Thomas Rietzschel / 28.03.2017 / 19:30 / 6 / Seite ausdrucken

Die Angst kommt aus dem Bauch, die Sicherungen brennen durch

Wo die Angst überhand nimmt, greift die Panik um sich. Der Verstand setzt aus, wenn die Knie schlottern. Obwohl noch ganze sechs Monate vor uns liegen, bis am 24. September der nächste Bundestag gewählt wird, brennen im politischen Berlin schon jetzt die Sicherungen durch. Kurzschluss folgt auf Kurzschluss.

Die SPD hat sich einen Allesversprecher zum Heiland erkoren. Mit Veitstänzen huldigen ihm die Genossen landauf, landab. Dass sie bei der Landtagswahl an der Saar gleichwohl das Nachsehen hatten, kann die Traumatisierten nicht beirren. Kraft ihrer Wassersuppe lassen sie die Muskeln spielen. Heiko Maas, der Justizminister, gibt den Großinquisitor. Lautstark bringt er ein Gesetz auf den Weg, das zwar dem vorgegebenen Zweck, Hass und Fake News aus dem Netz zu verbannen, wenig dienlich sein wird, auf das der Staat aber zurückgreifen kann, wann immer dem Bürger ein Maulkorb verpasst werden soll .

Mal schnell die Geschäftsordnung ändern

Die Schamlosigkeit, mit der die Berufsdemokraten die freie Gesellschaft den eigenen Bedürfnissen entsprechend zu reglementieren versuchen, hat längst Methode. Weil zu befürchten steht, dass der älteste Abgeordnete des nächsten Bundestages ein AfD-Mann sein könnte, ihm mithin das Recht zustünde, die konstituierende Sitzung des Parlaments zu eröffnen, will der Bundestagspräsident kurzerhand die Geschäftsordnung ändern lassen. Nicht mehr das nach Lebensjahren älteste Mitglied, sondern der dienstälteste Parlamentarier soll die Versammlung leiten.

Als sei es das Selbstverständlichste von der Welt, vergreift sich Norbert Lammert an den Regularien des Hohen Hauses. Noch bevor die Wahl überhaupt stattgefunden hat, soll die Inthronisation seines Parteifreundes Wolfgang Schäuble in trockenen Tüchern sein.

Auf welch dünnem Eis schlittert unsere politische Klasse, dass sie es nötig hat, ein derartiges Schmierentheater aufzuführen? Wovor fürchtet sich das politische Establishment, dass es die Macht, die ihm vorübergehend verliehen ist, so hemmungslos missbraucht. Ist es die Angst vor der unisono verdammten AfD?

Obwohl das oft angenommen wird, auch die AfD sich selbst gern in dem Glauben wiegt, die anderen Parteien vor sich herzutreiben, trifft diese Vermutung kaum die halbe Wahrheit. Mit den 6,2 Prozent, die sie eben im Saarland erreicht haben, stehen die „Alternativen“ keineswegs vor der Machtübernahme. Auch die zehn, zwölf oder gar fünfzehn Prozent, die sie bei der Bundestagswahl auf sich vereinigen könnten, würden die Verhältnisse nicht umstürzlerisch verändern.

Der Beelzebub und die Teufelchen

Die Furcht, die im politischen Berlin umgeht, muss tiefer sitzen, eher im Bauch als im Kopf. Die AfD ist nur der Beelzebub, hinter dem sich Rote, Grüne und Schwarze verstecken. Sie bedürfen der Partei als Prügelknaben, weil sie sich selbst von den Verhältnissen überfordert fühlen. Dass die Leute ihnen drauf kommen könnten, das vor allem versetzt die Versorgungsempfänger der repräsentativen Demokratie in Panik, verleitet sie zu Manövern, deren hinterhältige Absicht allzu deutlich auf der Hand liegt. Um sich an der Macht zu halten, müssen sie sich und der Gesellschaft etwas vormachen.

Es ist die Stunde der Gaukler. Bleibt abzuwarten, wer dabei die bessere Performance hinlegt, Merkel oder Schulz. In sechs Monaten, bei Philippi, sehen wird uns wieder. 

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Leserpost

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Georg Dobler / 29.03.2017

Ja, richtig, ohne die sogenannten Rechtspopulisten hätte Herr Schulz noch weniger zu Lachen. nach der Wahl in den Niederlanden sah man ihn mit dem üblichen lachenden Gesicht. Er freute sich über den Gewinn des sogenannten rechts-liberalen Herrn Rutte. Diese Freude war so groß dass er gar nicht dazu kam, das Ergebnis seiner Schwesterpartei ansehen zu müssen, die bekanntlich um 19 Prozent abstürzte. Freude bei 19 Prozent Verlust, das gibt es nur dank Herrn Wilders.

