Tamara Wernli / 23.11.2016 / 18:30 / Foto: Elvis untot / 8 / Seite ausdrucken

Die Arroganz der beleidigten Hollywood-Stars

In Hollywood herrscht eine kollektive Depression. Die Traumfabrik ist jetzt Rehaklinik, die Schauspieler brauchen nach dem Trump-Schock erst mal uneingeschränkt Erholung. Die einzigen, die feiern, sind die Psychiater. Seit dem Auffliegen von Heidi Fleiss' Callgirl-Ring in den Neunzigern haben ihre Kassen nicht mehr so geklingelt.

Gerade einmal zwei Wochen sind seit der Wahl vergangen. Zwei Wochen, in denen sich die Repräsentanten der Glamourwelt endlosen Heulkollern hingaben, jammerten, klagten, trauerten. Lady Gaga protestierte vor dem Trump Tower, inmitten von Leuten, die "Fuck Trump" und "Trump frisst Scheisse" brüllten. Patrick Stewart ("Raumschiff Enterprise") verkündete: "Trump ist wahrscheinlich etwas vom Allerschlimmsten, das unserer Welt in den letzten 100 Jahren passiert ist." Yoko Ono stiess auf ihrer Social Media-Seite eine eigenartige Schallwelle aus, eine Mischung aus Orgasmusgestöhne und den Lauten eines Huhns, das gerade gerupft wird. 15 Sekunden lang.

Zwei Wochen wären genug Zeit um den Learjet aufzutanken, ein paar Abendkleider in den Louis Vuitton-Koffer zu packen, irgendwo auf der Welt eine 12 Zimmer-Villa mit Pool und Tennisplatz zu erstehen und mit seinen Stylisten, Bodyguards, Nannys, Köchen und Pilatestrainern überzusiedeln. Aber sie sind alle noch da. Trotz ihrer aufsässigen Drohung, man würde auswandern, sollte Trump gewinnen: Barbra Streisand, Chelsea Handler, Meghan Markle (Prinz Harrys neue Flamme, eine US-Schauspielerin), Cher, Robert De Niro etc.

Letzterer hat immerhin – weil er sich jetzt so "schlecht fühlt wie nach 9/11" – ein offizielles Asylangebot erhalten: "Wenn er nach der Enttäuschung emigrieren möchte, heissen wir ihn willkommen", liess der Bürgermeister des italienischen Dorfes Ferrazzano verlauten. Den Vorschlag ernsthaft angenommen hat De Niro bislang nicht. Vielleicht sinniert er ja noch darüber, wie er den Zöllnern bei der Einreise seine Gewaltandrohung gegen den neuen Präsidenten erklären soll – vor der Wahl wandte er sich in einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit und nannte Trump ein Schwein, dem er "eine ins Gesicht hauen" wolle. Was Noch-Präsident Barack Obama nicht davon abhielt, ihn soeben mit der "Presidential Medal of Freedom" zu ehreneiner Auszeichnung für Personen, die einen bedeutenden Beitrag "für die Sicherheit oder das nationale Interesse der USA, den Weltfrieden und kulturelle Belange" geleistet haben.

Hillary versammelte Hollywoods A-Lister hinter sich

So eine Präsidentschaftskampagne ist für Stars, die sich darin engagieren, ein bisschen wie eine Selbsthilfetherapie – man führt sich gegenseitig Lobgesänge vor, erinnert sich, wie toll man ist, dass man sich für die richtige Sache einsetzt, stillt sein Mitteilungsbedürfnis und nimmt dafür den ersehnten Beifall in Anspruch. Während Hillary Hollywoods A-Lister hinter sich versammelte – von Beyoncé über Katie Perry, Justin Timberlake, George Clooney bis Meryl Streep, sprachen sich für Donald immerhin Tila Tequila aus, ein Pornosternchen, zwei alternde 80iger-Stars (Kirstie Alley & Jon Voight) und zwei alternde Spinner (Dennis Rodman & Mike Tyson).

Ich habe bisher immer gedacht, Kriege sind das Schlimmste, was uns passieren kann, Hungersnöte, Naturkatastrophen. Was für ein Verhältnisblödsinn. Das Allerschlimmste ist, wenn das Interesse der Fans an seiner Meinung nicht annähernd so gross ist, wie man es von ihnen erwartet. Wenn Tausende Anhänger die inbrünstig betriebene Pro Hillary-Selbstinszenierung ignorieren und stattdessen einem "Schwein" die Stimme geben.

Das setzt dem sorgfältig kultivierten Überlegenheitsgefühl in einem Masse zu, das nur durch die dramatische Zurschaustellung seines Abscheus über diesen fatalen Fehler wieder halbwegs psychische Ausbalancierung findet. Dass unter den für untauglich erklärten Wählern auch Menschen sind, die einem die Villa, den Koch und den Therapeuten mit ihren Musikkäufen oder Kinobesuchen erst ermöglicht haben, spielt keine Rolle.

