Rainer Bonhorst / 07.06.2018 / 11:30 / Foto: Heinrich-Böll-Stiftung / 13 / Seite ausdrucken

Die armen rechten Linken

Nach Sahra Wagenknecht ist nun auch Andrea Nahles von ihren linken Freunden ins rechte Lager verschoben worden. Die offizielle Linke Wagenknecht hatte schon vor längerer Zeit mal das Flüchtlingsproblem als Flüchtlingsproblem bezeichnet, was ihr sofort das Etikett „rechts“ eingebracht hat. Jetzt hat die SPD-Chefin Nahles die ungeheuerliche Feststellung getroffen, dass „wir nicht alle bei uns aufnehmen können“. Und schwupps kam der Vorwurf, sie bediene sich rechter Rhetorik. Also, ich finde das lustig.

Aber es zeigt über die unfreiwillige Komik hinaus eine hoch interessante Entwicklung. Es wird offenbar immer mühsamer, nicht rechts zu sein. Das tut dem einen oder der anderen Betroffenen natürlich weh, weil links alles Schöne, Edle, Gute und Coole weilt. Die Zeit, als es noch „linke Bazillen“ und „linkische“ Menschen gab, ist vorbei. Wer heutzutage eine Bazille beleidigen will, muss sie zur „rechten Bazille“ machen.

Die Zahl der rechten Bazillen wächst stetig, wenn selbst so ausgewiesene Unrechte wie Sahra Wagenknecht und Andrea Nahles von den Hütern des linken Reinheitsgebots zu ihnen hinzugefügt werden. Nun können sich die beiden wehren und das tun sie auch erfolgreich. Aber der verrückte Mechanismus ist durch sie noch sichtbarer geworden.

Jeder, der merkt, dass die Welt dem so schön ausgedachten linken Reinheitsgebot nicht entspricht und das laut sagt oder leise murmelt, wird zum Verräter. Früher sprach man von Revisionisten oder gar Renegaten, heute heißt das Rechts. Hauptsache, die linke Jungfräulichkeit bleibt unversehrt.

Und so entsteht angeblich rechts ein Riesenhaufen von Leuten, die nichts miteinander zu tun haben, als dass sie von links beschimpft werden.

  • Da sind natürlich die Altnazis, eine aussterbende Spezies; und die Neonazis, die eine dünne, aber konstante Sumpfschicht bilden;
  • die nazistische Teilmenge in der AfD;
  • die Provokateure in der AfD, die Angela Merkel „jagen“ wollen;
  • die Konservativen; die mit dem hippen Berliner Getue nichts am Hut haben;
  • die Liberalen, die sich gegen die linksgrünen Bevormundungs-Orgien wehren;
  • die Frommen, die nicht nur die andere Wange hinhalten wollen, sondern sich ärgern, wenn die Moschee größer ist als ihre Kirche;
  • die Heimatlichen, die nicht gerade jubeln, wenn sie ihre Heimat nicht mehr wiedererkennen;
  • die ehemaligen Linken, die schon lange nicht mehr im linken Klub mitspielen mögen; die ehemaligen Linken, die den Klub gerade erst verlassen haben; die Verstoßenen, die wegen einer nicht vorschriftsmäßigen Äußerung des linken Paradieses verwiesen worden sind – und schließlich die immer noch Linken, die einfach ein Problem mit gedanklicher Vereinsmeierei haben.

Tja, und das alles muss sich nun mit dem Etikett „rechts“ herumschlagen. Das erinnert mich an die Dummköpfe, die gleich „Nazi-Methoden“ schreien, wenn ein Polizist ihren Ausweis sehen will. Damit machen sie aus den echten Nazi-Verbrechen einen Vogelschiss, um einen der hässlicheren Rechten zu zitieren.

Die Nazis waren kein Vogelschiss, und die „Rechten“ sind kein Ratatouille aus Leuten, die nicht das sagen, was man in Berlin gerne hört. Neonazis sind Neonazis. AfDler mit nazistischen Neigungen sind echte Rechte. Der große als rechts beschimpfte Rest sind Leute mit unterschiedlichen Heimaten, die ihr Recht auf Meinungsfreiheit wahrnehmen.

Darum ist es im Zweifel eine Ehre, von Linksaufpassern als rechts bezeichnet zu werden. Dass diese Ehre auch Sahra Wagenknecht und Andrea Nahles widerfahren ist, wollen wir netterweise als einen lustigen Ausrutscher betrachten. Aber auch als einen entlarvenden.  

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Heinrich Lodsch / 07.06.2018

Was sind denn bitte “nazistischen Neigungen”? Nimmt man die NS als Maßstab, so können darunter nur “völkische Rassenlehre” und die Absprechung von Lebenswert fallen. Eine dümmliche Formulierung, die wohl auch etwas relativierend gemeint war, kann nicht darunter fallen. Wer mit solchen Vokabeln (nazistischen Neigungen) um sich wirft, relativiert tatsächlich die NS!

Sabine Schönfelder / 07.06.2018

Gestern durfte man im Deutschlandfunk einem Berliner Professor zuhören, der sich die deutsche Sprache zu untersuchen und zu bewerten als Hauptbeschäftigung seiner Forschertätigkeit zu eigen macht. In sehr engagiertem Ton warf er Maischberger und Plasberg den unkontrollierten Gebrauch von rechtslastigem Vokabular in ihren Talkshows bezüglich unserer eingewanderten Mitmenschen vor. Das Wort ’ Flüchtlingskrise’ sei hochproblematisch wegen des unrühmlichen Zusammentreffens der Wörter ‘Flüchtling’ mit ’ Krise’. Dies sei typische Rechtsradikalenausdrucksweise und auf’s Heftigste zu kritisieren! Von weiteren Ausführungen des steuerfinanzierten Ausdruckspolizisten nahm ich Abstand, indem ich kurzerhand den Knopf zum Ausschalten des Radios betätigte. Allzuviel Schwachsinn vermiest einem den Tag!