Gunther Bartelt / 29.03.2017

Die Frage: Wovor fürchtet sich das politische Establishment, dass es die Macht, die ihm vorübergehend verliehen ist, so hemmungslos missbraucht? - basiert auf der irrigen Annahme, unser repräsentatives System sei mehr als die bloße Illusion von Demokratie. Die AfD fordert in ihrem Programm basisdemokratische Strukturen (Volksabstimmungen etc.) wie in der Schweiz. Natürlich müssen Lammert und alle Etablierten Ansätze von echter Demokratie als Bedrohung ihrer Elitenherrschaft empfinden - und mit allen Mitteln bekämpfen. Die beabsichtigte, vollkommene Ausgrenzung und Ächtung der AfD durch die Altparteien im Parlament nach der BTW ist offensichtlich.

Nico Schmidt / 29.03.2017

Sehr geehrter Herr Rietzschel, man kann sich wirklich nur noch wundern und unsere Politiker tun es mit einer großen Selbstverständlichkeit. Immerhin muß das Volk vor diesen Ganoven geschützt werden, ob es nun will oder nicht. MfG Nico Schmidt

Roland Richter / 29.03.2017

Früher hatte ich mal große Stücke auf den Lammert gehalten. Na ja, ich schäme mich jetzt dafür. Die uns da regieren, wollen sicher sein, daß der kleine Giftzwerg oder ein geistig ähnlich gewalkter (geweiht von Frau Muksel) Gesinnungsgenosse diesen Posten einnimmt. Wir können von Glück reden, wenn sie nicht unliebige Personen wg. Nazi ausschließen, gewählt oder nicht, das interessiert die Großkopfeten nicht. Wer wollte sie daran hindern, das zu tun?

Matthias Braun / 29.03.2017

Meine Angst sitzt im Kopf!! Nochmals 4Jahre große Koalition, oder eventuell sogar wie angedroht( von Herrn Schulz),rot-rot-grün? Dann erkennen wir Deutschland nicht mehr wieder.

John Farson / 29.03.2017

Das Problem, welches Sie verkennen, also aus Sicht der Altparteien, ist folgendes: Die AfD ist NOCH keine Gefahr, könnte dies aber werden. Merkel, Schulz und Co. haben keinerlei Verantwortungsbewusstsein und Handeln tun sie auch nicht gerne. Denn handeln hat Konsequenzen und die will man vermeiden. Bisher ging die Taktik wunderbar auf, alles auf die lange Bank zu schieben und die Probleme in die Zukunft zu verlagern. Nun aber kommen einige Bumerangs zurück und sie können sicher sein, dass man uns, nach der Wahl, noch einige Rechnungen präsentieren wird. Und hier zeigen diese Leute dann doch mal Weitblick. Sie wissen nämlich ganz genau, dass sie so weiter machen wollen und das der Unmut wächst. Nun ist der Deutsche geduldiger als der Franzose, oder der Holländer. Aber diese Länder könnten unsere Zukunft sein, nicht nur im Hinblick auf die Auswüchse der Migration (Schweden, Frankreich etc.). Und dann kann es gut passieren, dass der Unmut so groß wird, dass die Leute sich doch auflehnen. Und davor haben sie Angst. Ist Ihnen noch nie aufgefallen, wie die Leute, die sich gegen das Unrechts Regime, in der DDR aufgelehnt und es zu Fall brachten, immer gefeiert werden? Das waren/sind Helden. Nur jetzt, wo es plötzlich gegen sie selbst geht, da sind das alles böse Nazis. Long story short: Man hat Angst vor der Willen und den Handlungen des Volkes. Ich wage mal noch eine Prognose: Sowie die GroKo, unter Schulz oder Merkel, für 4 weitere Jahre im Sattel sitzt, wird man die Schlagzahl erhöhen und Kritiker werden es mit ernsten Repressalien zu tun bekommen. Die werden etliche neue Gesetze aka Maulkörbe erlassen und ähnliche Dinge. Demokratie wird weiter abgeschafft. Ehrlich gesagt könnte ich mir sogar vorstellen, dass man die nächsten Wahlen dann absagt. Zur “Rettung der Demokratie” wenn die Stimmen für die linken und rechten Ränder zu groß werden. Und das ist keine wirkliche VT. In Schweden hat man genau das getan, als die Schwedendemokraten zu stark wurden.

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