Tamara Wernli arbeitet als freischaffende News-Moderatorin und Kolumnistin bei der Basler Zeitung. Dort erschien dieser Beitrag auch zuerst.  In ihrer Rubrik „Tamaras Welt“ schreibt sie wöchentlich über Gender- und Gesellschaftsthemen

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Leserpost

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Florian Bode / 24.11.2016

Yoh, die US-“Künstler” sind eben genauso kollektiv brainwashed, wie die deutschen Journalisten.

Martin Lederer / 24.11.2016

Das ist eine der guten Erkenntnisse der letzten Jahre: Bei Abstimmungen spielt die Meinung von Promis für das Ergebnis scheinbar keine Rolle. Das war in Deutschland so bei mehreren lokalen Abstimmungen, wo auch alle Promis angekarrt wurden. Und jetzt auch bei der Wahl Trumps.

Manfred Schneider / 24.11.2016

...herrlich, die Aufzählung dieser Hollywood Schwachmatenpromis! Aber bitte bei der Nennung der supporter von Trump: “Make my day” - Clint Eastwood nicht vergessen!!! Fehlt eigentlich nur noch die deutsche Riege um den unsäglichen Dummschwätzer Hannes Jaenike und die “White Trash” - Verunklimpfer unserer allseits geschätzten “Qualitätspresse”. Wirklich guter Beitrag -  you made my day, really!!! Manfred Schneider, Düsseldorf

Wolfgang Thiele / 24.11.2016

Zitat: “Yoko Ono stiess auf ihrer Social Media-Seite eine eigenartige Schallwelle aus, eine Mischung aus Orgasmusgestöhne und den Lauten eines Huhns, das gerade gerupft wird. 15 Sekunden lang.” Dazu wäre anzumerken, dass diese seltsamen Kakaphonien seit jeher das Markenzeichen von Yoko Ono sind. Es wird von der interessierten Öffentlichkeit nur deswegen wahrgenommen, weil sie die Witwe von John Lennon ist.

Ulrich Moskopp / 24.11.2016

Bei den Schauspielern gibt es wenigstens noch Ausnahmen, die sich dem Mainstreamdiktat widersetzen( Clint Eastwood) und sei es nur um einfach dem zu widersprechen, was gleichschaltungsförmig alle im Betrieb auch zu denken haben. Noch erschreckender und nur von der winzigen Kunstwelt wahrgenommen, ist aber das anscheinende vollkommene Unisono der Brexit-und Trumpgegner im Feld der bildenden Globalplayer-Kunst (Maler,Bildhauer, usw,,Galeristen)Ihren Blog werde ich mir aber sogleich ansehen, Frau Wernli. Danke einstweilen.

Frank Schirmmacher / 24.11.2016

Danke, Frau Wernli, das musste mal geschrieben werden. Schauspieler haben, wie alle anderen Wahlberechtigten auch, eine Stimme, die sie abgeben können. Dass es als selbstverständlich angesehen wird, dass diese Menschen ihren Bekanntheitsgrad dazu mißbrauchen, das Ergebnis einer demokratischen Wahl zu beeinflussen. ist schon grotesk. Sogar Patrick Stewart, mein Captain, ich bin, na was.? fassungslos..!! untröstlich..!! zutiefst betroffen..!! traumatisiert.!! Man stelle sich vor, die deutschen Wähler müssten sich anno 2017 von Til Schweiger in ARD/ZDF sagen lassen, dass sie die Raute zu wählen haben. Wie sich das wohl auf das Ergebnis auswirken würde.? Sie haben in ihrer Aufzählung übrigens Herrn Eastwood bei den Trump-Befürwortern vergessen.

Dietrich von Schwarzen / 24.11.2016

Nichts Neues! - Oftmals - auch in der Vergangenheit - vermeinen Künstler sich politisch polarisierend äußern zu müssen. ändert sich die allgemeine Windrichtung, wundern sie sich, wenn ihnen der Wind dann ins Gesicht bläst. Die Namen sind Legion: Ob man beispielhaft August von Kotzebue nennt, oder Thea von Harbou oder den größten amerikanischen Lyriker des 20.Jahrhunderts, Ezra Pound, oder den Literaturnobelpreisträger Knut Hamsun als Literaten - Heinrich George, René Deltgen oder Lilian Harvey als Schauspieler usw…der Applaus des Publikums verleitet so manchen Narzisten dazu, sich selbst als “Guru” zu sehen…Etwas mehr “Erdung” und Demut wäre wahrscheinlich angebrachter - aber dann wären die Betreffenden ja auch keine Narzisten… ;-)

D. Rodenstock / 24.11.2016

Der Kommentar bringt es auf den Punkt. Bravo!

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