal Zwei plus Zwei gleich Fünf sein, sei es bei der Subvention deutscher Autoindustrie durch die Abwrackprämie, bei der Umlegung von Spekulationsverlusten auf Steuerzahler oder die geradezu irrsinnige „Energiewende“.

Wenn es Merkels Macht – und ihren Zielen? – dient, dann erleiden selbst grundlegende Werte der Demokratie in Merkels Kanzleramt ein Schicksal wie das Bilderverbot beim Kruzifix-Händler. Ob das Meinungspolizei-Gesetz „NetzDG“, das im Endeffekt dazu führen könnte, dass eine Tochtergesellschaft des von Merkel-Freundin Liz Mohn mitbeaufsichtigten Bertelsmann-Konzerns unter praktischer Aushebelung des Rechtsweges „destabilisierende falsche Meinungen“ löscht, ob ihre Deals mit Erdogan im Ausland oder im Inland die Verhinderung demokratischer Debatte, welche der heißlaufende Sozialdemokrat Martin Schulz einen „Anschlag auf die Demokratie“ nannte – Merkel, die bei den Bundestagswahlen von 2017 nur etwa 25 Prozent der Wahlberechtigten überzeugte (selbst die Entdeckung der Weidel-Tagebücher konnte die Abwanderung von über 1 Million Wählern an „die Bösen“ nicht verhindern), hat offenbar ein eher pragmatisches Verhältnis zur Demokratie.

Gemeinsam in die Merkelkratie

Vergangene Woche bekamen wir von Davos aus vorgeführt, wie weit die gefährliche Merkelisierung der politischen Debatte bereits fortgeschritten ist. Merkel hat sich (beim Podiumsgespräch), wie DIE WELT berichtet, für ein „entschlossenes Vorgehen gegen Rechtspopulismus ausgesprochen“. Das Bekämpfen einer allgemein als „böse“ anerkannten Sache scheint auf den ersten Blick zunächst wenig kontrovers. Was aber meint sie, wenn sie „Rechtspopulismus“ sagt?

Die WELT schreibt weiter„Deutschland versuche, diese Entwicklung unter Kontrolle zu bekommen, sagte die Kanzlerin, ohne die AfD zu erwähnen.“ Wenn Merkel „Rechtspopulismus“ sagt, meint sie wahrscheinlich nicht Boris Palmer, welcher „offensiv“ auftretende Ausländer beim Schwarzfahren fotografiert. Sie meint nicht Jens Spahn, der fordert, dass man in Deutschland bitte Deutsch reden möge. Sie meint auch nicht Horst Seehofer, der an ungeraden Wochentagen die Obergrenze fordert. Wen wird sie wohl meinen?

Seit Jahren kommt die AfD in regierungsnahen Medien vor allem als „die rechtspopulistische AfD“ vor, die Linke aber nicht als „die linkspopulistische Linke“ und die Grünen nicht „die ökopopulistischen Grünen“ – beides wäre nicht weniger gerechtfertigt. Funktions-Link: Prüfen Sie es mit dieser Google-Suche selbst. (Die unter Kai Gniffke nach recht-weit-links driftende Tagesschau will seit einigen Monaten auf dieses „Prädikat“ vor jener Partei verzichten. Der wahre Grund scheint mir aber zu sein, dass die Aufgabe erfüllt ist und das Zusatz-Branding überflüssig bis nervig wurde. Zöge es noch, würde es weiter verwendet.)

Wenn Merkel „Rechtspopulismus“ sagt, verstehen die meisten Medienkonsumenten die größte Oppositionspartei im Bundestag, und Merkel wird das wissen. Selbst in obiger Passage ergänzt der Journalist die offensichtliche Lücke: „ohne die AfD zu erwähnen“. Mit anderen Worten: Die deutsche Kanzlerin hat de facto die Bekämpfung der größten Oppositionspartei zur Staatsaufgabe erklärt.

Stellen Sie sich vor, Trump hätte die Bekämpfung der US-Demokraten zur Staatsaufgabe erklärt! Was für ein Geschrei würde es in deutschen Medien geben! Selbst wenn Ungarns Premier sich dagegen wehrt, dass ein US-Milliardär via Polit-PR in Ungarns Politik mitmischt, ergreift man Partei für den Clinton-Spender und gegen die staatliche Gegen-Propaganda.

