Der Doppelskandal im Hause von Auntie („Tantchen“, wie die Briten ihr öffentlich-rechtliches Funkhaus BBC jedenfalls bislang zu nennen pflegten), ist noch gar nicht richtig ausgeleuchtet. Was da womöglich noch rauskommt? Skandale erzeugen bekanntlich die heftigsten Nachbeben. Doch schon treten in unserem, dem deutschen Medienzirkus die üblichen Clowns in die Arena, welche ihrem vergötterten Inselsender absonderliche Persilscheine ausstellen möchten. Motto: Shit happens, aber keiner klärt ihn so super auf wie Auntie! Bei der Köpfe rollen, die Entschuldigungsmaschine rattert, Senderhäuptlinge von ihren eigenen Kollegen in Live-Sendungen gegrillt werden. Fast hat der deutsche Medienkonsument inzwischen den Eindruck gewonnen, dass Auntie durch die „tapfere Aufarbeitung“ ihrer Fehltritte investigativ stärker denn je aufgestellt ist. BBC-Redakteure ermitteln unbestechlich gegen die BBC – ist das nicht der Höhepunkt des Qualitätsschurnalismus?
Niemand hat das netter und solidarischer in die Tastatur gedrückt als der BBC-Fan, Mediengerichtspräsident und ehemalige „Bildblog“-Erbsenzähler Stefan „Untouchable“ Niggemeier. Der schreibt u.a.:
„Wenn bei der BBC etwas schiefläuft, setzt ein bemerkenswerter Reflex ein. Brutal schonungslos berichtet sie über ihre eigenen Fehler und gibt ihren Kritikern breiten Raum.“
Ja, was denn sonst? Wenn eine 23 000 Mitarbeiter alimentierende Institution, die sich als Maß aller gesendeten Dinge empfindet und sich permanent schaurig beweihräuchert (man schaue sich nur mal an, wie sie ihre TV-Auslandsprogramme anteast), wenn also diese in jeder Hinsicht aufgeblasene Einrichtung plötzlich mit dem Kopf in der Kloschüssel steckt, was kann sie wohl tun? Fein stille schweigen? Ihre blamierten Leistungsträger in ein abgelegenes Landhaus nach Kent evakuieren, die Tür zusperren und den Schlüssel wegschmeißen? Die ganze, ziemlich eklige Chose anderen Mediengeiern scheibchenweise zur Ausschlachtung überlassen? Zeitungen wie denen von Rupert Murdoch etwa, die mit der BBC noch einen ganzen Hühnerstall zu rupfen haben?
Klar, dass da nur noch dies geht: ganz schnell selber aufdecken, was die anderen früher oder später sowieso rauskriegen würden. Und nebenbei schon mal diskret über Abfindungen mit jenen unsäglichen Gestalten im Sender verhandeln, die nicht zu halten waren, beziehungsweise demnächst nicht mehr zu halten sein werden (ein Kassensturz ist dazu übrigens nicht notwendig - die BBC schwimmt ähnlich wie ARD und ZDF im Geld der Zwangsgebührenzahler).
No Sir, weder ist das momentane Grillfest bei der BBC brutal, noch schonungslos, noch in irgendeiner Weise tapfer. Es ist nicht mal besonders raffiniert. Es ist schlichtweg das Einzige, was der BBC jetzt noch übrigbleibt.
PS: Als Mitbetroffener des Skandals um die gefälschten Hitler-Tagebücher des „Stern“, bald 30 Jahre her, eine Anmerkung. Ich erinnere keinen, nicht einen Kollegen eines anderen Mediums, der anlässlich dieses weltberühmten Fakes (welcher an fast allen Stern-Redakteuren vorbei von einem kleinen, verschwiegenen Zirkel aus Chefredaktion und Verlagsleitung ins Blatt gehoben worden war) die Stern-Redaktion für ihren „brutalen“ und „schonungslosen“ Mut bei der Aufklärung der Affäre gepriesen hätte. Dabei hatten die Stern-Redakteure, nachdem der Schwindel aufgeflogen war, im Verlauf einer beispiellosen Palastrevolte am Hamburger „Affenfelsen“ sehr viel dazu beigetragen, Zusammenhänge aufzudecken und in ihrem Magazin auch höchst kritisch auszubreiten. Immer wieder, jahrelang.
Das war, das ist normal. Wenn die Hose tief hängt, kriegt man einen kalten Arsch. Hochziehen geht dann aber nicht mehr. Man muss die Hose halt noch ein Stückchen weiter runterlassen. Streicheleinheiten darf man dafür allerdings nicht erwarten.
http://www.stefan-niggemeier.de/blog/die-eigenen-schaerfsten-kritiker-wie-die-bbc-mit-ihren-skandalen-umgeht/
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/falscher-vorwurf-von-kindesmissbrauch-bbc-entschuldigt-sich-bei-mcalpine-a-866432.html