Cornelia Buchta / 07.06.2018

Der von den Medien befeuerte öffentliche Diskurs gleichet einem Minenfeld, auf denen alle verzweifelt anständig bleiben wollenden Protagonisten wie die Irren herum hüpfen, um bei der Landung den Fuß noch auf die wenigen verbliebenen politisch korrekten Bodenflecken zu bekommen. Meine Sympathie gilt denjenigen, die sich diesem Wahnsinn verweigern und sich auf Inhalte statt auf Form konzentrieren. Vom Sprecher der Werte-Union war kürzlich zu lesen, dass es Kritik an der Regierung schon länger “hinter vorgehaltener Hand” (!) gegeben habe - Meine Unterstützung gilt denjenigen, die OFFEN Kritik an der SACHE äußern, anstatt Zeit und Energie mit Kritik an Form und Ausdruck zu verschwenden.

Sebastian Weber / 07.06.2018

Also diese A. Nahles ist doch ein verrücktes Huhn. Haut die da einfach mal so einen Knaller raus. Total crazy! Na mal sehen, zu was für Geistesblitzen die Frau noch so fähig ist. Aber etwas mitleid habe ich schon mit ihr. Die ganze Zeit hört man nichts von ihr und kaum sagt sie was, bekommt sie eine Verblaklatsche. Obwohl….nö. Doch kein Mitleid.

Gertraude Wenz / 07.06.2018

“Rechts” und “links”, diese Worte bedeuten mir schon lange nichts mehr. Auf Vernunft kommt es an und die wohnt mal da und mal dort wie das Glück. “Rechts” und “Links” ist nichts weiter als Schubladendenken!

Thomas Schade / 07.06.2018

Bald wird „rechts“ das neue Wort für „realistisch“ sein.

Helmut Bühler / 07.06.2018

Und so entsteht echtes Multikulti im “rechten” Sammelbecken. Ist das nicht schön? Soviel buntes Rechts war nie. Bin gespannt auf die nächsten Neuzugänge. Leute wie ich mit einer linksliberalen Grundstimmung (mit Betonung auf liberal) werden seit Jahren nach rechts durchgereicht und sind jetzt voll Nazi. Das ist putzig anzusehen, erspart Geld, weil man “Spiegel” und “Zeit” nicht mehr lesen will, Bauchschmerzen weil man nicht mehr unter Qualen dann doch “grün” wählt und wäre auch sonst lustigste Realsatire, wenn dadurch nicht die Grundlagen unserer Gesellschaft, unseres Rechts und unseres Wohlstandes zerstört würden.

C. Doering / 07.06.2018

Mittlerweile gilt man ja schon als “Rechter” oder “Nazi”, wenn man morgens pünktlich zur Arbeit kommt…...

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Rainer Bonhorst / 17.04.2024 / 10:00 / 31

​​​​​​​Die Bayer(n)-Revolution

Rekordmeister Bayern muss den Meistertitel an Bayer abgeben. Ein Menetekel für die Politik? Wie wird es weitergehen? San mir net mehr mir? Ist rheinisch das…/ mehr

Rainer Bonhorst / 08.03.2024 / 12:00 / 19

Bye bye Nikki, hello Oldies

In den USA duellieren sich Biden und Trump um den Einzug ins Weiße Haus. In diesem Alter würde man in Deutschland weniger auf Karriere als…/ mehr

Rainer Bonhorst / 22.02.2024 / 14:00 / 26

Kamala gegen Nikki – ein Traum

Statt der beiden betagten Kontrahenten Joe Biden und Donald Trump wünsche ich mir eine ganz andere Konstellation im Kampf um das Amt des US-Präsidenten. Man…/ mehr

Rainer Bonhorst / 13.02.2024 / 12:00 / 39

Gendern im Fußball? Fans zeigen rote Karte!

Wie woke soll der Fußball sein? Oder genauer: Wie viele Geschlechter soll der Fußball kennen? Es wird Zeit, mal wieder auf den Fußballplatz zu gehen.…/ mehr

Rainer Bonhorst / 12.02.2024 / 12:00 / 35

Giorgia Meloni als Mamma Europa?

Georgia Meloni beginnt in Europa eine wichtige Rolle zu spielen. Die Politik hält sich mal wieder nicht an die ideologischen Vorgaben deutscher Medien.    Ja, darf…/ mehr

Rainer Bonhorst / 04.02.2024 / 14:00 / 33

Gedanken beim Demo-Gucken

Im Grunde haben wir ja Glück, dass in Deutschland die Verhältnisse so klar sind. Wir haben keine dunkelhäutigen Politiker in Berlin, die die Frechheit besitzen…/ mehr

Rainer Bonhorst / 30.01.2024 / 06:15 / 88

Danke! Die ungehaltene Rede auf meiner Traum-Demo

Ich habe einen Traum. Den hab ich öfter mal, aber jetzt hat er sich aus aktuellem Anlass wieder gemeldet. Weil ich in den letzten großen…/ mehr

Rainer Bonhorst / 24.01.2024 / 11:30 / 65

Ich wäre gerne mitmarschiert

Schade, ich bin zu den großen Demonstrationen gegen rechts leider zu spät gekommen. Ich wäre so gerne mitmarschiert. Aber ich war zu langsam. Weil ich…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com