Die Nicht-Reaktion der Medienklasse

Nun hat Merkel die Bekämpfung der Opposition quasi zur Staatsaufgabe erklärt, und die Journalisten der Postdemokratie stört es wenig. Sind sie auf dem demokratischen Auge blind, ist es ihnen egal wenn es nur gegen „die Bösen“ geht, oder würde Kritik am Merkelismus ihre Jobs gefährden?

Kritische Stimmen prangern ja schon seit einiger Zeit die millionenschwere Anti-Oppositions-PR der Merkel-Regierung an. Man denke nur an das zynisch betitelte Projekt „Demokratie leben!“ des Familienministeriums, das Henryk Broder eine „amtliche Propaganda-Kampagne“ nennt.

Es kommt zwar wenig überraschend, dieses offene Bekenntnis Merkels zum Postdemokratischen, aber schockt doch, und zwar erstens durch seine plumpe Offenheit und zweitens durch die Nicht-Reaktion der Medienklasse.

Jetzt ist quasi-offiziell, was seit Jahren offensichtlich ist: Merkel scheint die Bekämpfung der Opposition zur Aufgabe des Staates (statt nur ihrer Partei) erklärt zu haben – und die Journalisten, die sich einst als „vierte Macht“ sahen, helfen mit, der Demokratie die Luft abzudrehen, indem sie wegschauen oder Merkel sogar beipflichten.

Was also tun? An diesem Punkt geht es auch um’s Prinzip. Unsereins mag nicht die tiefen Taschen gewisser Rechercheure haben, nicht den lukrativen Draht zur Politik, aber jeder von uns hat eine Stimme. Wir können ruhig und selbstbewusst vor unserem Nachbarn sagen: Nein, es ist nicht okay, wie Merkel die Demokratie aushöhlt – egal, was man von der AfD hält. Nein, es ist nicht normal, dass Journalisten es ignorieren. Wir dürfen nicht schweigen, denn Schweigen ist fast so schlimm wie Mitmachen.

Demokratie aushöhlen, um Demokratie zu retten?

Es ist nicht okay, wenn die Ministerien und das Kanzleramt instrumentalisiert werden, um gegen die lästige Opposition vorzugehen. Selbst wenn Merkel lautere Absichten hätte/hat, so ergibt ihr Vorgehen wenig Sinn: Will sie die Demokratie aushöhlen, um die Demokratie zu retten?

Ich würde ja von Hoffnung reden, doch „Hoffnung“ ist mir an dieser Stelle ein zu passiver Begriff. Wir brauchen nicht (nur) Hoffnung, sondern auch eine gewisse Sturheit, am Ziel dranzubleiben. Dem Bauer hilft alle Hoffnung auf Regen nichts, wenn er nicht zuvor den Weizen in die Erde gelegt hat. Dem heutigen Demokraten hilft alle Hoffnung wenig, wenn er nicht auch mal vor seinem Nachbarn sagt: Nein, es ist nicht in Ordnung, wie Merkel den Rechtsstaat und die Demokratie beschädigt.

Selbst wenn Sie und ich die einzigen Bürger Europas wären, wäre es wichtig, mit geradem Rücken durch den Tag zu gehen und zu sagen, wofür man steht. An dieser Stelle sind wir zum Glück nicht (mehr) die „einsamen Helden“, oh nein! Die Zahl der Menschen, die klar und deutlich für Demokratie einstehen, die Merkel und die ihr nahestehenden Medien kritisieren, die auch persönlich westliche, demokratische, europäische Werte verteidigen, diese Zahl wird täglich größer. Wir müssen „nur“ dranbleiben.

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.

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Stefan Leikert / 29.01.2018

Oh, wunderbar, vielen Dank! Und das -Ihre Sammlung “Freie Denker” -  ist ja eine konstruktive Antwort auf den Artikel “Wer geht mit auf die Straße?”. Apropos: letztes Jahr wollte ich anfang September auch nach Ramstein, habs dann aber sein gelassen, als ich kurz vor der Abfahrt entdeckte, dass “AfD-ler” unerwünscht sind. Nicht, dass ich nicht gern meine Haltung vertreten hätte, aber wenn man davon ausgehen muss, dass alle gegen einen sind und es keinen Mitstreiter gibt wird es doof.

Reinhold Schmidt / 29.01.2018

“...Merkel scheint die Bekämpfung der Opposition zur Aufgabe des Staates (statt nur ihrer Partei) erklärt zu haben…” Nun ja, man könnte meinen, da sind so gewisse Fragmente aus ihrer politischen Vergangenheit (FDJ, etc.) durchaus hängengeblieben.

W.Schneider / 29.01.2018

Eine ausführliche Analyse der Positionierung der hiesigen “Medienklasse”. Bemerkenswert ist außerdem, dass in den USA offensichtlich aus allen Medienrohren auf den aktuellen Präsidenten gefeuert wird, eigentlich egal, was er leistet. Dieses Medientrommelfeuer kann bei ganz vielen Medien hierzulande auch beobachtet werden, allerdings nur gegen Kritiker der Politik von Frau Merkel.  Gegen den Rechtspopulismus “entschlossen vorgehen” und “diese Entwicklung unter Kontrolle bringen” erinnert meines Erachtens doch stark an eines der Leitmotive der DDR-Staatsführung, die sich doch im permanenten Kampf gegen den Faschismus befand. Übrigens würde mich die konkrete Ausformung des Wortes “Kontrolle” interessieren, welche Maßnahmen geplant oder denkbar sind.

Roland H. Müller / 29.01.2018

Auch Sie können sich ein “egal, was man von der AfD hält” nicht verkneifen, ein Beweis dafür, dass die Denunzierungsarbeit von Politik und Medien auch bei Ihnen erfolgreich war. Aber, Gott sei ihr gedankt, die AfD wirkt, Erkennbar an der Mahnung Steinmeiers, man müsse anfangen die Fluchtgründe zu unterscheiden. Guten Morgen Herr Steinmeier, nichts anderes fordert die AfD seit Jahren, und wurde dafür von Politik und Medien mit der Nazikeule beworfen.

D. Wolters / 29.01.2018

Merkel hat aus der CDU eine totalpopulistische Partei gemacht. Rechtspopulisten lassen dagegen den links- und ökopopulistischen Teil weg - von daher für mich deutlich weniger populistisch und dazu noch meine Interessen vertretend.

Laura Mavrides / 29.01.2018

Gut geschrieben. Der Aufstand der “anständigen Demokraten”, die sich für das Recht auf Meinungsvielfalt stark machen, auch wenn sie die Meinung anderer Gruppierungen nicht teilen, könnte nun aber so langsam an Fahrt gewinnen! Wenn Fußballvereine - so aktuell der HSV und Eintracht Frankfurt - Mitglieder, Wähler und Sympathisanten einer sicher unbequemen, vielleicht auch anstrengenden, aber erwiesenermaßen demokratischen Partei gewissermaßen als Abschaum der Gesellschaft deklarieren und als vereinsunwerte Elemente ausschließen wollen - spätestens dann wäre doch ein guter Zeitpunkt für alle echten Demokraten, mit aller Macht gegen diese selbsternannten Gesinnungsrichter einzuschreiten und ihren Protest vorzutragen.

Volker Hanf / 29.01.2018

Danke, ich werde meine Patenschaft verlängern

Rudolf George / 29.01.2018

Angela Merkels DDR-Sozialisierung bricht sich immer mehr Bahn. Ihr Misstrauen dem Volk gegenüber, ihre Neigung zu leeren Parolen und Propaganda, ihr Drang nach Beherrschung des Partei- und Staatsapparates, und nicht zuletzt ihr Glaube, eine große Einheitsfront des gesellschaftlichen Fortschritts anzuführen, belegen das eindrucksvoll. Es fehlte nur ein Allzweckprügelknabe und Politschreckgespenst, das in der DDR den Namen Klassenfeind oder Konterrevolution trug, und das nun eben Rechtspopulismus heißt. Lustigerweise machen die Medien bei dieser Ostalgie freiwillig mit und mutieren zu Wiedergängern der AK und des schwarzen Kanals.

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